Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Gespräch zu Marburg. zu denken sey, wohl sonst bestritten hatte, dieß Mal nicht ein;das "Bedeutet" wollte er schlechthin nicht dulden, denn das nehme den Leib hinweg. Der Unterschied ist: auch Zwingli'n ist die Gegenwart Christi an das Brod geknüpft; Luther'n da- gegen ist das Brod selbst die Gegenwart, und zwar der gegen- wärtige Leib; das Sichtbare enthält das Unsichtbare, wie die Scheide das Schwert. Wohl verstand auch er das Ge- nießen spirituell, er wollte sich aber das Mysterium, das in dem Zeichen liegt, nicht entreißen lassen. Er meinte, die Gegner möchten wohl noch nicht in den Fall gekom- men seyn, ihre Erklärung in geistigen Anfechtungen zu er- proben. 2 Er dagegen war sich bewußt, damit gegen Sa- tan und Hölle gekämpft, und den Trost daraus geschöpft zu haben, dessen die Seele in ihren verzweiflungsvollsten Stürmen bedarf. Für die Fortentwickelung der religiösen Ideen wäre 2 Erklärung Luthers an Landgraf Philipp bei de W. III, p. 510. 1 Als eine Hauptstelle für die Differenz möchte ich folgende
in dem Auszug aus den Acten bei Scultetus ansehen, p. 143. Lu- therus affirmat (die Rede ist vom 6ten Capitel Johannis) non ip- sam manducationem oralem, sed manducationis modum, crassum illum, qualis est carnis suillae aut bovinae rejici. Oecolampadius arrepta inde occasione de duplici verborum Christi intelligentia disserit, humili sive carnali, et sublimi sive spirituali: humilem sive carnalem verborum Christi intellectum eum esse, quem Lu- therus asserat a Christo repudiatum: spiritualem sive sublimem esse illum, quem Christus jusserit amplecti. Contra Lutherus fieri non posse nec debere, ut ad spiritualem tantum intellectum verba coenae referantur, siquidem remissio peccatorum, vita ae- terna ac regnum coelorum carnalibus istis ac humilibus ut ap- pareant rebus per verbum dei annexa sint. Geſpraͤch zu Marburg. zu denken ſey, wohl ſonſt beſtritten hatte, dieß Mal nicht ein;das „Bedeutet“ wollte er ſchlechthin nicht dulden, denn das nehme den Leib hinweg. Der Unterſchied iſt: auch Zwingli’n iſt die Gegenwart Chriſti an das Brod geknüpft; Luther’n da- gegen iſt das Brod ſelbſt die Gegenwart, und zwar der gegen- wärtige Leib; das Sichtbare enthält das Unſichtbare, wie die Scheide das Schwert. Wohl verſtand auch er das Ge- nießen ſpirituell, er wollte ſich aber das Myſterium, das in dem Zeichen liegt, nicht entreißen laſſen. Er meinte, die Gegner möchten wohl noch nicht in den Fall gekom- men ſeyn, ihre Erklärung in geiſtigen Anfechtungen zu er- proben. 2 Er dagegen war ſich bewußt, damit gegen Sa- tan und Hölle gekämpft, und den Troſt daraus geſchöpft zu haben, deſſen die Seele in ihren verzweiflungsvollſten Stürmen bedarf. Für die Fortentwickelung der religiöſen Ideen wäre 2 Erklaͤrung Luthers an Landgraf Philipp bei de W. III, p. 510. 1 Als eine Hauptſtelle fuͤr die Differenz moͤchte ich folgende
in dem Auszug aus den Acten bei Scultetus anſehen, p. 143. Lu- therus affirmat (die Rede iſt vom 6ten Capitel Johannis) non ip- sam manducationem oralem, sed manducationis modum, crassum illum, qualis est carnis suillae aut bovinae rejici. Oecolampadius arrepta inde occasione de duplici verborum Christi intelligentia disserit, humili sive carnali, et sublimi sive spirituali: humilem sive carnalem verborum Christi intellectum eum esse, quem Lu- therus asserat a Christo repudiatum: spiritualem sive sublimem esse illum, quem Christus jusserit amplecti. Contra Lutherus fieri non posse nec debere, ut ad spiritualem tantum intellectum verba coenae referantur, siquidem remissio peccatorum, vita ae- terna ac regnum coelorum carnalibus istis ac humilibus ut ap- pareant rebus per verbum dei annexa sint. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0189" n="173"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Geſpraͤch zu Marburg</hi>.