Sollte der Herzog von Ferrara, der ein durch Natur und Kunst sehr wohl befestigtes Gebiet gegen so unzählige Anfälle beschützt hatte, sich nicht auch dieß Mal zu ver- theidigen wissen?
In Florenz herrschte eine zur Behauptung ihrer Frei- heit, und sollte es einen Kampf auf Leben und Tod kosten, entschlossene Partei; Michelangelo Buonarotti, der selber zu ihr gehörte, befestigte die Stadt mit einer Erfindungsgabe und Tüchtigkeit in der Ausführung, die nach anderthalb Jahrhunderten wohl noch einem Vauban bemerkenswerth schienen; in dem Gebiete war eine Art von Landsturm ein- gerichtet. Mit Perugia waren die Florentiner bereits ver- bündet, und sie hofften wohl, es ganz zu gewinnen. Auch mit Siena, das sich ebenfalls von dem Papst bedrängt sah, standen sie in ziemlich gutem Vernehmen. 2
Der Kirchenstaat und Neapel waren noch erfüllt von Unruhe und Gährungen.
Wie oft hatte Italien den kriegerischen Kaisern, die mit einem bei weitem überlegenen Heere über die Alpen ka- men, selbst dann, wenn sich eine Partei im Lande für sie erklärte, Widerstand geleistet! Eben wenn ein Kaiser einmal festen Fuß gefaßt hatte, so war das für die Einheimischen der Anlaß gewesen, alle ihre Kräfte aufzubieten, um ihn wieder zu entfernen. Keine Tapferkeit und kein Talent, we- der Friedrich I noch Friedrich II hatten die Herrschaft zu befestigen, fortzupflanzen vermocht.
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2Relatio n. v. Antonii Suriani de legatione Florentina 1529. "Et pero cum questo fondamento de inimicitia con il papa, queste republiche hanno trattato insieme qualche intelligentia.
1Vasari Vita di Buonarotti. (Vite d. P. X, 110.)
Fuͤnftes Buch. Siebentes Capitel.
Sollte der Herzog von Ferrara, der ein durch Natur und Kunſt ſehr wohl befeſtigtes Gebiet gegen ſo unzählige Anfälle beſchützt hatte, ſich nicht auch dieß Mal zu ver- theidigen wiſſen?
In Florenz herrſchte eine zur Behauptung ihrer Frei- heit, und ſollte es einen Kampf auf Leben und Tod koſten, entſchloſſene Partei; Michelangelo Buonarotti, der ſelber zu ihr gehörte, befeſtigte die Stadt mit einer Erfindungsgabe und Tüchtigkeit in der Ausführung, die nach anderthalb Jahrhunderten wohl noch einem Vauban bemerkenswerth ſchienen; in dem Gebiete war eine Art von Landſturm ein- gerichtet. Mit Perugia waren die Florentiner bereits ver- bündet, und ſie hofften wohl, es ganz zu gewinnen. Auch mit Siena, das ſich ebenfalls von dem Papſt bedrängt ſah, ſtanden ſie in ziemlich gutem Vernehmen. 2
Der Kirchenſtaat und Neapel waren noch erfüllt von Unruhe und Gährungen.
Wie oft hatte Italien den kriegeriſchen Kaiſern, die mit einem bei weitem überlegenen Heere über die Alpen ka- men, ſelbſt dann, wenn ſich eine Partei im Lande für ſie erklärte, Widerſtand geleiſtet! Eben wenn ein Kaiſer einmal feſten Fuß gefaßt hatte, ſo war das für die Einheimiſchen der Anlaß geweſen, alle ihre Kräfte aufzubieten, um ihn wieder zu entfernen. Keine Tapferkeit und kein Talent, we- der Friedrich I noch Friedrich II hatten die Herrſchaft zu befeſtigen, fortzupflanzen vermocht.
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2Relatio n. v. Antonii Suriani de legatione Florentina 1529. „Et pero cum questo fondamento de inimicitia con il papa, queste republiche hanno trattato insieme qualche intelligentia.
1Vasari Vita di Buonarotti. (Vite d. P. X, 110.)
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Fuͤnftes Buch. Siebentes Capitel.
Sollte der Herzog von Ferrara, der ein durch Natur
und Kunſt ſehr wohl befeſtigtes Gebiet gegen ſo unzählige
Anfälle beſchützt hatte, ſich nicht auch dieß Mal zu ver-
theidigen wiſſen?
In Florenz herrſchte eine zur Behauptung ihrer Frei-
heit, und ſollte es einen Kampf auf Leben und Tod koſten,
entſchloſſene Partei; Michelangelo Buonarotti, der ſelber zu
ihr gehörte, befeſtigte die Stadt mit einer Erfindungsgabe
und Tüchtigkeit in der Ausführung, die nach anderthalb
Jahrhunderten wohl noch einem Vauban bemerkenswerth
ſchienen; in dem Gebiete war eine Art von Landſturm ein-
gerichtet. Mit Perugia waren die Florentiner bereits ver-
bündet, und ſie hofften wohl, es ganz zu gewinnen. Auch
mit Siena, das ſich ebenfalls von dem Papſt bedrängt ſah,
ſtanden ſie in ziemlich gutem Vernehmen. 2
Der Kirchenſtaat und Neapel waren noch erfüllt von
Unruhe und Gährungen.
Wie oft hatte Italien den kriegeriſchen Kaiſern, die
mit einem bei weitem überlegenen Heere über die Alpen ka-
men, ſelbſt dann, wenn ſich eine Partei im Lande für ſie
erklärte, Widerſtand geleiſtet! Eben wenn ein Kaiſer einmal
feſten Fuß gefaßt hatte, ſo war das für die Einheimiſchen
der Anlaß geweſen, alle ihre Kräfte aufzubieten, um ihn
wieder zu entfernen. Keine Tapferkeit und kein Talent, we-
der Friedrich I noch Friedrich II hatten die Herrſchaft zu
befeſtigen, fortzupflanzen vermocht.
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2 Relatio n. v. Antonii Suriani de legatione Florentina 1529.
„Et pero cum questo fondamento de inimicitia con il papa, queste
republiche hanno trattato insieme qualche intelligentia.
1 Vasari Vita di Buonarotti. (Vite d. P. X, 110.)
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/228>, abgerufen am 24.11.2024.
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