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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Viertes Capitel.
Processionen Theil nehmen sehn? Columbus hielt sich für
bestimmt in den Ländern des Großchan, die er gefunden
zu haben glaubte, den christlichen Glauben auszubreiten.
Wie oft spricht er die Absicht aus, der Krone die Mittel
zu verschaffen, um das heilige Grab zu erobern. 1 So ist
denn auch in allen seinen Fortsetzern mit der Begier, reich,
mächtig und berühmt zu werden, ein sehr besonderer Eifer,
das römische Christenthum auszubreiten, vereinigt. 2 Für
die Krone war das eine Art von Nothwendigkeit: ihr ge-
sammtes Recht leitete sie von dem römischen Stuhle her; das
war die offizielle Doctrin, die sie den Indianern verkündigen
ließ. Sie übertrug das ganze lateinische Kirchenwesen, nur wo
möglich noch prächtiger und reicher, auf die neue Welt.

Man dürfte das nicht so verstehn, als ob Jedermann
von diesen Tendenzen durchdrungen gewesen wäre. Unter
andern ist es von Cortez merkwürdig, daß er die voll-
ständige Uebertragung der Hierarchie nicht billigte; er wollte
keine Bischöfe, sondern nur eine thätige niedere Geistlich-
keit, eifrige Mönche; wobei er wohl selbst an die Mittel
dachte, die bischöfliche Ordination entbehrlich zu machen. 3
Aber so mächtig war die Vorliebe für die Gesammtheit des
Herkömmlichen, daß selbst er, der Eroberer und Gesetzgeber,
nichts dagegen ausrichtete.

Wohl war Spanien nicht so abgeschlossen von dem
übrigen Europa, daß sich die Bestrebungen der neuernden
Literatur gar nicht daselbst geregt hätten. Antonio von Le-

1 Humboldt, III, 260.
2 Prescott History of Ferdinand and Isabella III, 418 citirt
eine hiefür sehr bemerkenswerthe Stelle von Gonzalo von Oviedo: who
can doubt, that powder against the infidels, is incense to the Lord?
3 Bericht des Cortez 15. October 1524. Bei Koppe p. 487.

Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel.
Proceſſionen Theil nehmen ſehn? Columbus hielt ſich für
beſtimmt in den Ländern des Großchan, die er gefunden
zu haben glaubte, den chriſtlichen Glauben auszubreiten.
Wie oft ſpricht er die Abſicht aus, der Krone die Mittel
zu verſchaffen, um das heilige Grab zu erobern. 1 So iſt
denn auch in allen ſeinen Fortſetzern mit der Begier, reich,
mächtig und berühmt zu werden, ein ſehr beſonderer Eifer,
das römiſche Chriſtenthum auszubreiten, vereinigt. 2 Für
die Krone war das eine Art von Nothwendigkeit: ihr ge-
ſammtes Recht leitete ſie von dem römiſchen Stuhle her; das
war die offizielle Doctrin, die ſie den Indianern verkündigen
ließ. Sie übertrug das ganze lateiniſche Kirchenweſen, nur wo
möglich noch prächtiger und reicher, auf die neue Welt.

Man dürfte das nicht ſo verſtehn, als ob Jedermann
von dieſen Tendenzen durchdrungen geweſen wäre. Unter
andern iſt es von Cortez merkwürdig, daß er die voll-
ſtändige Uebertragung der Hierarchie nicht billigte; er wollte
keine Biſchöfe, ſondern nur eine thätige niedere Geiſtlich-
keit, eifrige Mönche; wobei er wohl ſelbſt an die Mittel
dachte, die biſchöfliche Ordination entbehrlich zu machen. 3
Aber ſo mächtig war die Vorliebe für die Geſammtheit des
Herkömmlichen, daß ſelbſt er, der Eroberer und Geſetzgeber,
nichts dagegen ausrichtete.

Wohl war Spanien nicht ſo abgeſchloſſen von dem
übrigen Europa, daß ſich die Beſtrebungen der neuernden
Literatur gar nicht daſelbſt geregt hätten. Antonio von Le-

1 Humboldt, III, 260.
2 Prescott History of Ferdinand and Isabella III, 418 citirt
eine hiefuͤr ſehr bemerkenswerthe Stelle von Gonzalo von Oviedo: who
can doubt, that powder against the infidels, is incense to the Lord?
3 Bericht des Cortez 15. October 1524. Bei Koppe p. 487.
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[110/0126] Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel. Proceſſionen Theil nehmen ſehn? Columbus hielt ſich für beſtimmt in den Ländern des Großchan, die er gefunden zu haben glaubte, den chriſtlichen Glauben auszubreiten. Wie oft ſpricht er die Abſicht aus, der Krone die Mittel zu verſchaffen, um das heilige Grab zu erobern. 1 So iſt denn auch in allen ſeinen Fortſetzern mit der Begier, reich, mächtig und berühmt zu werden, ein ſehr beſonderer Eifer, das römiſche Chriſtenthum auszubreiten, vereinigt. 2 Für die Krone war das eine Art von Nothwendigkeit: ihr ge- ſammtes Recht leitete ſie von dem römiſchen Stuhle her; das war die offizielle Doctrin, die ſie den Indianern verkündigen ließ. Sie übertrug das ganze lateiniſche Kirchenweſen, nur wo möglich noch prächtiger und reicher, auf die neue Welt. Man dürfte das nicht ſo verſtehn, als ob Jedermann von dieſen Tendenzen durchdrungen geweſen wäre. Unter andern iſt es von Cortez merkwürdig, daß er die voll- ſtändige Uebertragung der Hierarchie nicht billigte; er wollte keine Biſchöfe, ſondern nur eine thätige niedere Geiſtlich- keit, eifrige Mönche; wobei er wohl ſelbſt an die Mittel dachte, die biſchöfliche Ordination entbehrlich zu machen. 3 Aber ſo mächtig war die Vorliebe für die Geſammtheit des Herkömmlichen, daß ſelbſt er, der Eroberer und Geſetzgeber, nichts dagegen ausrichtete. Wohl war Spanien nicht ſo abgeſchloſſen von dem übrigen Europa, daß ſich die Beſtrebungen der neuernden Literatur gar nicht daſelbſt geregt hätten. Antonio von Le- 1 Humboldt, III, 260. 2 Prescott History of Ferdinand and Isabella III, 418 citirt eine hiefuͤr ſehr bemerkenswerthe Stelle von Gonzalo von Oviedo: who can doubt, that powder against the infidels, is incense to the Lord? 3 Bericht des Cortez 15. October 1524. Bei Koppe p. 487.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/126>, abgerufen am 25.11.2024.