</fw><lb/> zu denken ſey, wohl ſonſt beſtritten hatte, dieß Mal nicht ein;<lb/> das „Bedeutet“ wollte er ſchlechthin nicht dulden, denn das<lb/> nehme den Leib hinweg. Der Unterſchied iſt: auch Zwingli’n<lb/> iſt die Gegenwart Chriſti an das Brod geknüpft; Luther’n da-<lb/> gegen iſt das Brod ſelbſt die Gegenwart, und zwar der gegen-<lb/> wärtige Leib; das Sichtbare enthält das Unſichtbare, wie die<lb/> Scheide das Schwert. Wohl verſtand auch er das Ge-<lb/> nießen ſpirituell, er wollte ſich aber das Myſterium, das<lb/> in dem Zeichen liegt, nicht entreißen laſſen. Er meinte,<lb/> die Gegner möchten wohl noch nicht in den Fall gekom-<lb/> men ſeyn, ihre Erklärung in geiſtigen Anfechtungen zu er-<lb/> proben. <note place="foot" n="2">Erklaͤrung Luthers an Landgraf Philipp bei de W. <hi rendition="#aq">III, p.</hi> 510.</note> Er dagegen war ſich bewußt, damit gegen Sa-<lb/> tan und Hölle gekämpft, und den Troſt daraus geſchöpft<lb/> zu haben, deſſen die Seele in ihren verzweiflungsvollſten<lb/> Stürmen bedarf.</p><lb/> <p>Für die Fortentwickelung der religiöſen Ideen wäre<lb/> es, dünkt mich, nicht einmal zu wünſchen geweſen, wenn<lb/> Zwingli ſeine Auffaſſung, die durch die Zurückführung des<lb/><note place="foot" n="1">Als eine Hauptſtelle fuͤr die Differenz moͤchte ich folgende<lb/> in dem Auszug aus den Acten bei Scultetus anſehen, <hi rendition="#aq">p. 143. Lu-<lb/> therus affirmat</hi> (die Rede iſt vom 6ten Capitel Johannis) <hi rendition="#aq">non ip-<lb/> sam manducationem oralem, sed manducationis modum, crassum<lb/> illum, qualis est carnis suillae aut bovinae rejici. Oecolampadius<lb/> arrepta inde occasione de duplici verborum Christi intelligentia<lb/> disserit, humili sive carnali, et sublimi sive spirituali: humilem<lb/> sive carnalem verborum Christi intellectum eum esse, quem Lu-<lb/> therus asserat a Christo repudiatum: spiritualem sive sublimem<lb/> esse illum, quem Christus jusserit amplecti. Contra Lutherus<lb/> fieri non posse nec debere, ut ad spiritualem tantum intellectum<lb/> verba coenae referantur, siquidem remissio peccatorum, vita ae-<lb/> terna ac regnum coelorum carnalibus istis ac humilibus ut ap-<lb/> pareant rebus per verbum dei annexa sint.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0189]
Geſpraͤch zu Marburg.
zu denken ſey, wohl ſonſt beſtritten hatte, dieß Mal nicht ein;
das „Bedeutet“ wollte er ſchlechthin nicht dulden, denn das
nehme den Leib hinweg. Der Unterſchied iſt: auch Zwingli’n
iſt die Gegenwart Chriſti an das Brod geknüpft; Luther’n da-
gegen iſt das Brod ſelbſt die Gegenwart, und zwar der gegen-
wärtige Leib; das Sichtbare enthält das Unſichtbare, wie die
Scheide das Schwert. Wohl verſtand auch er das Ge-
nießen ſpirituell, er wollte ſich aber das Myſterium, das
in dem Zeichen liegt, nicht entreißen laſſen. Er meinte,
die Gegner möchten wohl noch nicht in den Fall gekom-
men ſeyn, ihre Erklärung in geiſtigen Anfechtungen zu er-
proben. 2 Er dagegen war ſich bewußt, damit gegen Sa-
tan und Hölle gekämpft, und den Troſt daraus geſchöpft
zu haben, deſſen die Seele in ihren verzweiflungsvollſten
Stürmen bedarf.
Für die Fortentwickelung der religiöſen Ideen wäre
es, dünkt mich, nicht einmal zu wünſchen geweſen, wenn
Zwingli ſeine Auffaſſung, die durch die Zurückführung des
1
2 Erklaͤrung Luthers an Landgraf Philipp bei de W. III, p. 510.
1 Als eine Hauptſtelle fuͤr die Differenz moͤchte ich folgende
in dem Auszug aus den Acten bei Scultetus anſehen, p. 143. Lu-
therus affirmat (die Rede iſt vom 6ten Capitel Johannis) non ip-
sam manducationem oralem, sed manducationis modum, crassum
illum, qualis est carnis suillae aut bovinae rejici. Oecolampadius
arrepta inde occasione de duplici verborum Christi intelligentia
disserit, humili sive carnali, et sublimi sive spirituali: humilem
sive carnalem verborum Christi intellectum eum esse, quem Lu-
therus asserat a Christo repudiatum: spiritualem sive sublimem
esse illum, quem Christus jusserit amplecti. Contra Lutherus
fieri non posse nec debere, ut ad spiritualem tantum intellectum
verba coenae referantur, siquidem remissio peccatorum, vita ae-
terna ac regnum coelorum carnalibus istis ac humilibus ut ap-
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