Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Viertes Buch. Fünftes Capitel. erlitt die größten Verluste; sie konnte ihre Selbständigkeit imInnern nicht behaupten, geschweige an auswärtige Unter- nehmungen denken. Auch das Regiment ward gestürzt, an das sich noch einige Hofnungen knüpften. Der Kaiser war so entfernt, Hülfe erwarten zu lassen, daß er sich vielmehr den jagellonischen Ansprüchen selber zuneigte. Die ver- sprochene Vermittelung ward nicht einmal versucht. Dem Hochmeister blieb nichts übrig, als sich entweder in die Be- dingungen des Thorner Friedens zu fügen, die Huldigung zu leisten, oder zu abdiciren. Auch von der Entsagung war in der That ernstlich die Rede. Sie konnte entweder im Sinne des Ordens geschehen: dann kam Herzog Erich von Braunschweig in Vorschlag; oder im Sinne des Landes und Polens: dann würde sie zu Gunsten Sigismunds voll- zogen worden seyn: der König schickte 1524 einen Gesand- ten nach Nürnberg um den Hochmeister eben hiezu zu be- stimmen. 1 Der Orden und seine Herrschaft in Preußen war ohne 1 Memorial des Hochmeister Albrecht, mitgetheilt von Faber
Beitr. z. Kunde Preußens IV, 83. Viertes Buch. Fuͤnftes Capitel. erlitt die größten Verluſte; ſie konnte ihre Selbſtändigkeit imInnern nicht behaupten, geſchweige an auswärtige Unter- nehmungen denken. Auch das Regiment ward geſtürzt, an das ſich noch einige Hofnungen knüpften. Der Kaiſer war ſo entfernt, Hülfe erwarten zu laſſen, daß er ſich vielmehr den jagelloniſchen Anſprüchen ſelber zuneigte. Die ver- ſprochene Vermittelung ward nicht einmal verſucht. Dem Hochmeiſter blieb nichts übrig, als ſich entweder in die Be- dingungen des Thorner Friedens zu fügen, die Huldigung zu leiſten, oder zu abdiciren. Auch von der Entſagung war in der That ernſtlich die Rede. Sie konnte entweder im Sinne des Ordens geſchehen: dann kam Herzog Erich von Braunſchweig in Vorſchlag; oder im Sinne des Landes und Polens: dann würde ſie zu Gunſten Sigismunds voll- zogen worden ſeyn: der König ſchickte 1524 einen Geſand- ten nach Nürnberg um den Hochmeiſter eben hiezu zu be- ſtimmen. 1 Der Orden und ſeine Herrſchaft in Preußen war ohne 1 Memorial des Hochmeiſter Albrecht, mitgetheilt von Faber
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Viertes Buch. Fuͤnftes Capitel.
erlitt die größten Verluſte; ſie konnte ihre Selbſtändigkeit im
Innern nicht behaupten, geſchweige an auswärtige Unter-
nehmungen denken. Auch das Regiment ward geſtürzt, an
das ſich noch einige Hofnungen knüpften. Der Kaiſer war
ſo entfernt, Hülfe erwarten zu laſſen, daß er ſich vielmehr
den jagelloniſchen Anſprüchen ſelber zuneigte. Die ver-
ſprochene Vermittelung ward nicht einmal verſucht. Dem
Hochmeiſter blieb nichts übrig, als ſich entweder in die Be-
dingungen des Thorner Friedens zu fügen, die Huldigung
zu leiſten, oder zu abdiciren. Auch von der Entſagung
war in der That ernſtlich die Rede. Sie konnte entweder
im Sinne des Ordens geſchehen: dann kam Herzog Erich
von Braunſchweig in Vorſchlag; oder im Sinne des Landes
und Polens: dann würde ſie zu Gunſten Sigismunds voll-
zogen worden ſeyn: der König ſchickte 1524 einen Geſand-
ten nach Nürnberg um den Hochmeiſter eben hiezu zu be-
ſtimmen. 1
Der Orden und ſeine Herrſchaft in Preußen war ohne
Zweifel das eigenthümlichſte Product des hierarchiſch-ritter-
lichen Geiſtes der letzten Jahrhunderte in der deutſchen Na-
tion; allein wohin war es damals mit ihm gekommen! Der
größte Theil ſeines Gebietes verloren: in dem Reſte deſ-
ſelben mächtig emporſtrebende Stände: die innere Einheit
in der ſeine Stärke lag, gebrochen: ſeine Verbindung mit
dem Mutterland ohne Kraft: — der Nothwendigkeit ſich zu
unterwerfen war nicht mehr auszuweichen: ſeine Zeit war
vorüber. Nur ließ ſich noch nicht abſehen, was man thun
1 Memorial des Hochmeiſter Albrecht, mitgetheilt von Faber
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