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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Viertes Buch. Fünstes Capitel.

Denn indessen war die Reform auch in Nürnberg
durchgeführt. Wir gedachten schon der großen Hinneigung
welche die Bürger von Anfang an dazu zeigten, der Un-
terstützung die sie dann bei ihren beiden Pröpsten, ein paar
Nürnberger Patriciern, fanden, der Anstellung evangelischer
Prediger. Man änderte anfangs auch hier nur das Noth-
wendigste. Im Jahr 1524 z. B. fieng man an in deutscher
Sprache zu taufen; obgleich aber schon ein Jahr früher
eine Anweisung dafür von Luther erschienen war, zog man
es in Nürnberg doch vor, das ganze Formular der Bam-
berger Agende nur schlechtweg zu verdeutschen; dem Täufling
ward nach wie vor Salz in den Mund gelegt, dreimal un-
ter die Augen geblasen, die Brust mit Öl bestrichen, von
den altherkömmlichen Beschwörungsformeln ließ man keine
fallen. 1 Zur Bezeichnung des Übergangs verdient an-
geführt zu werden, daß der Rector zu St. Sebald das
alte "Sey gegrüßt, Königin, Mutter der Barmherzigkeit"
in ein "Sey gegrüßt, Jesu Christ, König der Barmher-
zigkeit etc." nur eben umsetzte. 2 Die vornehmste Änderung
bestand darin daß man das Abendmahl unter beiderlei Gestalt
reichte, den Canon ausließ, die Vigilien, Seelmessen und
Jahrtäge für die Verstorbenen abschaffte, die Tagzeiten nicht
mehr betete. Allein es versteht sich daß schon dieß dem
Ordinarius Bischof von Bamberg viel zu viel war. Er

1 Geschichte des Exorcismi in der Nürnbergischen Kirche bei
Strobel Miscell. IV, 173.
2 Statt advocata nostra heißt es dann mediator noster: statt
Jesum benedictum fructum ventris tui nobis post hoc exilium
ostende
heißt es: o Jesu benedicte faciem patris tui nobis post
hoc exilium ostende
.
Viertes Buch. Fuͤnſtes Capitel.

Denn indeſſen war die Reform auch in Nürnberg
durchgeführt. Wir gedachten ſchon der großen Hinneigung
welche die Bürger von Anfang an dazu zeigten, der Un-
terſtützung die ſie dann bei ihren beiden Pröpſten, ein paar
Nürnberger Patriciern, fanden, der Anſtellung evangeliſcher
Prediger. Man änderte anfangs auch hier nur das Noth-
wendigſte. Im Jahr 1524 z. B. fieng man an in deutſcher
Sprache zu taufen; obgleich aber ſchon ein Jahr früher
eine Anweiſung dafür von Luther erſchienen war, zog man
es in Nürnberg doch vor, das ganze Formular der Bam-
berger Agende nur ſchlechtweg zu verdeutſchen; dem Täufling
ward nach wie vor Salz in den Mund gelegt, dreimal un-
ter die Augen geblaſen, die Bruſt mit Öl beſtrichen, von
den altherkömmlichen Beſchwörungsformeln ließ man keine
fallen. 1 Zur Bezeichnung des Übergangs verdient an-
geführt zu werden, daß der Rector zu St. Sebald das
alte „Sey gegrüßt, Königin, Mutter der Barmherzigkeit“
in ein „Sey gegrüßt, Jeſu Chriſt, König der Barmher-
zigkeit ꝛc.“ nur eben umſetzte. 2 Die vornehmſte Änderung
beſtand darin daß man das Abendmahl unter beiderlei Geſtalt
reichte, den Canon ausließ, die Vigilien, Seelmeſſen und
Jahrtäge für die Verſtorbenen abſchaffte, die Tagzeiten nicht
mehr betete. Allein es verſteht ſich daß ſchon dieß dem
Ordinarius Biſchof von Bamberg viel zu viel war. Er

1 Geſchichte des Exorcismi in der Nuͤrnbergiſchen Kirche bei
Strobel Miscell. IV, 173.
2 Statt advocata nostra heißt es dann mediator noster: ſtatt
Jesum benedictum fructum ventris tui nobis post hoc exilium
ostende
heißt es: o Jesu benedicte faciem patris tui nobis post
hoc exilium ostende
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[454/0464] Viertes Buch. Fuͤnſtes Capitel. Denn indeſſen war die Reform auch in Nürnberg durchgeführt. Wir gedachten ſchon der großen Hinneigung welche die Bürger von Anfang an dazu zeigten, der Un- terſtützung die ſie dann bei ihren beiden Pröpſten, ein paar Nürnberger Patriciern, fanden, der Anſtellung evangeliſcher Prediger. Man änderte anfangs auch hier nur das Noth- wendigſte. Im Jahr 1524 z. B. fieng man an in deutſcher Sprache zu taufen; obgleich aber ſchon ein Jahr früher eine Anweiſung dafür von Luther erſchienen war, zog man es in Nürnberg doch vor, das ganze Formular der Bam- berger Agende nur ſchlechtweg zu verdeutſchen; dem Täufling ward nach wie vor Salz in den Mund gelegt, dreimal un- ter die Augen geblaſen, die Bruſt mit Öl beſtrichen, von den altherkömmlichen Beſchwörungsformeln ließ man keine fallen. 1 Zur Bezeichnung des Übergangs verdient an- geführt zu werden, daß der Rector zu St. Sebald das alte „Sey gegrüßt, Königin, Mutter der Barmherzigkeit“ in ein „Sey gegrüßt, Jeſu Chriſt, König der Barmher- zigkeit ꝛc.“ nur eben umſetzte. 2 Die vornehmſte Änderung beſtand darin daß man das Abendmahl unter beiderlei Geſtalt reichte, den Canon ausließ, die Vigilien, Seelmeſſen und Jahrtäge für die Verſtorbenen abſchaffte, die Tagzeiten nicht mehr betete. Allein es verſteht ſich daß ſchon dieß dem Ordinarius Biſchof von Bamberg viel zu viel war. Er 1 Geſchichte des Exorcismi in der Nuͤrnbergiſchen Kirche bei Strobel Miscell. IV, 173. 2 Statt advocata nostra heißt es dann mediator noster: ſtatt Jesum benedictum fructum ventris tui nobis post hoc exilium ostende heißt es: o Jesu benedicte faciem patris tui nobis post hoc exilium ostende.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/464>, abgerufen am 28.11.2024.