Wiederannahme des Papstthums zwingen, so sey er mehr ein Feind und man dürfe es nicht dulden.
Er fand jedoch damit wenig Beifall. Als er sich eines Tages in seine Kanzlei verfügte, trat ihn der nürn- bergische Stadtschreiber Spengler an, den wir doch als einen in Rechtsgeschäften sehr geübten Mann kennen, und beschuldigte ihn des Irrthums. Sie geriethen mit einan- der in lebhaften Wortwechsel, den sie der Umstehenden hal- ber die Besonnenheit hatten lateinisch zu führen.
Wie Nürnberg so war auch Brandenburg gesinnt. Kanzler Vogler versicherte, sein Herr sey entschlossen, wenn der Kaiser ihn überziehe, sich nicht zu wehren, sondern al- les zu dulden was Gott ihm auflege.
Diese Meinung behielt damals selbst in Sachsen den Platz. Luther erklärte, auch wenn der Kaiser seinen Eid übertrete, so bleibe er dennoch Kaiser, die von Gott ge- setzte Obrigkeit: wolle man ihm nicht mehr gehorchen, so müsse man ihn absetzen. Aber wohin könne es führen, wenn man ihn angreife. Man müßte ihn verjagen und sel- ber Kaiser werden, was denn Niemand dulden werde.
Luther wußte keinen andern Rath, als wenn der Kai- ser erscheine, um Gewaltsamkeiten zu verüben, so dürfe ihn freilich kein Fürst dabei unterstützen, denn damit würde er selber gegen den Glauben sündigen; aber man dürfe sich auch nicht weigern, ihm das Land zu öffnen und ihn darin nach seinem Willen verfahren zu lassen. Er wiederholte, wenn der Kaiser ihn und die Andern fordere, so würden sie erscheinen; der Churfürst solle ihrethalben keine Sorge haben. Denn ein Jeder müsse auf seine Gefahr glauben.
Fuͤnftes Buch. Sechstes Capitel.
Wiederannahme des Papſtthums zwingen, ſo ſey er mehr ein Feind und man dürfe es nicht dulden.
Er fand jedoch damit wenig Beifall. Als er ſich eines Tages in ſeine Kanzlei verfügte, trat ihn der nürn- bergiſche Stadtſchreiber Spengler an, den wir doch als einen in Rechtsgeſchäften ſehr geübten Mann kennen, und beſchuldigte ihn des Irrthums. Sie geriethen mit einan- der in lebhaften Wortwechſel, den ſie der Umſtehenden hal- ber die Beſonnenheit hatten lateiniſch zu führen.
Wie Nürnberg ſo war auch Brandenburg geſinnt. Kanzler Vogler verſicherte, ſein Herr ſey entſchloſſen, wenn der Kaiſer ihn überziehe, ſich nicht zu wehren, ſondern al- les zu dulden was Gott ihm auflege.
Dieſe Meinung behielt damals ſelbſt in Sachſen den Platz. Luther erklärte, auch wenn der Kaiſer ſeinen Eid übertrete, ſo bleibe er dennoch Kaiſer, die von Gott ge- ſetzte Obrigkeit: wolle man ihm nicht mehr gehorchen, ſo müſſe man ihn abſetzen. Aber wohin könne es führen, wenn man ihn angreife. Man müßte ihn verjagen und ſel- ber Kaiſer werden, was denn Niemand dulden werde.
Luther wußte keinen andern Rath, als wenn der Kai- ſer erſcheine, um Gewaltſamkeiten zu verüben, ſo dürfe ihn freilich kein Fürſt dabei unterſtützen, denn damit würde er ſelber gegen den Glauben ſündigen; aber man dürfe ſich auch nicht weigern, ihm das Land zu öffnen und ihn darin nach ſeinem Willen verfahren zu laſſen. Er wiederholte, wenn der Kaiſer ihn und die Andern fordere, ſo würden ſie erſcheinen; der Churfürſt ſolle ihrethalben keine Sorge haben. Denn ein Jeder müſſe auf ſeine Gefahr glauben.
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Fuͤnftes Buch. Sechstes Capitel.
Wiederannahme des Papſtthums zwingen, ſo ſey er mehr
ein Feind und man dürfe es nicht dulden.
Er fand jedoch damit wenig Beifall. Als er ſich
eines Tages in ſeine Kanzlei verfügte, trat ihn der nürn-
bergiſche Stadtſchreiber Spengler an, den wir doch als
einen in Rechtsgeſchäften ſehr geübten Mann kennen, und
beſchuldigte ihn des Irrthums. Sie geriethen mit einan-
der in lebhaften Wortwechſel, den ſie der Umſtehenden hal-
ber die Beſonnenheit hatten lateiniſch zu führen.
Wie Nürnberg ſo war auch Brandenburg geſinnt.
Kanzler Vogler verſicherte, ſein Herr ſey entſchloſſen, wenn
der Kaiſer ihn überziehe, ſich nicht zu wehren, ſondern al-
les zu dulden was Gott ihm auflege.
Dieſe Meinung behielt damals ſelbſt in Sachſen den
Platz. Luther erklärte, auch wenn der Kaiſer ſeinen Eid
übertrete, ſo bleibe er dennoch Kaiſer, die von Gott ge-
ſetzte Obrigkeit: wolle man ihm nicht mehr gehorchen, ſo
müſſe man ihn abſetzen. Aber wohin könne es führen,
wenn man ihn angreife. Man müßte ihn verjagen und ſel-
ber Kaiſer werden, was denn Niemand dulden werde.
Luther wußte keinen andern Rath, als wenn der Kai-
ſer erſcheine, um Gewaltſamkeiten zu verüben, ſo dürfe ihn
freilich kein Fürſt dabei unterſtützen, denn damit würde er
ſelber gegen den Glauben ſündigen; aber man dürfe ſich auch
nicht weigern, ihm das Land zu öffnen und ihn darin
nach ſeinem Willen verfahren zu laſſen. Er wiederholte,
wenn der Kaiſer ihn und die Andern fordere, ſo würden
ſie erſcheinen; der Churfürſt ſolle ihrethalben keine Sorge
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/200>, abgerufen am 28.11.2024.
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