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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Brandenburg und Nürnberg.
gigkeit der weltlichen Macht sowohl der Städte wie der
Fürsten durch diesen Gang der Dinge machte.

Erinnern wir uns jener ältesten Einrichtung der deut-
schen Kirche unter Carl dem Großen, die auf ein Zusam-
menwirken der Gewalt der Bischöfe und der Grafen be-
rechnet war.

Wie es vor Jahrhunderten den Bischöfen gelungen,
in einem Theile ihres geistlichen Sprengels auch die welt-
liche Autorität an sich zu bringen und regierende Herrn
zu werden, so gelang es jetzt den weltlichen Gewalten, die,
obwohl in ganz anderer Gestalt, die gräflichen Gerechtsame
ausübten, die bischöfliche Einwirkung von ihren Gebieten
auszuschließen.

Man würde sich durch den Schein blenden lassen,
wenn man dieß so schlechtweg für einen Verlust des kirch-
lichen Prinzipes halten wollte. Denn das läßt sich doch
gar nicht leugnen, daß die bischöfliche Einwirkung bei wei-
tem mehr in der Behauptung von allerlei Exemtionen, Ge-
fällen, Anrechten bestand, die mit der Religion wenig zu
schaffen hatten. In diesem Augenblick war es z. B. eine
der vornehmsten Streitigkeiten zwischen Nürnberg und Bam-
berg, daß die Stadt während der Bauernunruhen den kleinen
Zehent nachgelassen hatte, den der Bischof schlechterdings
nicht aufgeben wollte. Den weltlichen Gewalten gelang
es nur dadurch, zu ihrem Ziele zu gelangen, daß sie die
religiösen, reiner-kirchlichen Prinzipien zu vertreten unter-
nahmen, z. B. eben die Pfarren besser einrichteten. Aus
jeder Pfarre im Brandenburgischen und Nürnbergischen
wurde auch ein Abgeordneter der Gemeinde berufen, um

Brandenburg und Nuͤrnberg.
gigkeit der weltlichen Macht ſowohl der Städte wie der
Fürſten durch dieſen Gang der Dinge machte.

Erinnern wir uns jener älteſten Einrichtung der deut-
ſchen Kirche unter Carl dem Großen, die auf ein Zuſam-
menwirken der Gewalt der Biſchöfe und der Grafen be-
rechnet war.

Wie es vor Jahrhunderten den Biſchöfen gelungen,
in einem Theile ihres geiſtlichen Sprengels auch die welt-
liche Autorität an ſich zu bringen und regierende Herrn
zu werden, ſo gelang es jetzt den weltlichen Gewalten, die,
obwohl in ganz anderer Geſtalt, die gräflichen Gerechtſame
ausübten, die biſchöfliche Einwirkung von ihren Gebieten
auszuſchließen.

Man würde ſich durch den Schein blenden laſſen,
wenn man dieß ſo ſchlechtweg für einen Verluſt des kirch-
lichen Prinzipes halten wollte. Denn das läßt ſich doch
gar nicht leugnen, daß die biſchöfliche Einwirkung bei wei-
tem mehr in der Behauptung von allerlei Exemtionen, Ge-
fällen, Anrechten beſtand, die mit der Religion wenig zu
ſchaffen hatten. In dieſem Augenblick war es z. B. eine
der vornehmſten Streitigkeiten zwiſchen Nürnberg und Bam-
berg, daß die Stadt während der Bauernunruhen den kleinen
Zehent nachgelaſſen hatte, den der Biſchof ſchlechterdings
nicht aufgeben wollte. Den weltlichen Gewalten gelang
es nur dadurch, zu ihrem Ziele zu gelangen, daß ſie die
religiöſen, reiner-kirchlichen Prinzipien zu vertreten unter-
nahmen, z. B. eben die Pfarren beſſer einrichteten. Aus
jeder Pfarre im Brandenburgiſchen und Nürnbergiſchen
wurde auch ein Abgeordneter der Gemeinde berufen, um

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[457/0467] Brandenburg und Nuͤrnberg. gigkeit der weltlichen Macht ſowohl der Städte wie der Fürſten durch dieſen Gang der Dinge machte. Erinnern wir uns jener älteſten Einrichtung der deut- ſchen Kirche unter Carl dem Großen, die auf ein Zuſam- menwirken der Gewalt der Biſchöfe und der Grafen be- rechnet war. Wie es vor Jahrhunderten den Biſchöfen gelungen, in einem Theile ihres geiſtlichen Sprengels auch die welt- liche Autorität an ſich zu bringen und regierende Herrn zu werden, ſo gelang es jetzt den weltlichen Gewalten, die, obwohl in ganz anderer Geſtalt, die gräflichen Gerechtſame ausübten, die biſchöfliche Einwirkung von ihren Gebieten auszuſchließen. Man würde ſich durch den Schein blenden laſſen, wenn man dieß ſo ſchlechtweg für einen Verluſt des kirch- lichen Prinzipes halten wollte. Denn das läßt ſich doch gar nicht leugnen, daß die biſchöfliche Einwirkung bei wei- tem mehr in der Behauptung von allerlei Exemtionen, Ge- fällen, Anrechten beſtand, die mit der Religion wenig zu ſchaffen hatten. In dieſem Augenblick war es z. B. eine der vornehmſten Streitigkeiten zwiſchen Nürnberg und Bam- berg, daß die Stadt während der Bauernunruhen den kleinen Zehent nachgelaſſen hatte, den der Biſchof ſchlechterdings nicht aufgeben wollte. Den weltlichen Gewalten gelang es nur dadurch, zu ihrem Ziele zu gelangen, daß ſie die religiöſen, reiner-kirchlichen Prinzipien zu vertreten unter- nahmen, z. B. eben die Pfarren beſſer einrichteten. Aus jeder Pfarre im Brandenburgiſchen und Nürnbergiſchen wurde auch ein Abgeordneter der Gemeinde berufen, um

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/467>, abgerufen am 29.11.2024.