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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Reichstag zu Augsburg. Einzug.
then waren; die Herzoge von Baiern und ihre Vettern, die
Pfalzgrafen, die nach flüchtiger Annäherung sich wieder von
einander zu entfernen begannen; neben den Brandenburgern
die Herzoge von Pommern, die jenen zum Trotz auf dem
Reichstag zu einer unmittelbaren Belehnung zu gelangen
gedachten. Jetzt erkannten sie einmal sämmtlich einen Hö-
heren über sich an, und erwiesen ihm gemeinschaftliche Ver-
ehrung. Den Fürsten folgten die Churfürsten, sowohl welt-
liche wie geistliche. Neben einander ritten Johann von
Sachsen und Joachim von Brandenburg, die einander nicht
wenig grollten, und wäre es nur wegen der Irrungen gewe-
sen, welche die Flucht der Gemahlin des Markgrafen ver-
anlaßt hatte; schon war diese Sache bei dem Kaiser zur
Sprache gekommen; noch einmal trug da Churfürst Hans
seinem Kaiser das bloße Schwert vor. Denn den Chur-
fürsten folgte ihr erkorner und nun gekrönter Kaiser, un-
ter einem prächtigen dreifarbigen Baldachin, welchen sechs
Herren vom Augsburger Rathe trugen, auf einem polnischen
weißen Hengste. Man bemerkte, daß er allein in dieser
Umgebung fremd erschien; vom Kopf bis auf den Fuß war
er spanisch gekleidet. Er hätte seinen Bruder auf der einen
und den Legaten auf der andern Seite neben sich zu haben
gewünscht; denn diesem wollte er überhaupt die höchste Ehre
erweisen: die geistlichen Churfürsten sollten demselben den Vor-
rang lassen. Allein sie waren dahin nicht zu bringen gewesen.
Es schien ihnen schon Ehre genug, daß, als der Legat er-
schien, der Gelehrteste aus ihrem Collegium, Churfürst Joa-
chim, der sich im Lateinischen mit hinreichender Geläufig-
keit ausdrückte, und wenigstens bei weitem besser als die

Reichstag zu Augsburg. Einzug.
then waren; die Herzoge von Baiern und ihre Vettern, die
Pfalzgrafen, die nach flüchtiger Annäherung ſich wieder von
einander zu entfernen begannen; neben den Brandenburgern
die Herzoge von Pommern, die jenen zum Trotz auf dem
Reichstag zu einer unmittelbaren Belehnung zu gelangen
gedachten. Jetzt erkannten ſie einmal ſämmtlich einen Hö-
heren über ſich an, und erwieſen ihm gemeinſchaftliche Ver-
ehrung. Den Fürſten folgten die Churfürſten, ſowohl welt-
liche wie geiſtliche. Neben einander ritten Johann von
Sachſen und Joachim von Brandenburg, die einander nicht
wenig grollten, und wäre es nur wegen der Irrungen gewe-
ſen, welche die Flucht der Gemahlin des Markgrafen ver-
anlaßt hatte; ſchon war dieſe Sache bei dem Kaiſer zur
Sprache gekommen; noch einmal trug da Churfürſt Hans
ſeinem Kaiſer das bloße Schwert vor. Denn den Chur-
fürſten folgte ihr erkorner und nun gekrönter Kaiſer, un-
ter einem prächtigen dreifarbigen Baldachin, welchen ſechs
Herren vom Augsburger Rathe trugen, auf einem polniſchen
weißen Hengſte. Man bemerkte, daß er allein in dieſer
Umgebung fremd erſchien; vom Kopf bis auf den Fuß war
er ſpaniſch gekleidet. Er hätte ſeinen Bruder auf der einen
und den Legaten auf der andern Seite neben ſich zu haben
gewünſcht; denn dieſem wollte er überhaupt die höchſte Ehre
erweiſen: die geiſtlichen Churfürſten ſollten demſelben den Vor-
rang laſſen. Allein ſie waren dahin nicht zu bringen geweſen.
Es ſchien ihnen ſchon Ehre genug, daß, als der Legat er-
ſchien, der Gelehrteſte aus ihrem Collegium, Churfürſt Joa-
chim, der ſich im Lateiniſchen mit hinreichender Geläufig-
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[237/0253] Reichstag zu Augsburg. Einzug. then waren; die Herzoge von Baiern und ihre Vettern, die Pfalzgrafen, die nach flüchtiger Annäherung ſich wieder von einander zu entfernen begannen; neben den Brandenburgern die Herzoge von Pommern, die jenen zum Trotz auf dem Reichstag zu einer unmittelbaren Belehnung zu gelangen gedachten. Jetzt erkannten ſie einmal ſämmtlich einen Hö- heren über ſich an, und erwieſen ihm gemeinſchaftliche Ver- ehrung. Den Fürſten folgten die Churfürſten, ſowohl welt- liche wie geiſtliche. Neben einander ritten Johann von Sachſen und Joachim von Brandenburg, die einander nicht wenig grollten, und wäre es nur wegen der Irrungen gewe- ſen, welche die Flucht der Gemahlin des Markgrafen ver- anlaßt hatte; ſchon war dieſe Sache bei dem Kaiſer zur Sprache gekommen; noch einmal trug da Churfürſt Hans ſeinem Kaiſer das bloße Schwert vor. Denn den Chur- fürſten folgte ihr erkorner und nun gekrönter Kaiſer, un- ter einem prächtigen dreifarbigen Baldachin, welchen ſechs Herren vom Augsburger Rathe trugen, auf einem polniſchen weißen Hengſte. Man bemerkte, daß er allein in dieſer Umgebung fremd erſchien; vom Kopf bis auf den Fuß war er ſpaniſch gekleidet. Er hätte ſeinen Bruder auf der einen und den Legaten auf der andern Seite neben ſich zu haben gewünſcht; denn dieſem wollte er überhaupt die höchſte Ehre erweiſen: die geiſtlichen Churfürſten ſollten demſelben den Vor- rang laſſen. Allein ſie waren dahin nicht zu bringen geweſen. Es ſchien ihnen ſchon Ehre genug, daß, als der Legat er- ſchien, der Gelehrteſte aus ihrem Collegium, Churfürſt Joa- chim, der ſich im Lateiniſchen mit hinreichender Geläufig- keit ausdrückte, und wenigſtens bei weitem beſſer als die

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/253>, abgerufen am 22.11.2024.