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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Osmanische Rechtgläubigkeit.

Bald darauf finden wir in Ungarn Briefe umlaufen,
in denen aus den Glaubensstreitigkeiten, in welche Ferdi-
nand mit den Großen in Deutschland gerathen, die Un-
möglichkeit hergeleitet wird, daß er Ungarn vertheidige. 1

Und indem nun diese Stimmung herrschend wurde,
erschien der mächtigste Feind, den das Reich seit vielen
Jahrhunderten gehabt, Repräsentant einer andern, der christ-
lichen entgegengesetzten Welt an den Pforten desselben.

Eben in diesen Jahren trat in Constantinopel ein Ge-
setzgelehrter, des Namens Katib, mit der Behauptung auf,
dem Propheten Jesus komme der Vorrang zu vor dem
Propheten Mohammed. Der Divan, vor dem dieser Neue-
rer angeklagt wurde, versuchte vergebens ihn zu widerle-
gen. Auch der Mufti, an welchen die Sache alsdann kam,
widerlegte ihn nicht, hörte ihn aber in aller Form ab, und
verurtheilte ihn zum Tode. Das Urtheil stimmte ganz mit
der Meinung des Sultans überein.

Ohne zu widerrufen erlitt Katib in Mitte der Mos-
lems den Tod für den Namen Jesu.

Denn Suleiman, der erste von den osmanischen Sul-
tanen, der sich um Mecca bekümmert hat; -- er ließ dort
das heilige Haus der Kaaba, die Moschee der Chadidscha
erneuern, Wasserleitungen bauen, Collegien einrichten --
sah sich vor allen gern als den Stellvertreter des Prophe-
ten an. "Ich, dessen Macht aufrecht erhalten wird durch
die Gnade des Allmächtigen, durch die Segnungen des
Größten seiner Propheten, durch den Schutz der vier ersten

1 Bei Katona XX, I, p. 634. Rex Ferdinandus propter
dissensionem suam cum imperio et aliis magnatibus Alemanniae
propter fidem, nullum habere potest populum.
Osmaniſche Rechtglaͤubigkeit.

Bald darauf finden wir in Ungarn Briefe umlaufen,
in denen aus den Glaubensſtreitigkeiten, in welche Ferdi-
nand mit den Großen in Deutſchland gerathen, die Un-
möglichkeit hergeleitet wird, daß er Ungarn vertheidige. 1

Und indem nun dieſe Stimmung herrſchend wurde,
erſchien der mächtigſte Feind, den das Reich ſeit vielen
Jahrhunderten gehabt, Repräſentant einer andern, der chriſt-
lichen entgegengeſetzten Welt an den Pforten deſſelben.

Eben in dieſen Jahren trat in Conſtantinopel ein Ge-
ſetzgelehrter, des Namens Katib, mit der Behauptung auf,
dem Propheten Jeſus komme der Vorrang zu vor dem
Propheten Mohammed. Der Divan, vor dem dieſer Neue-
rer angeklagt wurde, verſuchte vergebens ihn zu widerle-
gen. Auch der Mufti, an welchen die Sache alsdann kam,
widerlegte ihn nicht, hörte ihn aber in aller Form ab, und
verurtheilte ihn zum Tode. Das Urtheil ſtimmte ganz mit
der Meinung des Sultans überein.

Ohne zu widerrufen erlitt Katib in Mitte der Mos-
lems den Tod für den Namen Jeſu.

Denn Suleiman, der erſte von den osmaniſchen Sul-
tanen, der ſich um Mecca bekümmert hat; — er ließ dort
das heilige Haus der Kaaba, die Moſchee der Chadidſcha
erneuern, Waſſerleitungen bauen, Collegien einrichten —
ſah ſich vor allen gern als den Stellvertreter des Prophe-
ten an. „Ich, deſſen Macht aufrecht erhalten wird durch
die Gnade des Allmächtigen, durch die Segnungen des
Größten ſeiner Propheten, durch den Schutz der vier erſten

1 Bei Katona XX, I, p. 634. Rex Ferdinandus propter
dissensionem suam cum imperio et aliis magnatibus Alemanniae
propter fidem, nullum habere potest populum.
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[189/0205] Osmaniſche Rechtglaͤubigkeit. Bald darauf finden wir in Ungarn Briefe umlaufen, in denen aus den Glaubensſtreitigkeiten, in welche Ferdi- nand mit den Großen in Deutſchland gerathen, die Un- möglichkeit hergeleitet wird, daß er Ungarn vertheidige. 1 Und indem nun dieſe Stimmung herrſchend wurde, erſchien der mächtigſte Feind, den das Reich ſeit vielen Jahrhunderten gehabt, Repräſentant einer andern, der chriſt- lichen entgegengeſetzten Welt an den Pforten deſſelben. Eben in dieſen Jahren trat in Conſtantinopel ein Ge- ſetzgelehrter, des Namens Katib, mit der Behauptung auf, dem Propheten Jeſus komme der Vorrang zu vor dem Propheten Mohammed. Der Divan, vor dem dieſer Neue- rer angeklagt wurde, verſuchte vergebens ihn zu widerle- gen. Auch der Mufti, an welchen die Sache alsdann kam, widerlegte ihn nicht, hörte ihn aber in aller Form ab, und verurtheilte ihn zum Tode. Das Urtheil ſtimmte ganz mit der Meinung des Sultans überein. Ohne zu widerrufen erlitt Katib in Mitte der Mos- lems den Tod für den Namen Jeſu. Denn Suleiman, der erſte von den osmaniſchen Sul- tanen, der ſich um Mecca bekümmert hat; — er ließ dort das heilige Haus der Kaaba, die Moſchee der Chadidſcha erneuern, Waſſerleitungen bauen, Collegien einrichten — ſah ſich vor allen gern als den Stellvertreter des Prophe- ten an. „Ich, deſſen Macht aufrecht erhalten wird durch die Gnade des Allmächtigen, durch die Segnungen des Größten ſeiner Propheten, durch den Schutz der vier erſten 1 Bei Katona XX, I, p. 634. Rex Ferdinandus propter dissensionem suam cum imperio et aliis magnatibus Alemanniae propter fidem, nullum habere potest populum.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/205>, abgerufen am 22.11.2024.