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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Zweites Capitel.
hältnisse nahmen die Aufmerksamkeit dringend in Anspruch.
Während die beiden vorwaltenden Fürsten der Christenheit
ihre natürliche Eifersucht in den italienischen Kriegen zu
immer heftigerm Haß entflammten, hatte der Gewaltherr
des osmanischen Reiches seine durch Christenhaß und Er-
oberungslust angefeuerten Kriegsschaaren daher gewälzt und
das alte Bollwerk der an jenen Grenzen nur wenig gesi-
cherten Christenheit, Belgrad, in seine Hände gebracht. Man
war in Deutschland nicht stumpf für diese Gefahr; aus-
drücklich deshalb kamen die Stände im Frühjahr 1 und
noch einmal im Herbst 1522 zusammen; ein Theil der dem
Kaiser für seinen Romzug bewilligten Hülfe ward mit des-
sen Genehmigung zur Unterstützung der Ungern bestimmt:
umfassende Entwürfe zu einer vollständigern und allzeit be-
reiten Kriegsrüstung zu dem nemlichen Zwecke wurden ge-
macht und berathen. Worauf aber alles ankam, wovon
alles abhieng, das war die Befestigung der Regierungs-

1 Das Ausschreiben ist vom 12 Februar: auf den Sonntag
Oculi (23 März 1522), damit man noch Zeit habe sich zu rüsten;
am 28 März war eine Anzahl Stände zugegen und es wurden Pro-
cessionen und Gebete angeordnet, "damit S. göttlich Barmherzigkeit
den Zorn, ob und wie wir den durch unsre Schuld und Missethat
verschuldet hätten, von uns wende." Die Proposition geschah am 7
April; der Kaiser ließ darin erklären, daß er sich der zu seinem Romzug
bewilligten Hülfe begebe, damit sie zum Türkenkrieg angewendet werde.
Die Stände beschlossen von derselben anderthalb Viertel ( 3/8 ) ins Feld
zu stellen, jedoch nicht in Mannschaft sondern in Geld. Es gieng
alles sehr eilend her, da man eine bessere Rüstung auf eine Bespre-
chung mit ungrischen Commissarien gründen wollte. Der Frkf. Ge-
sandte meint, es werde nicht viel ausgerichtet werden, sondern "aufs
fürderlichste wieder zum Thor hinaus." Am meisten hielten die Ses-
sionsirrungen auf. "Der Sachen halber bleiben andre Händel un-
ausgerichtet und wir verzehren das Unsre ohne Nutzen." Der Ab-
schied ist vom 7 Mai. (Frankf. A.) Am folgenden Reichstag (Dez.
1522) wurden fernere zwei Viertel des Romzugs bewilligt.

Drittes Buch. Zweites Capitel.
hältniſſe nahmen die Aufmerkſamkeit dringend in Anſpruch.
Während die beiden vorwaltenden Fürſten der Chriſtenheit
ihre natürliche Eiferſucht in den italieniſchen Kriegen zu
immer heftigerm Haß entflammten, hatte der Gewaltherr
des osmaniſchen Reiches ſeine durch Chriſtenhaß und Er-
oberungsluſt angefeuerten Kriegsſchaaren daher gewälzt und
das alte Bollwerk der an jenen Grenzen nur wenig geſi-
cherten Chriſtenheit, Belgrad, in ſeine Hände gebracht. Man
war in Deutſchland nicht ſtumpf für dieſe Gefahr; aus-
drücklich deshalb kamen die Stände im Frühjahr 1 und
noch einmal im Herbſt 1522 zuſammen; ein Theil der dem
Kaiſer für ſeinen Romzug bewilligten Hülfe ward mit deſ-
ſen Genehmigung zur Unterſtützung der Ungern beſtimmt:
umfaſſende Entwürfe zu einer vollſtändigern und allzeit be-
reiten Kriegsrüſtung zu dem nemlichen Zwecke wurden ge-
macht und berathen. Worauf aber alles ankam, wovon
alles abhieng, das war die Befeſtigung der Regierungs-

