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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fall Wolsey's.
alle seine Kräfte erschöpft. Selbst die allmählig zur herr-
schenden Leidenschaft gewordene Neigung des Königs, von
Anna Boleyn einen Erben zu haben, hatte der Cardinal
zuletzt beleidigt; es ist wohl nicht zu läugnen, daß er am
Ende, als er sah die Sache werde nicht durchzusetzen seyn,
dem Könige selbst gerathen hat, davon abzustehn. Aber
damit hatte er die ganze Partei, welche Anna schon für
sich gewonnen, ihren Vater, der zum Marquis von Ro-
chefort ernannt worden, erbittert; eben kam Suffolk aus
Frankreich zurück, der schon dort sich ihm wenig günstig
gezeigt, und nun in offenbaren Zwist mit ihm gerathen; 1
Norfolk war nie sein besonderer Freund gewesen.

So geschah es, daß Wolsey fiel. Im November 1529
ward ihm das Siegel genommen: im December ward er
schuldig befunden, die Privilegien des Reichs durch unge-
bührliche Legatengewalt verletzt zu haben: weder die wie-
derbeginnende Unterstützung der Franzosen, noch wie Nor-
folk sich ausdrückt, der Rath seiner Sternseher konnten
ihn schützen.

Die Bewegung, welche Wolsey veranlaßt, hatte schon
eine innere Kraft gewonnen, der er selber unterlag.

Wir werden darauf zurückzukommen haben, welch mäch-
tigen Fortgang sie nahm; denn unaufhörlich ward unser
Deutschland davon berührt. Zunächst war es für den Kai-
ser schon von hoher Bedeutung, daß er des verhaßten Fein-
des entledigt war. Mußte doch dieser Feind ihn selber un-
terstützen. Wolsey soll den Papst noch aufgefordert haben,

1 Nach einem Schreiben Bellays vom 29. Mai war der Kö-
nig vom Cardinal überredet, qu'il n'a tant avance le mariage, qu'il
eust fait, s'il eust voulu.
Bei Le Grand p. 313.

Fall Wolſey’s.
alle ſeine Kräfte erſchöpft. Selbſt die allmählig zur herr-
ſchenden Leidenſchaft gewordene Neigung des Königs, von
Anna Boleyn einen Erben zu haben, hatte der Cardinal
zuletzt beleidigt; es iſt wohl nicht zu läugnen, daß er am
Ende, als er ſah die Sache werde nicht durchzuſetzen ſeyn,
dem Könige ſelbſt gerathen hat, davon abzuſtehn. Aber
damit hatte er die ganze Partei, welche Anna ſchon für
ſich gewonnen, ihren Vater, der zum Marquis von Ro-
chefort ernannt worden, erbittert; eben kam Suffolk aus
Frankreich zurück, der ſchon dort ſich ihm wenig günſtig
gezeigt, und nun in offenbaren Zwiſt mit ihm gerathen; 1
Norfolk war nie ſein beſonderer Freund geweſen.

So geſchah es, daß Wolſey fiel. Im November 1529
ward ihm das Siegel genommen: im December ward er
ſchuldig befunden, die Privilegien des Reichs durch unge-
bührliche Legatengewalt verletzt zu haben: weder die wie-
derbeginnende Unterſtützung der Franzoſen, noch wie Nor-
folk ſich ausdrückt, der Rath ſeiner Sternſeher konnten
ihn ſchützen.

Die Bewegung, welche Wolſey veranlaßt, hatte ſchon
eine innere Kraft gewonnen, der er ſelber unterlag.

Wir werden darauf zurückzukommen haben, welch mäch-
tigen Fortgang ſie nahm; denn unaufhörlich ward unſer
Deutſchland davon berührt. Zunächſt war es für den Kai-
ſer ſchon von hoher Bedeutung, daß er des verhaßten Fein-
des entledigt war. Mußte doch dieſer Feind ihn ſelber un-
terſtützen. Wolſey ſoll den Papſt noch aufgefordert haben,

1 Nach einem Schreiben Bellays vom 29. Mai war der Koͤ-
nig vom Cardinal uͤberredet, qu’il n’a tant avancé le mariage, qu’il
eust fait, s’il eust voulu.
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[139/0155] Fall Wolſey’s. alle ſeine Kräfte erſchöpft. Selbſt die allmählig zur herr- ſchenden Leidenſchaft gewordene Neigung des Königs, von Anna Boleyn einen Erben zu haben, hatte der Cardinal zuletzt beleidigt; es iſt wohl nicht zu läugnen, daß er am Ende, als er ſah die Sache werde nicht durchzuſetzen ſeyn, dem Könige ſelbſt gerathen hat, davon abzuſtehn. Aber damit hatte er die ganze Partei, welche Anna ſchon für ſich gewonnen, ihren Vater, der zum Marquis von Ro- chefort ernannt worden, erbittert; eben kam Suffolk aus Frankreich zurück, der ſchon dort ſich ihm wenig günſtig gezeigt, und nun in offenbaren Zwiſt mit ihm gerathen; 1 Norfolk war nie ſein beſonderer Freund geweſen. So geſchah es, daß Wolſey fiel. Im November 1529 ward ihm das Siegel genommen: im December ward er ſchuldig befunden, die Privilegien des Reichs durch unge- bührliche Legatengewalt verletzt zu haben: weder die wie- derbeginnende Unterſtützung der Franzoſen, noch wie Nor- folk ſich ausdrückt, der Rath ſeiner Sternſeher konnten ihn ſchützen. Die Bewegung, welche Wolſey veranlaßt, hatte ſchon eine innere Kraft gewonnen, der er ſelber unterlag. Wir werden darauf zurückzukommen haben, welch mäch- tigen Fortgang ſie nahm; denn unaufhörlich ward unſer Deutſchland davon berührt. Zunächſt war es für den Kai- ſer ſchon von hoher Bedeutung, daß er des verhaßten Fein- des entledigt war. Mußte doch dieſer Feind ihn ſelber un- terſtützen. Wolſey ſoll den Papſt noch aufgefordert haben, 1 Nach einem Schreiben Bellays vom 29. Mai war der Koͤ- nig vom Cardinal uͤberredet, qu’il n’a tant avancé le mariage, qu’il eust fait, s’il eust voulu. Bei Le Grand p. 313.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/155>, abgerufen am 24.11.2024.