nostri von Löwen, welche gegen die neuernde Literatur und Theologie so lange in Kampf gelegen: die Erklärungen dieser Universität hatte er ausdrücklich gebilligt. Die dominica- nisch-orthodoxe Tendenz, welche sich 1520 wieder aufs engste mit dem römischen Hofe vereinigt, kam in ihm be- reits zu einer momentanen Herrschaft.
In dem Sinne nun, der ihm natürlich war, instruirte Adrian den Nuntius Chieregati, welchen er an den deut- schen Reichstag sendete. Er betrachtete das Aufkommen der lutherischen Meinungen als eine Strafe für die Sün- den der Prälaten. "Wir wissen," sagt er, "daß bei diesem Sitze einige Jahre daher viele Abscheulichkeiten vor- gekommen sind: alles ist zum Bösen verkehrt worden, von dem Haupte hat sich das Verderben in die Glieder, von dem Papst über die Prälaten verbreitet." Indem er sich nun bereit erklärte, die Übelstände abzustellen, forderte er die deutschen Stände zugleich auf, dem Um-sich-greifen der lutherischen Meinungen ernstlich Einhalt zu thun; acht Gründe führte er auf, welche sie dazu bewegen müßten. 1
Auf diese Anträge sollte nun Antwort gegeben, Be- schluß gefaßt werden; und dem Regiment kam es zu, einen Entwurf dazu abzufassen.
Gleich bei dem ersten Erscheinen des Nuntius hatten sich die beiden Parteien in diesem Collegium mit einander gemessen. Die altgesinnte Minorität hatte eine Beschwerde
1Expergiscantur, excitentur -- et ad executionem senten- tiae apostolicae ac imperialis edicti praefati omnino procedant. Detur venia iis qui errores suos abjurare voluerint. Instructio pro Cheregato.
Reichstag von 1522, 23.
noſtri von Löwen, welche gegen die neuernde Literatur und Theologie ſo lange in Kampf gelegen: die Erklärungen dieſer Univerſität hatte er ausdrücklich gebilligt. Die dominica- niſch-orthodoxe Tendenz, welche ſich 1520 wieder aufs engſte mit dem römiſchen Hofe vereinigt, kam in ihm be- reits zu einer momentanen Herrſchaft.
In dem Sinne nun, der ihm natürlich war, inſtruirte Adrian den Nuntius Chieregati, welchen er an den deut- ſchen Reichstag ſendete. Er betrachtete das Aufkommen der lutheriſchen Meinungen als eine Strafe für die Sün- den der Prälaten. „Wir wiſſen,“ ſagt er, „daß bei dieſem Sitze einige Jahre daher viele Abſcheulichkeiten vor- gekommen ſind: alles iſt zum Böſen verkehrt worden, von dem Haupte hat ſich das Verderben in die Glieder, von dem Papſt über die Prälaten verbreitet.“ Indem er ſich nun bereit erklärte, die Übelſtände abzuſtellen, forderte er die deutſchen Stände zugleich auf, dem Um-ſich-greifen der lutheriſchen Meinungen ernſtlich Einhalt zu thun; acht Gründe führte er auf, welche ſie dazu bewegen müßten. 1
Auf dieſe Anträge ſollte nun Antwort gegeben, Be- ſchluß gefaßt werden; und dem Regiment kam es zu, einen Entwurf dazu abzufaſſen.
Gleich bei dem erſten Erſcheinen des Nuntius hatten ſich die beiden Parteien in dieſem Collegium mit einander gemeſſen. Die altgeſinnte Minorität hatte eine Beſchwerde
1Expergiscantur, excitentur — et ad executionem senten- tiae apostolicae ac imperialis edicti praefati omnino procedant. Detur venia iis qui errores suos abjurare voluerint. Instructio pro Cheregato.
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[53/0063]
Reichstag von 1522, 23.
noſtri von Löwen, welche gegen die neuernde Literatur und
Theologie ſo lange in Kampf gelegen: die Erklärungen dieſer
Univerſität hatte er ausdrücklich gebilligt. Die dominica-
niſch-orthodoxe Tendenz, welche ſich 1520 wieder aufs
engſte mit dem römiſchen Hofe vereinigt, kam in ihm be-
reits zu einer momentanen Herrſchaft.
In dem Sinne nun, der ihm natürlich war, inſtruirte
Adrian den Nuntius Chieregati, welchen er an den deut-
ſchen Reichstag ſendete. Er betrachtete das Aufkommen
der lutheriſchen Meinungen als eine Strafe für die Sün-
den der Prälaten. „Wir wiſſen,“ ſagt er, „daß bei
dieſem Sitze einige Jahre daher viele Abſcheulichkeiten vor-
gekommen ſind: alles iſt zum Böſen verkehrt worden, von
dem Haupte hat ſich das Verderben in die Glieder, von
dem Papſt über die Prälaten verbreitet.“ Indem er ſich
nun bereit erklärte, die Übelſtände abzuſtellen, forderte er
die deutſchen Stände zugleich auf, dem Um-ſich-greifen der
lutheriſchen Meinungen ernſtlich Einhalt zu thun; acht
Gründe führte er auf, welche ſie dazu bewegen müßten. 1
Auf dieſe Anträge ſollte nun Antwort gegeben, Be-
ſchluß gefaßt werden; und dem Regiment kam es zu, einen
Entwurf dazu abzufaſſen.
Gleich bei dem erſten Erſcheinen des Nuntius hatten
ſich die beiden Parteien in dieſem Collegium mit einander
gemeſſen. Die altgeſinnte Minorität hatte eine Beſchwerde
1 Expergiscantur, excitentur — et ad executionem senten-
tiae apostolicae ac imperialis edicti praefati omnino procedant.
Detur venia iis qui errores suos abjurare voluerint. Instructio
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/63>, abgerufen am 16.07.2024.
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