Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Fünftes Buch. Achtes Capitel.

Es ist dieß die Augsburgische Confession und ihr Ur-
sprung folgender.

Unmittelbar nach Empfang des kaiserlichen Ausschrei-
bens hatte man in Sachsen für gut gehalten, die Meinung,
"auf welcher man bisher gestanden und auf welcher man
verharre," in der regelmäßigen Form einer Schrift zusam-
menzustellen. 1

So hatte man sich einst zu jener Nationalversammlung
im J. 1524 von allen Seiten vorbereitet; etwas Aehnliches
geschah auch in diesem Augenblick wieder auf der entgegen-
gesetzten Seite, z. B. in Ingolstadt. 2

In Wittenberg legte man nun in Hinsicht der Lehre
jene schwabacher Artikel zu Grunde, in denen sich die Tren-
nung der lutherischen von den oberländischen Theologen aus-
gesprochen. Es ist sehr merkwürdig, daß bei Abfassung
der Confession das Gefühl einer Absonderung von den Na-
heverwandten wenigstens nicht minder lebhaft war, als das
Bewußtseyn des ursprünglichen Gegensatzes, welcher die
große Bewegung hervorgebracht hatte. Die Absonderung
erschien um so stärker, da indeß Zwingli und die Seinen
von einigen Zugeständnissen, die sie in Marburg gemacht,
und die von der marburger Uebereinkunft in die schwaba-
cher Artikel übergegangen, wieder zurückgetreten waren.

Diese schwabacher Artikel überarbeitete nun Melanch-
thon mit dem Geiste der Gründlichkeit und Ordnung, der
ihm eigen war, und in der unläugbaren Absicht möglichster
Näherung an den katholischen Lehrbegriff. Die Erläuterun-
gen über die Lehre vom freien Willen und vom Glauben,

1 So faßte zuerst Kanzler Brück den Gedanken, wie sein
"Zeddel" ausweist; bei Förstemann I, 39.
2 19. Februar 1530. Auszug bei Winter I, 270.
Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.

Es iſt dieß die Augsburgiſche Confeſſion und ihr Ur-
ſprung folgender.

Unmittelbar nach Empfang des kaiſerlichen Ausſchrei-
bens hatte man in Sachſen für gut gehalten, die Meinung,
„auf welcher man bisher geſtanden und auf welcher man
verharre,“ in der regelmäßigen Form einer Schrift zuſam-
menzuſtellen. 1

So hatte man ſich einſt zu jener Nationalverſammlung
im J. 1524 von allen Seiten vorbereitet; etwas Aehnliches
geſchah auch in dieſem Augenblick wieder auf der entgegen-
geſetzten Seite, z. B. in Ingolſtadt. 2

In Wittenberg legte man nun in Hinſicht der Lehre
jene ſchwabacher Artikel zu Grunde, in denen ſich die Tren-
nung der lutheriſchen von den oberländiſchen Theologen aus-
geſprochen. Es iſt ſehr merkwürdig, daß bei Abfaſſung
der Confeſſion das Gefühl einer Abſonderung von den Na-
heverwandten wenigſtens nicht minder lebhaft war, als das
Bewußtſeyn des urſprünglichen Gegenſatzes, welcher die
große Bewegung hervorgebracht hatte. Die Abſonderung
erſchien um ſo ſtärker, da indeß Zwingli und die Seinen
von einigen Zugeſtändniſſen, die ſie in Marburg gemacht,
und die von der marburger Uebereinkunft in die ſchwaba-
cher Artikel übergegangen, wieder zurückgetreten waren.

Dieſe ſchwabacher Artikel überarbeitete nun Melanch-
thon mit dem Geiſte der Gründlichkeit und Ordnung, der
ihm eigen war, und in der unläugbaren Abſicht möglichſter
Näherung an den katholiſchen Lehrbegriff. Die Erläuterun-
gen über die Lehre vom freien Willen und vom Glauben,

