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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Rüstungen in Deutschland.
möge nur vorgeben, daß das Heer das er rüste gegen
die Türken ziehen solle: Jedermann werde wissen welche Tür-
ken das seyen. In einem Manifest, das der Kaiser im
September 1526 erließ, drückte er sich auf eine Weise aus,
deren sich kein Anhänger Luthers zu schämen gehabt hätte:
er bezeigt seine Verwunderung, daß der Papst um irgend
eines Besitzthums willen Blutvergießen veranlasse: völlig
entgegen sey das der Lehre des Evangeliums. 1 Im Oc-
tober bittet er die Cardinäle den Papst zu erinnern, daß
er nicht "um die Waffen zu führen, noch zum Verderben
des christlichen Volkes" den pontificalen Thron inne habe;
er trägt aufs neue auf ein Concilium an, und fordert die
Cardinäle auf, wenn der Papst es verweigere, es an sei-
ner Stelle zu berufen: er wenigstens wolle unschuldig seyn,
"wenn der christlichen Republik dadurch ein Nachtheil er-
wachse." 2

Und fragen wir nun nach der Gesinnung Frundsbergs,
so ist kein Zweifel, daß er vorlängst evangelische Überzeu-
gungen hegte, 3 und sich überdieß in dem letzten Krieg mit
dem bittersten Haß gegen den Papst erfüllt hatte. Unmit-
telbar nach der Schlacht von Pavia hatte er darauf ange-
tragen, denselben im Kirchenstaate heimzusuchen. In dieser

1 Rescriptum ad Papae criminationes. "quod tamen Sti
Vrae non placuit,
heißt es (Goldast Constit. I, 489 nr. 19), licet
credere non possemus, eum qui Christi vices in terris gerit, vel
unius guttae humani sanguinis jactura quamcunque secularem di-
tionem sibi vendicare velle, cum id ab evangelica doctrina
prorsus alienum
videretur.
2 Epistola Caroli ad Collegium Cardinalium VIta Octobris.
Goldast Pol. Imp. p. 1013.
3 S. die oben p. 94 angeführte Stelle.

Ruͤſtungen in Deutſchland.
möge nur vorgeben, daß das Heer das er rüſte gegen
die Türken ziehen ſolle: Jedermann werde wiſſen welche Tür-
ken das ſeyen. In einem Manifeſt, das der Kaiſer im
September 1526 erließ, drückte er ſich auf eine Weiſe aus,
deren ſich kein Anhänger Luthers zu ſchämen gehabt hätte:
er bezeigt ſeine Verwunderung, daß der Papſt um irgend
eines Beſitzthums willen Blutvergießen veranlaſſe: völlig
entgegen ſey das der Lehre des Evangeliums. 1 Im Oc-
tober bittet er die Cardinäle den Papſt zu erinnern, daß
er nicht „um die Waffen zu führen, noch zum Verderben
des chriſtlichen Volkes“ den pontificalen Thron inne habe;
er trägt aufs neue auf ein Concilium an, und fordert die
Cardinäle auf, wenn der Papſt es verweigere, es an ſei-
ner Stelle zu berufen: er wenigſtens wolle unſchuldig ſeyn,
„wenn der chriſtlichen Republik dadurch ein Nachtheil er-
wachſe.“ 2

Und fragen wir nun nach der Geſinnung Frundsbergs,
ſo iſt kein Zweifel, daß er vorlängſt evangeliſche Überzeu-
gungen hegte, 3 und ſich überdieß in dem letzten Krieg mit
dem bitterſten Haß gegen den Papſt erfüllt hatte. Unmit-
telbar nach der Schlacht von Pavia hatte er darauf ange-
tragen, denſelben im Kirchenſtaate heimzuſuchen. In dieſer

1 Rescriptum ad Papae criminationes. „quod tamen Sti
Vrae non placuit,
heißt es (Goldaſt Constit. I, 489 nr. 19), licet
credere non possemus, eum qui Christi vices in terris gerit, vel
unius guttae humani sanguinis jactura quamcunque secularem di-
tionem sibi vendicare velle, cum id ab evangelica doctrina
prorsus alienum
videretur.
2 Epistola Caroli ad Collegium Cardinalium VIta Octobris.
Goldaſt Pol. Imp. p. 1013.
3 S. die oben p. 94 angefuͤhrte Stelle.
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[377/0387] Ruͤſtungen in Deutſchland. möge nur vorgeben, daß das Heer das er rüſte gegen die Türken ziehen ſolle: Jedermann werde wiſſen welche Tür- ken das ſeyen. In einem Manifeſt, das der Kaiſer im September 1526 erließ, drückte er ſich auf eine Weiſe aus, deren ſich kein Anhänger Luthers zu ſchämen gehabt hätte: er bezeigt ſeine Verwunderung, daß der Papſt um irgend eines Beſitzthums willen Blutvergießen veranlaſſe: völlig entgegen ſey das der Lehre des Evangeliums. 1 Im Oc- tober bittet er die Cardinäle den Papſt zu erinnern, daß er nicht „um die Waffen zu führen, noch zum Verderben des chriſtlichen Volkes“ den pontificalen Thron inne habe; er trägt aufs neue auf ein Concilium an, und fordert die Cardinäle auf, wenn der Papſt es verweigere, es an ſei- ner Stelle zu berufen: er wenigſtens wolle unſchuldig ſeyn, „wenn der chriſtlichen Republik dadurch ein Nachtheil er- wachſe.“ 2 Und fragen wir nun nach der Geſinnung Frundsbergs, ſo iſt kein Zweifel, daß er vorlängſt evangeliſche Überzeu- gungen hegte, 3 und ſich überdieß in dem letzten Krieg mit dem bitterſten Haß gegen den Papſt erfüllt hatte. Unmit- telbar nach der Schlacht von Pavia hatte er darauf ange- tragen, denſelben im Kirchenſtaate heimzuſuchen. In dieſer 1 Rescriptum ad Papae criminationes. „quod tamen Sti Vrae non placuit, heißt es (Goldaſt Constit. I, 489 nr. 19), licet credere non possemus, eum qui Christi vices in terris gerit, vel unius guttae humani sanguinis jactura quamcunque secularem di- tionem sibi vendicare velle, cum id ab evangelica doctrina prorsus alienum videretur. 2 Epistola Caroli ad Collegium Cardinalium VIta Octobris. Goldaſt Pol. Imp. p. 1013. 3 S. die oben p. 94 angefuͤhrte Stelle.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/387>, abgerufen am 25.11.2024.