Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Gespräch zu Marburg.
Wie damals den Angriff, so verhinderte es jetzt alle Maaß-
regeln der Vertheidigung.

Kein Wunder, wenn sich Landgraf Philipp, der jene
Aussichten schon mit seinem ganzen Ehrgeiz ergriffen hatte,
darüber betroffen, unglücklich fühlte. Er that alles, um
seinen sächsischen Verbündeten bei dem einmal gefaßten Ent-
schluß festzuhalten. Jedoch es war alles vergebens. 1

Und glauben wir darum nicht, daß Landgraf Philipp
dem Geist seines Jahrhunderts untreu geworden sey. Der
Grund seiner Nachgiebigkeit lag darin, daß er von der Lu-
therschen Auffassung nicht so vollkommen durchdrungen war,
wie die Uebrigen.

War nun aber das Ignoriren der Zwistigkeit nicht
möglich, so wurde es doppelt dringend noch einen Versuch
zu machen, ob sich nicht eine Vereinigung zwischen den
streitenden Theologen stiften lasse.

Schon in Speier hatte Landgraf Philipp diesen Ge-
danken gehabt, und darüber an Zwingli geschrieben. Jetzt
schritt er zu einer definitiven Einladung beider Parteien,
zum Michaelisfest 1529 auf sein Schloß zu Marburg.

Merkwürdig wie verschieden beide seine Einladung auf-
nahmen. Zwingli hätte gefürchtet, von dem großen Rathe

Auch eine Versammlung zu Zerbst unterblieb: sie war anberaumt
weil der Churfürst "für gut angesehn, dasjenige was er sich mit
etzlichen Fürsten und Ständen einer freundlichen Verständniß halber
unterredet, hinter denen so in die Magdeburgische Vereinigung gehen
nicht zu schließen." Ich finde, daß dahin auch Erich, Bischof von
Paderborn und Osnabrück eingeladen war, der sich schon zu Speier
den ersten Protestationsschritten angeschlossen hatte.
1 Gründe und Gegengründe in den Schreiben des Churfür-
sten und des Landgrafen bei Müller. Gesch. d. Protest. p. 256, 261.

Geſpraͤch zu Marburg.
Wie damals den Angriff, ſo verhinderte es jetzt alle Maaß-
regeln der Vertheidigung.

Kein Wunder, wenn ſich Landgraf Philipp, der jene
Ausſichten ſchon mit ſeinem ganzen Ehrgeiz ergriffen hatte,
darüber betroffen, unglücklich fühlte. Er that alles, um
ſeinen ſächſiſchen Verbündeten bei dem einmal gefaßten Ent-
ſchluß feſtzuhalten. Jedoch es war alles vergebens. 1

Und glauben wir darum nicht, daß Landgraf Philipp
dem Geiſt ſeines Jahrhunderts untreu geworden ſey. Der
Grund ſeiner Nachgiebigkeit lag darin, daß er von der Lu-
therſchen Auffaſſung nicht ſo vollkommen durchdrungen war,
wie die Uebrigen.

War nun aber das Ignoriren der Zwiſtigkeit nicht
möglich, ſo wurde es doppelt dringend noch einen Verſuch
zu machen, ob ſich nicht eine Vereinigung zwiſchen den
ſtreitenden Theologen ſtiften laſſe.

Schon in Speier hatte Landgraf Philipp dieſen Ge-
danken gehabt, und darüber an Zwingli geſchrieben. Jetzt
ſchritt er zu einer definitiven Einladung beider Parteien,
zum Michaelisfeſt 1529 auf ſein Schloß zu Marburg.

Merkwürdig wie verſchieden beide ſeine Einladung auf-
nahmen. Zwingli hätte gefürchtet, von dem großen Rathe