1 So faßte zuerſt Kanzler Bruͤck den Gedanken, wie ſein
„Zeddel“ ausweiſt; bei Foͤrſtemann I, 39.
2 19. Februar 1530. Auszug bei Winter I, 270.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0258" n="242"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Buch. Achtes Capitel</hi>.</fw><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t dieß die Augsburgi&#x017F;che Confe&#x017F;&#x017F;ion und ihr Ur-<lb/>
&#x017F;prung folgender.</p><lb/>
            <p>Unmittelbar nach Empfang des kai&#x017F;erlichen Aus&#x017F;chrei-<lb/>
bens hatte man in Sach&#x017F;en für gut gehalten, die Meinung,<lb/>
&#x201E;auf welcher man bisher ge&#x017F;tanden und auf welcher man<lb/>
verharre,&#x201C; in der regelmäßigen Form einer Schrift zu&#x017F;am-<lb/>
menzu&#x017F;tellen. <note place="foot" n="1">So faßte zuer&#x017F;t Kanzler Bru&#x0364;ck den Gedanken, wie &#x017F;ein<lb/>
&#x201E;Zeddel&#x201C; auswei&#x017F;t; bei Fo&#x0364;r&#x017F;temann <hi rendition="#aq">I,</hi> 39.</note></p><lb/>
            <p>So hatte man &#x017F;ich ein&#x017F;t zu jener Nationalver&#x017F;ammlung<lb/>
im J. 1524 von allen Seiten vorbereitet; etwas Aehnliches<lb/>
ge&#x017F;chah auch in die&#x017F;em Augenblick wieder auf der entgegen-<lb/>
ge&#x017F;etzten Seite, z. B. in Ingol&#x017F;tadt. <note place="foot" n="2">19. Februar 1530. Auszug bei Winter <hi rendition="#aq">I,</hi> 270.</note></p><lb/>
            <p>In Wittenberg legte man nun in Hin&#x017F;icht der Lehre<lb/>
jene &#x017F;chwabacher Artikel zu Grunde, in denen &#x017F;ich die Tren-<lb/>
nung der lutheri&#x017F;chen von den oberländi&#x017F;chen Theologen aus-<lb/>
ge&#x017F;prochen. Es i&#x017F;t &#x017F;ehr merkwürdig, daß bei Abfa&#x017F;&#x017F;ung<lb/>
der Confe&#x017F;&#x017F;ion das Gefühl einer Ab&#x017F;onderung von den Na-<lb/>
heverwandten wenig&#x017F;tens nicht minder lebhaft war, als das<lb/>
Bewußt&#x017F;eyn des ur&#x017F;prünglichen Gegen&#x017F;atzes, welcher die<lb/>
große Bewegung hervorgebracht hatte. Die Ab&#x017F;onderung<lb/>
er&#x017F;chien um &#x017F;o &#x017F;tärker, da indeß Zwingli und die Seinen<lb/>
von einigen Zuge&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;en, die &#x017F;ie in Marburg gemacht,<lb/>
und die von der marburger Uebereinkunft in die &#x017F;chwaba-<lb/>
cher Artikel übergegangen, wieder zurückgetreten waren.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e &#x017F;chwabacher Artikel überarbeitete nun Melanch-<lb/>
thon mit dem Gei&#x017F;te der Gründlichkeit und Ordnung, der<lb/>
ihm eigen war, und in der unläugbaren Ab&#x017F;icht möglich&#x017F;ter<lb/>
Näherung an den katholi&#x017F;chen Lehrbegriff. Die Erläuterun-<lb/>
gen über die Lehre vom freien Willen und vom Glauben,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0258] Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel. Es iſt dieß die Augsburgiſche Confeſſion und ihr Ur- ſprung folgender. Unmittelbar nach Empfang des kaiſerlichen Ausſchrei- bens hatte man in Sachſen für gut gehalten, die Meinung, „auf welcher man bisher geſtanden und auf welcher man verharre,“ in der regelmäßigen Form einer Schrift zuſam- menzuſtellen. 1 So hatte man ſich einſt zu jener Nationalverſammlung im J. 1524 von allen Seiten vorbereitet; etwas Aehnliches geſchah auch in dieſem Augenblick wieder auf der entgegen- geſetzten Seite, z. B. in Ingolſtadt. 2 In Wittenberg legte man nun in Hinſicht der Lehre jene ſchwabacher Artikel zu Grunde, in denen ſich die Tren- nung der lutheriſchen von den oberländiſchen Theologen aus- geſprochen. Es iſt ſehr merkwürdig, daß bei Abfaſſung der Confeſſion das Gefühl einer Abſonderung von den Na- heverwandten wenigſtens nicht minder lebhaft war, als das Bewußtſeyn des urſprünglichen Gegenſatzes, welcher die große Bewegung hervorgebracht hatte. Die Abſonderung erſchien um ſo ſtärker, da indeß Zwingli und die Seinen von einigen Zugeſtändniſſen, die ſie in Marburg gemacht, und die von der marburger Uebereinkunft in die ſchwaba- cher Artikel übergegangen, wieder zurückgetreten waren. Dieſe ſchwabacher Artikel überarbeitete nun Melanch- thon mit dem Geiſte der Gründlichkeit und Ordnung, der ihm eigen war, und in der unläugbaren Abſicht möglichſter Näherung an den katholiſchen Lehrbegriff. Die Erläuterun- gen über die Lehre vom freien Willen und vom Glauben, 1 So faßte zuerſt Kanzler Bruͤck den Gedanken, wie ſein „Zeddel“ ausweiſt; bei Foͤrſtemann I, 39. 2 19. Februar 1530. Auszug bei Winter I, 270.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/258
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/258>, abgerufen am 23.11.2024.