1 Das Ausſchreiben iſt vom 12 Februar: auf den Sonntag
Oculi (23 Maͤrz 1522), damit man noch Zeit habe ſich zu ruͤſten;
am 28 Maͤrz war eine Anzahl Staͤnde zugegen und es wurden Pro-
ceſſionen und Gebete angeordnet, „damit S. goͤttlich Barmherzigkeit
den Zorn, ob und wie wir den durch unſre Schuld und Miſſethat
verſchuldet haͤtten, von uns wende.“ Die Propoſition geſchah am 7
April; der Kaiſer ließ darin erklaͤren, daß er ſich der zu ſeinem Romzug
bewilligten Huͤlfe begebe, damit ſie zum Tuͤrkenkrieg angewendet werde.
Die Staͤnde beſchloſſen von derſelben anderthalb Viertel (⅜) ins Feld
zu ſtellen, jedoch nicht in Mannſchaft ſondern in Geld. Es gieng
alles ſehr eilend her, da man eine beſſere Ruͤſtung auf eine Beſpre-
chung mit ungriſchen Commiſſarien gruͤnden wollte. Der Frkf. Ge-
ſandte meint, es werde nicht viel ausgerichtet werden, ſondern „aufs
fuͤrderlichſte wieder zum Thor hinaus.“ Am meiſten hielten die Seſ-
ſionsirrungen auf. „Der Sachen halber bleiben andre Haͤndel un-
ausgerichtet und wir verzehren das Unſre ohne Nutzen.“ Der Ab-
ſchied iſt vom 7 Mai. (Frankf. A.) Am folgenden Reichstag (Dez.
1522) wurden fernere zwei Viertel des Romzugs bewilligt.
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[40/0050] Drittes Buch. Zweites Capitel. hältniſſe nahmen die Aufmerkſamkeit dringend in Anſpruch. Während die beiden vorwaltenden Fürſten der Chriſtenheit ihre natürliche Eiferſucht in den italieniſchen Kriegen zu immer heftigerm Haß entflammten, hatte der Gewaltherr des osmaniſchen Reiches ſeine durch Chriſtenhaß und Er- oberungsluſt angefeuerten Kriegsſchaaren daher gewälzt und das alte Bollwerk der an jenen Grenzen nur wenig geſi- cherten Chriſtenheit, Belgrad, in ſeine Hände gebracht. Man war in Deutſchland nicht ſtumpf für dieſe Gefahr; aus- drücklich deshalb kamen die Stände im Frühjahr 1 und noch einmal im Herbſt 1522 zuſammen; ein Theil der dem Kaiſer für ſeinen Romzug bewilligten Hülfe ward mit deſ- ſen Genehmigung zur Unterſtützung der Ungern beſtimmt: umfaſſende Entwürfe zu einer vollſtändigern und allzeit be- reiten Kriegsrüſtung zu dem nemlichen Zwecke wurden ge- macht und berathen. Worauf aber alles ankam, wovon alles abhieng, das war die Befeſtigung der Regierungs- 1 Das Ausſchreiben iſt vom 12 Februar: auf den Sonntag Oculi (23 Maͤrz 1522), damit man noch Zeit habe ſich zu ruͤſten; am 28 Maͤrz war eine Anzahl Staͤnde zugegen und es wurden Pro- ceſſionen und Gebete angeordnet, „damit S. goͤttlich Barmherzigkeit den Zorn, ob und wie wir den durch unſre Schuld und Miſſethat verſchuldet haͤtten, von uns wende.“ Die Propoſition geſchah am 7 April; der Kaiſer ließ darin erklaͤren, daß er ſich der zu ſeinem Romzug bewilligten Huͤlfe begebe, damit ſie zum Tuͤrkenkrieg angewendet werde. Die Staͤnde beſchloſſen von derſelben anderthalb Viertel (⅜) ins Feld zu ſtellen, jedoch nicht in Mannſchaft ſondern in Geld. Es gieng alles ſehr eilend her, da man eine beſſere Ruͤſtung auf eine Beſpre- chung mit ungriſchen Commiſſarien gruͤnden wollte. Der Frkf. Ge- ſandte meint, es werde nicht viel ausgerichtet werden, ſondern „aufs fuͤrderlichſte wieder zum Thor hinaus.“ Am meiſten hielten die Seſ- ſionsirrungen auf. „Der Sachen halber bleiben andre Haͤndel un- ausgerichtet und wir verzehren das Unſre ohne Nutzen.“ Der Ab- ſchied iſt vom 7 Mai. (Frankf. A.) Am folgenden Reichstag (Dez. 1522) wurden fernere zwei Viertel des Romzugs bewilligt.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/50>, abgerufen am 24.11.2024.