Ständeversammlung zurückgekommen, dem Nuntius über- geben. 1
Dieser verbarg sein Erstaunen, seinen Mißmuth nicht: weder der Papst, sagt er, noch der Kaiser noch irgend ein anderer Fürst habe solch einen Beschluß von ihnen erwartet: er erneuerte seine Anträge auf die Ausführung des Worm- ser Edictes, die Einrichtung einer bischöflichen Censur; allein wie hätte eine Versammlung, die sich so langsam und schwer bewegte, auf eine Zurücknahme einmal gefaßter Be- schlüsse denken können? Es war alles vergeblich.
Der Inhalt der Antwort ward als ein kaiserliches Edict in das Reich verkündigt. Der Churfürst von Sach- sen, Luther selbst war damit höchlich zufrieden. Luther fand, daß Bann und Acht, die über ihn ausgesprochen worden, dadurch eigentlich zurückgenommen seyen.
In der That waren diese Beschlüsse von Nürnberg das grade Gegentheil der Wormsischen. Was man von Carl V erwartet hatte, daß er sich an die Spitze der na- tionalen Bewegung stellen würde, das that das Regiment nun wirklich. Die politische Opposition, die sich schon so lange vorbereitet, trat dem Papst kräftiger als jemals ent- gegen. Mit ihr verbündet, durch die Repräsentanten der kaiserlichen Macht geschützt konnte nun auch die religiöse Bewegung sich ungehindert entwickeln.
Drit-
1 Planitz 9ten Febr. Die Schrift ist dem päpstl. Nuntius auf die Maß übergeben wie ich E Chf D. zugeschickt. Der ist der nicht zu frieden und hat darauf replicirt. -- -- Er will den Kayser dabei nit haben, so gefällt ihm auch nit daß es sogar frei seyn soll wie begehrt.
Drittes Buch. Zweites Capitel.
Ständeverſammlung zurückgekommen, dem Nuntius über- geben. 1
Dieſer verbarg ſein Erſtaunen, ſeinen Mißmuth nicht: weder der Papſt, ſagt er, noch der Kaiſer noch irgend ein anderer Fürſt habe ſolch einen Beſchluß von ihnen erwartet: er erneuerte ſeine Anträge auf die Ausführung des Worm- ſer Edictes, die Einrichtung einer biſchöflichen Cenſur; allein wie hätte eine Verſammlung, die ſich ſo langſam und ſchwer bewegte, auf eine Zurücknahme einmal gefaßter Be- ſchlüſſe denken können? Es war alles vergeblich.
Der Inhalt der Antwort ward als ein kaiſerliches Edict in das Reich verkündigt. Der Churfürſt von Sach- ſen, Luther ſelbſt war damit höchlich zufrieden. Luther fand, daß Bann und Acht, die über ihn ausgeſprochen worden, dadurch eigentlich zurückgenommen ſeyen.
In der That waren dieſe Beſchlüſſe von Nürnberg das grade Gegentheil der Wormſiſchen. Was man von Carl V erwartet hatte, daß er ſich an die Spitze der na- tionalen Bewegung ſtellen würde, das that das Regiment nun wirklich. Die politiſche Oppoſition, die ſich ſchon ſo lange vorbereitet, trat dem Papſt kräftiger als jemals ent- gegen. Mit ihr verbündet, durch die Repräſentanten der kaiſerlichen Macht geſchützt konnte nun auch die religiöſe Bewegung ſich ungehindert entwickeln.
Drit-
1 Planitz 9ten Febr. Die Schrift iſt dem paͤpſtl. Nuntius auf die Maß uͤbergeben wie ich E Chf D. zugeſchickt. Der iſt der nicht zu frieden und hat darauf replicirt. — — Er will den Kayſer dabei nit haben, ſo gefaͤllt ihm auch nit daß es ſogar frei ſeyn ſoll wie begehrt.
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Drittes Buch. Zweites Capitel.
Ständeverſammlung zurückgekommen, dem Nuntius über-
geben. 1
Dieſer verbarg ſein Erſtaunen, ſeinen Mißmuth nicht:
weder der Papſt, ſagt er, noch der Kaiſer noch irgend ein
anderer Fürſt habe ſolch einen Beſchluß von ihnen erwartet:
er erneuerte ſeine Anträge auf die Ausführung des Worm-
ſer Edictes, die Einrichtung einer biſchöflichen Cenſur; allein
wie hätte eine Verſammlung, die ſich ſo langſam und
ſchwer bewegte, auf eine Zurücknahme einmal gefaßter Be-
ſchlüſſe denken können? Es war alles vergeblich.
Der Inhalt der Antwort ward als ein kaiſerliches
Edict in das Reich verkündigt. Der Churfürſt von Sach-
ſen, Luther ſelbſt war damit höchlich zufrieden. Luther
fand, daß Bann und Acht, die über ihn ausgeſprochen
worden, dadurch eigentlich zurückgenommen ſeyen.
In der That waren dieſe Beſchlüſſe von Nürnberg
das grade Gegentheil der Wormſiſchen. Was man von
Carl V erwartet hatte, daß er ſich an die Spitze der na-
tionalen Bewegung ſtellen würde, das that das Regiment
nun wirklich. Die politiſche Oppoſition, die ſich ſchon ſo
lange vorbereitet, trat dem Papſt kräftiger als jemals ent-
gegen. Mit ihr verbündet, durch die Repräſentanten der
kaiſerlichen Macht geſchützt konnte nun auch die religiöſe
Bewegung ſich ungehindert entwickeln.
Drit-
1 Planitz 9ten Febr. Die Schrift iſt dem paͤpſtl. Nuntius
auf die Maß uͤbergeben wie ich E Chf D. zugeſchickt. Der iſt der
nicht zu frieden und hat darauf replicirt. — — Er will den Kayſer
dabei nit haben, ſo gefaͤllt ihm auch nit daß es ſogar frei ſeyn ſoll
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/74>, abgerufen am 16.02.2025.
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