Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Fünftes Buch. Achtes Capitel. gebiete; er suchte überall zu zeigen, wie neu und gefährlichdie entgegenstehenden Einrichtungen, wie sie selbst mit den alten canonischen Satzungen in Widerspruch seyen. Mit gutem Vorbedacht schwieg er von dem göttlichen Recht des Papstes, oder dem Charakter indelebilis, selbst von der Zahl der Sacramente; er wollte nicht bekehren, sondern nur ver- theidigen. Schon genug, daß er den Unterschied des geist- lichen Berufes der Bischöfe von deren weltlicher Gewalt hervorhob; indem er jene nach dem Inhalt des Evange- liums bestimmte, hütete er sich doch wohl diese anzutasten. Er behauptete, daß die Evangelischen auch hierin von den ächten Grundsätzen der katholischen Kirche nicht abgewichen seyen, daß der Kaiser die neue Einrichtung der Kirche sehr wohl dulden könne. 1 Es ließe sich fragen, ob die Protestanten nicht viel- 1 Es ist bekannt, daß die beiden von den Fürsten unterzeich-
neten Originale der Augsburgischen Confession sich nirgend mehr vor- finden. Man glaubte lange das Eine, deutsche in Mainz entdeckt zu haben, doch hat Weber in der Kritischen Geschichte der Augsburger Confession mit scrupulösem Fleiße gezeigt, daß das so gut eine Ab- schrift ohne authentischen Werth ist, wie viele andere. Diese Ab- schriften bieten eine Menge Abweichungen dar, sowohl unter einan- der, als von der ersten Ausgabe, die Melanchthon noch im Jahre 1530 besorgte. Glücklicherweise sind die Abweichungen wohl zahlreich aber nicht wichtig. Die Schreiber jener Zeit erlaubten sich kleine Ei- genmächtigkeiten, namentlich in der Rechtschreibung, die noch so we- nig fixirt war. Für Sinn und Inhalt trägt das beinah nie etwas aus. Eine sehr fleißige Collation einiger Handschriften findet sich in Förstemanns zweitem Bande. Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel. gebiete; er ſuchte überall zu zeigen, wie neu und gefährlichdie entgegenſtehenden Einrichtungen, wie ſie ſelbſt mit den alten canoniſchen Satzungen in Widerſpruch ſeyen. Mit gutem Vorbedacht ſchwieg er von dem göttlichen Recht des Papſtes, oder dem Charakter indelebilis, ſelbſt von der Zahl der Sacramente; er wollte nicht bekehren, ſondern nur ver- theidigen. Schon genug, daß er den Unterſchied des geiſt- lichen Berufes der Biſchöfe von deren weltlicher Gewalt hervorhob; indem er jene nach dem Inhalt des Evange- liums beſtimmte, hütete er ſich doch wohl dieſe anzutaſten. Er behauptete, daß die Evangeliſchen auch hierin von den ächten Grundſätzen der katholiſchen Kirche nicht abgewichen ſeyen, daß der Kaiſer die neue Einrichtung der Kirche ſehr wohl dulden könne. 1 Es ließe ſich fragen, ob die Proteſtanten nicht viel- 1 Es iſt bekannt, daß die beiden von den Fuͤrſten unterzeich-
neten Originale der Augsburgiſchen Confeſſion ſich nirgend mehr vor- finden. Man glaubte lange das Eine, deutſche in Mainz entdeckt zu haben, doch hat Weber in der Kritiſchen Geſchichte der Augsburger Confeſſion mit ſcrupuloͤſem Fleiße gezeigt, daß das ſo gut eine Ab- ſchrift ohne authentiſchen Werth iſt, wie viele andere. Dieſe Ab- ſchriften bieten eine Menge Abweichungen dar, ſowohl unter einan- der, als von der erſten Ausgabe, die Melanchthon noch im Jahre 1530 beſorgte. Gluͤcklicherweiſe ſind die Abweichungen wohl zahlreich aber nicht wichtig. Die Schreiber jener Zeit erlaubten ſich kleine Ei- genmaͤchtigkeiten, namentlich in der Rechtſchreibung, die noch ſo we- nig fixirt war. Fuͤr Sinn und Inhalt traͤgt das beinah nie etwas aus. Eine ſehr fleißige Collation einiger Handſchriften findet ſich in Foͤrſtemanns zweitem Bande. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0262" n="246"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel</hi>.