Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Viertes Buch. Fünftes Capitel. über Leben und Lehre des Pfarrers der Wahrheit gemäßAuskunft zu geben. Das Unwesen der niedern Geistlich- keit, um das sich nie ein Bischof ernstlich bekümmert, wollte man nicht mehr dulden. Hatte nicht der höhere Clerus die Ausbildung der Doctrin den Universitäten, das Amt am Wort wenig beaufsichtigten und schlechtbesoldeten Mieth- lingen überlassen? Man darf sich nicht wundern, daß endlich nachdem sich die hohen Schulen so lange als Ver- fechter der clericalischen Ansprüche erwiesen, auf einer von ihnen auch einmal eine Lehre herrschend ward die densel- ben entgegenlief, daß sich in Denen die sich dem eigent- lichen Kirchendienst widmeten, Widerwille gegen ein so ver- ächtliches und schon verachtetes Verhältniß wie das bishe- rige, -- Gefühl der eigenen Bedeutung, und nun mit der le- bendig gewordenen Überzeugung von der allein verpflichten- den Autorität des Evangeliums ein feuriger Eifer erhob, die Sache besser zu machen. Die weltliche Macht that nichts weiter, als daß sie, durch den Reichsabschied dazu berech- tigt, diesen doch offenbar geistlichen Bestrebungen den Raum verschaffte sich zu entwickeln. Wollte doch Niemand sagen, daß hiedurch die Kirche dem Staat ganz zu eigen gewor- den! Versteht man unter Kirche den Einfluß geistlicher, religiöser Prinzipien, so gelangte sie vielmehr erst jetzt dazu. Niemals haben dieselben mehr bedeutet, als in den Zei- ten, die nunmehr kamen. Was unter den Evangelischen begann, setzte sich unter den Katholischen auf eine analoge Weise fort. Aber zugleich ist klar, daß die Wirksamkeit der evangelischen Kirche nicht auf reicher Ausstattung, ho- hem Rang, dem Pomp hierarchischer Ordnungen beruhte, Viertes Buch. Fuͤnftes Capitel. über Leben und Lehre des Pfarrers der Wahrheit gemäßAuskunft zu geben. Das Unweſen der niedern Geiſtlich- keit, um das ſich nie ein Biſchof ernſtlich bekümmert, wollte man nicht mehr dulden. Hatte nicht der höhere Clerus die Ausbildung der Doctrin den Univerſitäten, das Amt am Wort wenig beaufſichtigten und ſchlechtbeſoldeten Mieth- lingen überlaſſen? Man darf ſich nicht wundern, daß endlich nachdem ſich die hohen Schulen ſo lange als Ver- fechter der clericaliſchen Anſprüche erwieſen, auf einer von ihnen auch einmal eine Lehre herrſchend ward die denſel- ben entgegenlief, daß ſich in Denen die ſich dem eigent- lichen Kirchendienſt widmeten, Widerwille gegen ein ſo ver- ächtliches und ſchon verachtetes Verhältniß wie das bishe- rige, — Gefühl der eigenen Bedeutung, und nun mit der le- bendig gewordenen Überzeugung von der allein verpflichten- den Autorität des Evangeliums ein feuriger Eifer erhob, die Sache beſſer zu machen. Die weltliche Macht that nichts weiter, als daß ſie, durch den Reichsabſchied dazu berech- tigt, dieſen doch offenbar geiſtlichen Beſtrebungen den Raum verſchaffte ſich zu entwickeln. Wollte doch Niemand ſagen, daß hiedurch die Kirche dem Staat ganz zu eigen gewor- den! Verſteht man unter Kirche den Einfluß geiſtlicher, religiöſer Prinzipien, ſo gelangte ſie vielmehr erſt jetzt dazu. Niemals haben dieſelben mehr bedeutet, als in den Zei- ten, die nunmehr kamen. Was unter den Evangeliſchen begann, ſetzte ſich unter den Katholiſchen auf eine analoge Weiſe fort. Aber zugleich iſt klar, daß die Wirkſamkeit der evangeliſchen Kirche nicht auf reicher Ausſtattung, ho- hem Rang, dem Pomp hierarchiſcher Ordnungen beruhte, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0468" n="458"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Viertes Buch. Fuͤnftes Capitel</hi>.</fw><lb/> über Leben und Lehre des Pfarrers der Wahrheit gemäß<lb/> Auskunft zu geben. Das Unweſen der niedern Geiſtlich-<lb/> keit, um das ſich nie ein Biſchof ernſtlich bekümmert, wollte<lb/> man nicht mehr dulden. Hatte nicht der höhere Clerus<lb/> die Ausbildung der Doctrin den Univerſitäten, das Amt<lb/> am Wort wenig beaufſichtigten und ſchlechtbeſoldeten Mieth-<lb/> lingen überlaſſen? 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Viertes Buch. Fuͤnftes Capitel.
über Leben und Lehre des Pfarrers der Wahrheit gemäß
Auskunft zu geben. Das Unweſen der niedern Geiſtlich-
keit, um das ſich nie ein Biſchof ernſtlich bekümmert, wollte
man nicht mehr dulden. Hatte nicht der höhere Clerus
die Ausbildung der Doctrin den Univerſitäten, das Amt
am Wort wenig beaufſichtigten und ſchlechtbeſoldeten Mieth-
lingen überlaſſen? Man darf ſich nicht wundern, daß
endlich nachdem ſich die hohen Schulen ſo lange als Ver-
fechter der clericaliſchen Anſprüche erwieſen, auf einer von
ihnen auch einmal eine Lehre herrſchend ward die denſel-
ben entgegenlief, daß ſich in Denen die ſich dem eigent-
lichen Kirchendienſt widmeten, Widerwille gegen ein ſo ver-
ächtliches und ſchon verachtetes Verhältniß wie das bishe-
rige, — Gefühl der eigenen Bedeutung, und nun mit der le-
bendig gewordenen Überzeugung von der allein verpflichten-
den Autorität des Evangeliums ein feuriger Eifer erhob, die
Sache beſſer zu machen. Die weltliche Macht that nichts
weiter, als daß ſie, durch den Reichsabſchied dazu berech-
tigt, dieſen doch offenbar geiſtlichen Beſtrebungen den Raum
verſchaffte ſich zu entwickeln. Wollte doch Niemand ſagen,
daß hiedurch die Kirche dem Staat ganz zu eigen gewor-
den! Verſteht man unter Kirche den Einfluß geiſtlicher,
religiöſer Prinzipien, ſo gelangte ſie vielmehr erſt jetzt dazu.
Niemals haben dieſelben mehr bedeutet, als in den Zei-
ten, die nunmehr kamen. Was unter den Evangeliſchen
begann, ſetzte ſich unter den Katholiſchen auf eine analoge
Weiſe fort. Aber zugleich iſt klar, daß die Wirkſamkeit
der evangeliſchen Kirche nicht auf reicher Ausſtattung, ho-
hem Rang, dem Pomp hierarchiſcher Ordnungen beruhte,
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