Auch eine Verſammlung zu Zerbſt unterblieb: ſie war anberaumt
weil der Churfuͤrſt „fuͤr gut angeſehn, dasjenige was er ſich mit
etzlichen Fuͤrſten und Staͤnden einer freundlichen Verſtaͤndniß halber
unterredet, hinter denen ſo in die Magdeburgiſche Vereinigung gehen
nicht zu ſchließen.“ Ich finde, daß dahin auch Erich, Biſchof von
Paderborn und Osnabruͤck eingeladen war, der ſich ſchon zu Speier
den erſten Proteſtationsſchritten angeſchloſſen hatte.
1 Gruͤnde und Gegengruͤnde in den Schreiben des Churfuͤr-
ſten und des Landgrafen bei Muͤller. Geſch. d. Proteſt. p. 256, 261.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0185" n="169"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ge&#x017F;pra&#x0364;ch zu Marburg</hi>.</fw><lb/>
Wie damals den Angriff, &#x017F;o verhinderte es jetzt alle Maaß-<lb/>
regeln der Vertheidigung.</p><lb/>
          <p>Kein Wunder, wenn &#x017F;ich Landgraf Philipp, der jene<lb/>
Aus&#x017F;ichten &#x017F;chon mit &#x017F;einem ganzen Ehrgeiz ergriffen hatte,<lb/>
darüber betroffen, unglücklich fühlte. Er that alles, um<lb/>
&#x017F;einen &#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;chen Verbündeten bei dem einmal gefaßten Ent-<lb/>
&#x017F;chluß fe&#x017F;tzuhalten. Jedoch es war alles vergebens. <note place="foot" n="1">Gru&#x0364;nde und Gegengru&#x0364;nde in den Schreiben des Churfu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;ten und des Landgrafen bei Mu&#x0364;ller. Ge&#x017F;ch. d. Prote&#x017F;t. <hi rendition="#aq">p.</hi> 256, 261.</note></p><lb/>
          <p>Und glauben wir darum nicht, daß Landgraf Philipp<lb/>
dem Gei&#x017F;t &#x017F;eines Jahrhunderts untreu geworden &#x017F;ey. Der<lb/>
Grund &#x017F;einer Nachgiebigkeit lag darin, daß er von der Lu-<lb/>
ther&#x017F;chen Auffa&#x017F;&#x017F;ung nicht &#x017F;o vollkommen durchdrungen war,<lb/>
wie die Uebrigen.</p><lb/>
          <p>War nun aber das Ignoriren der Zwi&#x017F;tigkeit nicht<lb/>
möglich, &#x017F;o wurde es doppelt dringend noch einen Ver&#x017F;uch<lb/>
zu machen, ob &#x017F;ich nicht eine Vereinigung zwi&#x017F;chen den<lb/>
&#x017F;treitenden Theologen &#x017F;tiften la&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Schon in Speier hatte Landgraf Philipp die&#x017F;en Ge-<lb/>
danken gehabt, und darüber an Zwingli ge&#x017F;chrieben. Jetzt<lb/>
&#x017F;chritt er zu einer definitiven Einladung beider Parteien,<lb/>
zum Michaelisfe&#x017F;t 1529 auf &#x017F;ein Schloß zu Marburg.</p><lb/>
          <p>Merkwürdig wie ver&#x017F;chieden beide &#x017F;eine Einladung auf-<lb/>
nahmen. Zwingli hätte gefürchtet, von dem großen Rathe<lb/><note xml:id="seg2pn_16_2" prev="#seg2pn_16_1" place="foot" n="3">Auch eine Ver&#x017F;ammlung zu Zerb&#x017F;t unterblieb: &#x017F;ie war anberaumt<lb/>
weil der Churfu&#x0364;r&#x017F;t &#x201E;fu&#x0364;r gut ange&#x017F;ehn, dasjenige was er &#x017F;ich mit<lb/>
etzlichen Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Sta&#x0364;nden einer freundlichen Ver&#x017F;ta&#x0364;ndniß halber<lb/>
unterredet, hinter denen &#x017F;o in die Magdeburgi&#x017F;che Vereinigung gehen<lb/>
nicht zu &#x017F;chließen.&#x201C; Ich finde, daß dahin auch Erich, Bi&#x017F;chof von<lb/>
Paderborn und Osnabru&#x0364;ck eingeladen war, der &#x017F;ich &#x017F;chon zu Speier<lb/>
den er&#x017F;ten Prote&#x017F;tations&#x017F;chritten ange&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en hatte.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0185] Geſpraͤch zu Marburg. Wie damals den Angriff, ſo verhinderte es jetzt alle Maaß- regeln der Vertheidigung. Kein Wunder, wenn ſich Landgraf Philipp, der jene Ausſichten ſchon mit ſeinem ganzen Ehrgeiz ergriffen hatte, darüber betroffen, unglücklich fühlte. Er that alles, um ſeinen ſächſiſchen Verbündeten bei dem einmal gefaßten Ent- ſchluß feſtzuhalten. Jedoch es war alles vergebens. 1 Und glauben wir darum nicht, daß Landgraf Philipp dem Geiſt ſeines Jahrhunderts untreu geworden ſey. Der Grund ſeiner Nachgiebigkeit lag darin, daß er von der Lu- therſchen Auffaſſung nicht ſo vollkommen durchdrungen war, wie die Uebrigen. War nun aber das Ignoriren der Zwiſtigkeit nicht möglich, ſo wurde es doppelt dringend noch einen Verſuch zu machen, ob ſich nicht eine Vereinigung zwiſchen den ſtreitenden Theologen ſtiften laſſe. Schon in Speier hatte Landgraf Philipp dieſen Ge- danken gehabt, und darüber an Zwingli geſchrieben. Jetzt ſchritt er zu einer definitiven Einladung beider Parteien, zum Michaelisfeſt 1529 auf ſein Schloß zu Marburg. Merkwürdig wie verſchieden beide ſeine Einladung auf- nahmen. Zwingli hätte gefürchtet, von dem großen Rathe 3 1 Gruͤnde und Gegengruͤnde in den Schreiben des Churfuͤr- ſten und des Landgrafen bei Muͤller. Geſch. d. Proteſt. p. 256, 261. 3 Auch eine Verſammlung zu Zerbſt unterblieb: ſie war anberaumt weil der Churfuͤrſt „fuͤr gut angeſehn, dasjenige was er ſich mit etzlichen Fuͤrſten und Staͤnden einer freundlichen Verſtaͤndniß halber unterredet, hinter denen ſo in die Magdeburgiſche Vereinigung gehen nicht zu ſchließen.“ Ich finde, daß dahin auch Erich, Biſchof von Paderborn und Osnabruͤck eingeladen war, der ſich ſchon zu Speier den erſten Proteſtationsſchritten angeſchloſſen hatte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/185
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/185>, abgerufen am 27.11.2024.