</fw><lb/> gebiete; er ſuchte überall zu zeigen, wie neu und gefährlich<lb/> die entgegenſtehenden Einrichtungen, wie ſie ſelbſt mit den<lb/> alten canoniſchen Satzungen in Widerſpruch ſeyen. Mit<lb/> gutem Vorbedacht ſchwieg er von dem göttlichen Recht des<lb/> Papſtes, oder dem Charakter indelebilis, ſelbſt von der Zahl<lb/> der Sacramente; er wollte nicht bekehren, ſondern nur ver-<lb/> theidigen. Schon genug, daß er den Unterſchied des geiſt-<lb/> lichen Berufes der Biſchöfe von deren weltlicher Gewalt<lb/> hervorhob; indem er jene nach dem Inhalt des Evange-<lb/> liums beſtimmte, hütete er ſich doch wohl dieſe anzutaſten.<lb/> Er behauptete, daß die Evangeliſchen auch hierin von den<lb/> ächten Grundſätzen der katholiſchen Kirche nicht abgewichen<lb/> ſeyen, daß der Kaiſer die neue Einrichtung der Kirche ſehr<lb/> wohl dulden könne. <note place="foot" n="1">Es iſt bekannt, daß die beiden von den Fuͤrſten unterzeich-<lb/> neten Originale der Augsburgiſchen Confeſſion ſich nirgend mehr vor-<lb/> finden. Man glaubte lange das Eine, deutſche in Mainz entdeckt zu<lb/> haben, doch hat Weber in der Kritiſchen Geſchichte der Augsburger<lb/> Confeſſion mit ſcrupuloͤſem Fleiße gezeigt, daß das ſo gut eine Ab-<lb/> ſchrift ohne authentiſchen Werth iſt, wie viele andere. Dieſe Ab-<lb/> ſchriften bieten eine Menge Abweichungen dar, ſowohl unter einan-<lb/> der, als von der erſten Ausgabe, die Melanchthon noch im Jahre<lb/> 1530 beſorgte. Gluͤcklicherweiſe ſind die Abweichungen wohl zahlreich<lb/> aber nicht wichtig. Die Schreiber jener Zeit erlaubten ſich kleine Ei-<lb/> genmaͤchtigkeiten, namentlich in der Rechtſchreibung, die noch ſo we-<lb/> nig fixirt war. Fuͤr Sinn und Inhalt traͤgt das beinah nie etwas<lb/> aus. Eine ſehr fleißige Collation einiger Handſchriften findet ſich in<lb/> Foͤrſtemanns zweitem Bande.</note></p><lb/> <p>Es ließe ſich fragen, ob die Proteſtanten nicht viel-<lb/> leicht beſſer gethan haben würden, wenn ſie ſtatt ſich ſo<lb/> entſchieden in der Vertheidigung zu halten, wieder einmal<lb/> muthig die Offenſive ergriffen, und alle die ſtarken refor-<lb/> matoriſchen Sympathien aufgerufen hätten.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [246/0262]
Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.
gebiete; er ſuchte überall zu zeigen, wie neu und gefährlich
die entgegenſtehenden Einrichtungen, wie ſie ſelbſt mit den
alten canoniſchen Satzungen in Widerſpruch ſeyen. Mit
gutem Vorbedacht ſchwieg er von dem göttlichen Recht des
Papſtes, oder dem Charakter indelebilis, ſelbſt von der Zahl
der Sacramente; er wollte nicht bekehren, ſondern nur ver-
theidigen. Schon genug, daß er den Unterſchied des geiſt-
lichen Berufes der Biſchöfe von deren weltlicher Gewalt
hervorhob; indem er jene nach dem Inhalt des Evange-
liums beſtimmte, hütete er ſich doch wohl dieſe anzutaſten.
Er behauptete, daß die Evangeliſchen auch hierin von den
ächten Grundſätzen der katholiſchen Kirche nicht abgewichen
ſeyen, daß der Kaiſer die neue Einrichtung der Kirche ſehr
wohl dulden könne. 1
Es ließe ſich fragen, ob die Proteſtanten nicht viel-
leicht beſſer gethan haben würden, wenn ſie ſtatt ſich ſo
entſchieden in der Vertheidigung zu halten, wieder einmal
muthig die Offenſive ergriffen, und alle die ſtarken refor-
matoriſchen Sympathien aufgerufen hätten.
1 Es iſt bekannt, daß die beiden von den Fuͤrſten unterzeich-
neten Originale der Augsburgiſchen Confeſſion ſich nirgend mehr vor-
finden. Man glaubte lange das Eine, deutſche in Mainz entdeckt zu
haben, doch hat Weber in der Kritiſchen Geſchichte der Augsburger
Confeſſion mit ſcrupuloͤſem Fleiße gezeigt, daß das ſo gut eine Ab-
ſchrift ohne authentiſchen Werth iſt, wie viele andere. Dieſe Ab-
ſchriften bieten eine Menge Abweichungen dar, ſowohl unter einan-
der, als von der erſten Ausgabe, die Melanchthon noch im Jahre
1530 beſorgte. Gluͤcklicherweiſe ſind die Abweichungen wohl zahlreich
aber nicht wichtig. Die Schreiber jener Zeit erlaubten ſich kleine Ei-
genmaͤchtigkeiten, namentlich in der Rechtſchreibung, die noch ſo we-
nig fixirt war. Fuͤr Sinn und Inhalt traͤgt das beinah nie etwas
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