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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Theologische Bedenklichkeiten.

Und dürfte man wohl diese theologischen Bedenklich-
keiten so schlechthin verwerfen? Es namentlich Luthern zum
Vorwurf machen, daß er sie hegte?

Wir müssen bedenken, daß der Grund der ganzen Re-
formbewegung in der religiösen Ueberzeugung lag, die nicht
mit sich unterhandeln, sich keine Bedingung noch Ermäßi-
gung abgewinnen ließ. Der Geist einer exclusiven, in For-
meln festgesetzten, den Gegner verdammenden Rechtgläubig-
keit, herrschte nun einmal in der Welt vor. Ebendarum
war der Streit zwischen den beiden Bekenntnissen, die sich
doch sonst nahe standen, so heftig geworden.

Eine Verbindung der Anhänger derselben war nur ent-
weder dadurch ausführbar, daß man über die Differenz hin-
wegsah oder dadurch daß man sie beilegte.

In Speier in dem Tumulte des Reichstags, im An-
gesicht der gemeinschaftlichen Gefahr hatte man das Erstere
für möglich gehalten. Allein wie sollte es sich durchführen
lassen, da noch immer die heftigsten Streitschriften zwischen
den Oberhäuptern gewechselt wurden? Bei der Ueberzeu-
gung, die nun einmal beide Parteien hegten und nicht
fahren ließen, hätte darin fast ein Beweis gelegen, daß das
ursprüngliche religiöse Motiv nicht so ganz rein gewesen sey.

Luther war weit davon entfernt und es bedurfte nur
seiner Anmahnung, um auch den Churfürsten davon zurück
zu bringen.

Churfürst Johann schickte wohl zur bestimmten Zeit
seine Abgeordneten nach Rotach, aber mit dem Auftrage,
nur zu hören und ihm zu berichten; er werde dann mit
den Gelehrten berathschlagen, ob die Sache ohne Beschwe-
rung des Gewissens auszuführen sey. Er meinte, vielleicht

Theologiſche Bedenklichkeiten.

Und dürfte man wohl dieſe theologiſchen Bedenklich-
keiten ſo ſchlechthin verwerfen? Es namentlich Luthern zum
Vorwurf machen, daß er ſie hegte?

Wir müſſen bedenken, daß der Grund der ganzen Re-
formbewegung in der religiöſen Ueberzeugung lag, die nicht
mit ſich unterhandeln, ſich keine Bedingung noch Ermäßi-
gung abgewinnen ließ. Der Geiſt einer excluſiven, in For-
meln feſtgeſetzten, den Gegner verdammenden Rechtgläubig-
keit, herrſchte nun einmal in der Welt vor. Ebendarum
war der Streit zwiſchen den beiden Bekenntniſſen, die ſich
doch ſonſt nahe ſtanden, ſo heftig geworden.

Eine Verbindung der Anhänger derſelben war nur ent-
weder dadurch ausführbar, daß man über die Differenz hin-
wegſah oder dadurch daß man ſie beilegte.

In Speier in dem Tumulte des Reichstags, im An-
geſicht der gemeinſchaftlichen Gefahr hatte man das Erſtere
für möglich gehalten. Allein wie ſollte es ſich durchführen
laſſen, da noch immer die heftigſten Streitſchriften zwiſchen
den Oberhäuptern gewechſelt wurden? Bei der Ueberzeu-
gung, die nun einmal beide Parteien hegten und nicht
fahren ließen, hätte darin faſt ein Beweis gelegen, daß das
urſprüngliche religiöſe Motiv nicht ſo ganz rein geweſen ſey.

Luther war weit davon entfernt und es bedurfte nur
ſeiner Anmahnung, um auch den Churfürſten davon zurück
zu bringen.

Churfürſt Johann ſchickte wohl zur beſtimmten Zeit
ſeine Abgeordneten nach Rotach, aber mit dem Auftrage,
nur zu hören und ihm zu berichten; er werde dann mit
den Gelehrten berathſchlagen, ob die Sache ohne Beſchwe-
rung des Gewiſſens auszuführen ſey. Er meinte, vielleicht

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[167/0183] Theologiſche Bedenklichkeiten. Und dürfte man wohl dieſe theologiſchen Bedenklich- keiten ſo ſchlechthin verwerfen? Es namentlich Luthern zum Vorwurf machen, daß er ſie hegte? Wir müſſen bedenken, daß der Grund der ganzen Re- formbewegung in der religiöſen Ueberzeugung lag, die nicht mit ſich unterhandeln, ſich keine Bedingung noch Ermäßi- gung abgewinnen ließ. Der Geiſt einer excluſiven, in For- meln feſtgeſetzten, den Gegner verdammenden Rechtgläubig- keit, herrſchte nun einmal in der Welt vor. Ebendarum war der Streit zwiſchen den beiden Bekenntniſſen, die ſich doch ſonſt nahe ſtanden, ſo heftig geworden. Eine Verbindung der Anhänger derſelben war nur ent- weder dadurch ausführbar, daß man über die Differenz hin- wegſah oder dadurch daß man ſie beilegte. In Speier in dem Tumulte des Reichstags, im An- geſicht der gemeinſchaftlichen Gefahr hatte man das Erſtere für möglich gehalten. Allein wie ſollte es ſich durchführen laſſen, da noch immer die heftigſten Streitſchriften zwiſchen den Oberhäuptern gewechſelt wurden? Bei der Ueberzeu- gung, die nun einmal beide Parteien hegten und nicht fahren ließen, hätte darin faſt ein Beweis gelegen, daß das urſprüngliche religiöſe Motiv nicht ſo ganz rein geweſen ſey. Luther war weit davon entfernt und es bedurfte nur ſeiner Anmahnung, um auch den Churfürſten davon zurück zu bringen. Churfürſt Johann ſchickte wohl zur beſtimmten Zeit ſeine Abgeordneten nach Rotach, aber mit dem Auftrage, nur zu hören und ihm zu berichten; er werde dann mit den Gelehrten berathſchlagen, ob die Sache ohne Beſchwe- rung des Gewiſſens auszuführen ſey. Er meinte, vielleicht

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/183>, abgerufen am 27.11.2024.