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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Sechstes Capitel.
Differenz bei weitem zu tiefgreifend, das Mysterium, der
Mittelpunkt des Glaubens und Dienstes, viel zu wesentlich.

Für die Zukunft demnach, für das Bewußtseyn, daß
man der Abweichung zum Trotz im Grunde doch dem
nemlichen Bekenntnisse angehöre, war durch das Gespräch
nicht wenig gewonnen; der politische Zweck dagegen, den
Landgraf Philipp im Auge gehabt, wie er von dem Mo-
ment geboten wurde, war und blieb verfehlt.

So eben hielten Churfürst Johann von Sachsen und
Markgraf George von Brandenburg eine Zusammenkunft
zu Schleiz, um über die Zulässigkeit des oberländischen
Bündnisses zu rathschlagen. Dahin begab sich auch Luther.
Man ward eins, daß eine vollkommene Einheit des Glau-
bens dazu gehöre, wenn man sich gegenseitig vertheidigen
wolle; -- beschloß, die Artikel, worauf jene Einheit be-
ruhe, gegen einander zu bekennen, und Niemand in die
Verbindung aufzunehmen, wer auch nur in dem einem oder
dem andern derselben abweiche. 1

Und auf der Stelle ging man an dieses Werk. Als
die oberländischen Gesandten zu einem neuen Convent in
Schwabach, im October, eintrafen, ward ihnen vor allen
Dingen ein Bekenntniß zur Unterschrift vorgelegt. Es sind
die sogenannten schwabacher Artikel. So wie man diesel-
ben durchsicht, bemerkt man, daß sie die größte Aehnlich-
keit mit der marburger Uebereinkunft haben. Die Folge

sed in fratrum et Christi membrorum numero a nobis censeri
non posse.
1 Der Abschied in Schleiz war wohl nur mündlich. Man
ersieht seinen Inhalt aus der Instruction für die churf. und mggf.
brandenburgischen Räthe zu dem schwabacher Convent bei Müller
p. 281 und bei Walch Bd. 17 p. 669. Erster Artikel.

Fuͤnftes Buch. Sechstes Capitel.
Differenz bei weitem zu tiefgreifend, das Myſterium, der
Mittelpunkt des Glaubens und Dienſtes, viel zu weſentlich.

Für die Zukunft demnach, für das Bewußtſeyn, daß
man der Abweichung zum Trotz im Grunde doch dem
nemlichen Bekenntniſſe angehöre, war durch das Geſpräch
nicht wenig gewonnen; der politiſche Zweck dagegen, den
Landgraf Philipp im Auge gehabt, wie er von dem Mo-
ment geboten wurde, war und blieb verfehlt.

So eben hielten Churfürſt Johann von Sachſen und
Markgraf George von Brandenburg eine Zuſammenkunft
zu Schleiz, um über die Zuläſſigkeit des oberländiſchen
Bündniſſes zu rathſchlagen. Dahin begab ſich auch Luther.
Man ward eins, daß eine vollkommene Einheit des Glau-
bens dazu gehöre, wenn man ſich gegenſeitig vertheidigen
wolle; — beſchloß, die Artikel, worauf jene Einheit be-
ruhe, gegen einander zu bekennen, und Niemand in die
Verbindung aufzunehmen, wer auch nur in dem einem oder
dem andern derſelben abweiche. 1

Und auf der Stelle ging man an dieſes Werk. Als
die oberländiſchen Geſandten zu einem neuen Convent in
Schwabach, im October, eintrafen, ward ihnen vor allen
Dingen ein Bekenntniß zur Unterſchrift vorgelegt. Es ſind
die ſogenannten ſchwabacher Artikel. So wie man dieſel-
ben durchſicht, bemerkt man, daß ſie die größte Aehnlich-
keit mit der marburger Uebereinkunft haben. Die Folge

sed in fratrum et Christi membrorum numero a nobis censeri
non posse.
1 Der Abſchied in Schleiz war wohl nur muͤndlich. Man
erſieht ſeinen Inhalt aus der Inſtruction fuͤr die churf. und mggf.
brandenburgiſchen Raͤthe zu dem ſchwabacher Convent bei Muͤller
p. 281 und bei Walch Bd. 17 p. 669. Erſter Artikel.
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[176/0192] Fuͤnftes Buch. Sechstes Capitel. Differenz bei weitem zu tiefgreifend, das Myſterium, der Mittelpunkt des Glaubens und Dienſtes, viel zu weſentlich. Für die Zukunft demnach, für das Bewußtſeyn, daß man der Abweichung zum Trotz im Grunde doch dem nemlichen Bekenntniſſe angehöre, war durch das Geſpräch nicht wenig gewonnen; der politiſche Zweck dagegen, den Landgraf Philipp im Auge gehabt, wie er von dem Mo- ment geboten wurde, war und blieb verfehlt. So eben hielten Churfürſt Johann von Sachſen und Markgraf George von Brandenburg eine Zuſammenkunft zu Schleiz, um über die Zuläſſigkeit des oberländiſchen Bündniſſes zu rathſchlagen. Dahin begab ſich auch Luther. Man ward eins, daß eine vollkommene Einheit des Glau- bens dazu gehöre, wenn man ſich gegenſeitig vertheidigen wolle; — beſchloß, die Artikel, worauf jene Einheit be- ruhe, gegen einander zu bekennen, und Niemand in die Verbindung aufzunehmen, wer auch nur in dem einem oder dem andern derſelben abweiche. 1 Und auf der Stelle ging man an dieſes Werk. Als die oberländiſchen Geſandten zu einem neuen Convent in Schwabach, im October, eintrafen, ward ihnen vor allen Dingen ein Bekenntniß zur Unterſchrift vorgelegt. Es ſind die ſogenannten ſchwabacher Artikel. So wie man dieſel- ben durchſicht, bemerkt man, daß ſie die größte Aehnlich- keit mit der marburger Uebereinkunft haben. Die Folge 2 1 Der Abſchied in Schleiz war wohl nur muͤndlich. Man erſieht ſeinen Inhalt aus der Inſtruction fuͤr die churf. und mggf. brandenburgiſchen Raͤthe zu dem ſchwabacher Convent bei Muͤller p. 281 und bei Walch Bd. 17 p. 669. Erſter Artikel. 2 sed in fratrum et Christi membrorum numero a nobis censeri non posse.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/192>, abgerufen am 28.11.2024.