Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Viertes Buch. Fünftes Capitel. zusehen, daß ein Herzogthum, ein erbliches deutsches Für-stenthum errichtet ward. Vergleichen wir Liefland damit, so war auch da die Reformation eingedrungen: der mäch- tige Ordensmeister Plettenberg, der nun völlig unabhängig war, beschützte sie, und wußte sogar den Orden noch eine Zeitlang aufrecht zu erhalten; allein nur eine Zeitlang: später ward das Land doch auch säcularisirt, gerieth aber zugleich un- ter fremde Botmäßigkeit und gieng für das Gesammtbewußt- seyn der deutschen Nation verloren. Eben so war das kö- nigliche Preußen dadurch nicht gefördert, daß es keinen Für- sten an seiner Spitze hatte: später hat sich der polnische Einfluß gewaltig geltend gemacht; welche unbeschreibliche Be- drängnisse politischer und religiöser Art hat das Land aushal- ten müssen! Die Germanisirung ward hier wie dort nicht al- lein in ihrem Lauf aufgehalten, sondern rückgängig. Dagegen ward das herzogliche Preußen allmählig völlig deutsch; es blieb politisch schon durch die verwandtschaftlichen Verhält- nisse des Fürsten mit einem mächtigen deutschen Hause in unauflöslicher enger Beziehung zu dem großen Vaterlande; unter alle den Verwirrungen theologischer und literarischer Kämpfe, welche im Gefolge der Reformation eintraten, bil- dcte sich hier doch ein unabhängiger Mittelpunct deutscher Cultur an, von dem hinwiederum die großartigsten Ent- wickelungen unsrer Nationalität ausgegangen sind. Wie mächtig erhob sich überhaupt das deutsche We- Man durfte Belgien und die Niederlande, Böhmen Viertes Buch. Fuͤnftes Capitel. zuſehen, daß ein Herzogthum, ein erbliches deutſches Für-ſtenthum errichtet ward. Vergleichen wir Liefland damit, ſo war auch da die Reformation eingedrungen: der mäch- tige Ordensmeiſter Plettenberg, der nun völlig unabhängig war, beſchützte ſie, und wußte ſogar den Orden noch eine Zeitlang aufrecht zu erhalten; allein nur eine Zeitlang: ſpäter ward das Land doch auch ſäculariſirt, gerieth aber zugleich un- ter fremde Botmäßigkeit und gieng für das Geſammtbewußt- ſeyn der deutſchen Nation verloren. Eben ſo war das kö- nigliche Preußen dadurch nicht gefördert, daß es keinen Für- ſten an ſeiner Spitze hatte: ſpäter hat ſich der polniſche Einfluß gewaltig geltend gemacht; welche unbeſchreibliche Be- drängniſſe politiſcher und religiöſer Art hat das Land aushal- ten müſſen! Die Germaniſirung ward hier wie dort nicht al- lein in ihrem Lauf aufgehalten, ſondern rückgängig. Dagegen ward das herzogliche Preußen allmählig völlig deutſch; es blieb politiſch ſchon durch die verwandtſchaftlichen Verhält- niſſe des Fürſten mit einem mächtigen deutſchen Hauſe in unauflöslicher enger Beziehung zu dem großen Vaterlande; unter alle den Verwirrungen theologiſcher und literariſcher Kämpfe, welche im Gefolge der Reformation eintraten, bil- dcte ſich hier doch ein unabhängiger Mittelpunct deutſcher Cultur an, von dem hinwiederum die großartigſten Ent- wickelungen unſrer Nationalität ausgegangen ſind. Wie mächtig erhob ſich überhaupt das deutſche We- Man durfte Belgien und die Niederlande, Böhmen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0490" n="480"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Viertes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/> zuſehen, daß ein Herzogthum, ein erbliches deutſches Für-<lb/> ſtenthum errichtet ward. 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Viertes Buch. Fuͤnftes Capitel.
zuſehen, daß ein Herzogthum, ein erbliches deutſches Für-
ſtenthum errichtet ward. Vergleichen wir Liefland damit,
ſo war auch da die Reformation eingedrungen: der mäch-
tige Ordensmeiſter Plettenberg, der nun völlig unabhängig
war, beſchützte ſie, und wußte ſogar den Orden noch eine
Zeitlang aufrecht zu erhalten; allein nur eine Zeitlang: ſpäter
ward das Land doch auch ſäculariſirt, gerieth aber zugleich un-
ter fremde Botmäßigkeit und gieng für das Geſammtbewußt-
ſeyn der deutſchen Nation verloren. Eben ſo war das kö-
nigliche Preußen dadurch nicht gefördert, daß es keinen Für-
ſten an ſeiner Spitze hatte: ſpäter hat ſich der polniſche
Einfluß gewaltig geltend gemacht; welche unbeſchreibliche Be-
drängniſſe politiſcher und religiöſer Art hat das Land aushal-
ten müſſen! Die Germaniſirung ward hier wie dort nicht al-
lein in ihrem Lauf aufgehalten, ſondern rückgängig. Dagegen
ward das herzogliche Preußen allmählig völlig deutſch; es
blieb politiſch ſchon durch die verwandtſchaftlichen Verhält-
niſſe des Fürſten mit einem mächtigen deutſchen Hauſe in
unauflöslicher enger Beziehung zu dem großen Vaterlande;
unter alle den Verwirrungen theologiſcher und literariſcher
Kämpfe, welche im Gefolge der Reformation eintraten, bil-
dcte ſich hier doch ein unabhängiger Mittelpunct deutſcher
Cultur an, von dem hinwiederum die großartigſten Ent-
wickelungen unſrer Nationalität ausgegangen ſind.
Wie mächtig erhob ſich überhaupt das deutſche We-
ſen in dieſem Augenblicke.
Man durfte Belgien und die Niederlande, Böhmen
und deſſen Nebenländer wieder zum Reiche zählen. Die
deutſchen Waffen hatten Italien dem franzöſiſchen, ſo wie
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