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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Successionsansprüche.
schen Prinzipien, wie sie unter den tartarischen Einwirkun-
gen sich in Asien festgesetzt, nach den andern Erdtheilen
übertrug, hatte er zu vollem Übergewicht in dem östlichen
Europa erhoben. Wer wäre fähig gewesen, es ihr wieder
zu entreißen. -- Ohne sich gerade um die Behauptung der
genommenen Plätze zu kümmern, kehrte er zurück und stellte
die Siegeszeichen von Ofen am Hippodrom und in der Mo-
schee Aja Sofia auf.

Daß nun aber zugleich zwei Königskronen, deren Suc-
cession nicht über allen Zweifel erhaben war, hiedurch va-
cant geworden, mußte in der christlichen Welt gewaltige
Bewegungen hervorrufen. Es war noch die Frage, ob es
eine europäische Macht wie Östreich geben würde oder
nicht. Man braucht sie blos aufzustellen, um inne zu wer-
den, welch eine Bedeutung für die Entwickelung der Welt-
schicksale und besonders Deutschlands darin liegt. Ehe
noch davon die Rede war, wie das Verhältniß zu den Os-
manen sich nunmehr gestalten würde, mußte diese große
Frage erledigt werden.

Den Ansprüchen Ferdinands auf die beiden Kronen,
so unzweifelhaft sie auch in Bezug auf die Tractate der
regierenden Häuser seyn mochten, setzte sich doch das Wahl-
recht der Nationen und die Autorität angesehener Mitbewer-
ber entgegen.

In Ungern erschien, so wie sich die Türken entfernt
hatten, Johann Zapolya mit dem stattlichen Heer, das er
außerhalb der Conflicte gehalten: die Niederlage des Kö-
nigs war zugleich die Niederlage seiner Gegner: die Faction
welche die Beschlüsse zu Hatwan gefaßt, war jetzt die allein

Succeſſionsanſpruͤche.
ſchen Prinzipien, wie ſie unter den tartariſchen Einwirkun-
gen ſich in Aſien feſtgeſetzt, nach den andern Erdtheilen
übertrug, hatte er zu vollem Übergewicht in dem öſtlichen
Europa erhoben. Wer wäre fähig geweſen, es ihr wieder
zu entreißen. — Ohne ſich gerade um die Behauptung der
genommenen Plätze zu kümmern, kehrte er zurück und ſtellte
die Siegeszeichen von Ofen am Hippodrom und in der Mo-
ſchee Aja Sofia auf.

Daß nun aber zugleich zwei Königskronen, deren Suc-
ceſſion nicht über allen Zweifel erhaben war, hiedurch va-
cant geworden, mußte in der chriſtlichen Welt gewaltige
Bewegungen hervorrufen. Es war noch die Frage, ob es
eine europäiſche Macht wie Öſtreich geben würde oder
nicht. Man braucht ſie blos aufzuſtellen, um inne zu wer-
den, welch eine Bedeutung für die Entwickelung der Welt-
ſchickſale und beſonders Deutſchlands darin liegt. Ehe
noch davon die Rede war, wie das Verhältniß zu den Os-
manen ſich nunmehr geſtalten würde, mußte dieſe große
Frage erledigt werden.

Den Anſprüchen Ferdinands auf die beiden Kronen,
ſo unzweifelhaft ſie auch in Bezug auf die Tractate der
regierenden Häuſer ſeyn mochten, ſetzte ſich doch das Wahl-
recht der Nationen und die Autorität angeſehener Mitbewer-
ber entgegen.

In Ungern erſchien, ſo wie ſich die Türken entfernt
hatten, Johann Zapolya mit dem ſtattlichen Heer, das er
außerhalb der Conflicte gehalten: die Niederlage des Kö-
nigs war zugleich die Niederlage ſeiner Gegner: die Faction
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[413/0423] Succeſſionsanſpruͤche. ſchen Prinzipien, wie ſie unter den tartariſchen Einwirkun- gen ſich in Aſien feſtgeſetzt, nach den andern Erdtheilen übertrug, hatte er zu vollem Übergewicht in dem öſtlichen Europa erhoben. Wer wäre fähig geweſen, es ihr wieder zu entreißen. — Ohne ſich gerade um die Behauptung der genommenen Plätze zu kümmern, kehrte er zurück und ſtellte die Siegeszeichen von Ofen am Hippodrom und in der Mo- ſchee Aja Sofia auf. Daß nun aber zugleich zwei Königskronen, deren Suc- ceſſion nicht über allen Zweifel erhaben war, hiedurch va- cant geworden, mußte in der chriſtlichen Welt gewaltige Bewegungen hervorrufen. Es war noch die Frage, ob es eine europäiſche Macht wie Öſtreich geben würde oder nicht. Man braucht ſie blos aufzuſtellen, um inne zu wer- den, welch eine Bedeutung für die Entwickelung der Welt- ſchickſale und beſonders Deutſchlands darin liegt. Ehe noch davon die Rede war, wie das Verhältniß zu den Os- manen ſich nunmehr geſtalten würde, mußte dieſe große Frage erledigt werden. Den Anſprüchen Ferdinands auf die beiden Kronen, ſo unzweifelhaft ſie auch in Bezug auf die Tractate der regierenden Häuſer ſeyn mochten, ſetzte ſich doch das Wahl- recht der Nationen und die Autorität angeſehener Mitbewer- ber entgegen. In Ungern erſchien, ſo wie ſich die Türken entfernt hatten, Johann Zapolya mit dem ſtattlichen Heer, das er außerhalb der Conflicte gehalten: die Niederlage des Kö- nigs war zugleich die Niederlage ſeiner Gegner: die Faction welche die Beſchlüſſe zu Hatwan gefaßt, war jetzt die allein

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/423>, abgerufen am 27.11.2024.