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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Viertes Buch. Erstes Capitel.
Reich, nieder mit den Franzosen;" eine allgemeine Empö-
rung schien sich vorzubereiten; da in diesem Augenblick erst
die Masse der kaiserlich-päpstlichen Armee anrückte, die
Landsknechte, bis an den Gürtel im Wasser, an verschiede-
nen Stellen, durch die Gräben giengen und die Verschan-
zungen erstiegen, verzweifelte Lautrec sich zu behaupten, und
verließ die Stadt durch die entgegengesetzte Porta Coma-
sina. Die Venezianer waren leicht entwaffnet. Die schwei-
zerischen Hauptleute wollten sich von den Franzosen nicht
trennen lassen und eilten ihnen nach. Binnen zwei Stun-
den war die Stadt erobert. 1 Alle Straßen waren festlich
erleuchtet, als die Kaiserlichen in die eigentliche Stadt ein-
rückten. Noch an demselben Abend ward ausgerufen, daß
Kaiser und Papst sich entschlossen, den Mailändern ihren
angestammten Herzog Franz Sforza zurückzugeben. Dessen
vertrauter Rath, Hieronymus Morone, der die Verbin-
dung mit den gibellinischen Familien unterhalten, überhaupt
zum Gelingen der Unternehmung das Meiste beigetragen
hatte, übernahm die Verwaltung.

Dem Beispiel von Mailand folgten Pavia und Lodi
diesseit, Parma und Piacenza jenseit des Po. Gegen diese
beiden Städte leisteten jene Schweizer, Zuger und Züri-
cher die nicht mit nach Mailand gegangen, hauptsächlich
eine nunmehr auch hier sehr willkommene Hülfe.


Da-
1 Die zugleich anschaulichste und glaubwürdigste Nachricht über
dieß Ereigniß enthält ein Schreiben des Marchese von Mantua an
seine Mutter vom 21 Nov. 1521, im 32sten Bande der Chronik des
Sanuto. Ich werde es im Anhang mittheilen, so wie ein andres des
Legaten Julius Medici vom 19ten Abends und 20sten früh.

Viertes Buch. Erſtes Capitel.
Reich, nieder mit den Franzoſen;“ eine allgemeine Empö-
rung ſchien ſich vorzubereiten; da in dieſem Augenblick erſt
die Maſſe der kaiſerlich-päpſtlichen Armee anrückte, die
Landsknechte, bis an den Gürtel im Waſſer, an verſchiede-
nen Stellen, durch die Gräben giengen und die Verſchan-
zungen erſtiegen, verzweifelte Lautrec ſich zu behaupten, und
verließ die Stadt durch die entgegengeſetzte Porta Coma-
ſina. Die Venezianer waren leicht entwaffnet. Die ſchwei-
zeriſchen Hauptleute wollten ſich von den Franzoſen nicht
trennen laſſen und eilten ihnen nach. Binnen zwei Stun-
den war die Stadt erobert. 1 Alle Straßen waren feſtlich
erleuchtet, als die Kaiſerlichen in die eigentliche Stadt ein-
rückten. Noch an demſelben Abend ward ausgerufen, daß
Kaiſer und Papſt ſich entſchloſſen, den Mailändern ihren
angeſtammten Herzog Franz Sforza zurückzugeben. Deſſen
vertrauter Rath, Hieronymus Morone, der die Verbin-
dung mit den gibelliniſchen Familien unterhalten, überhaupt
zum Gelingen der Unternehmung das Meiſte beigetragen
hatte, übernahm die Verwaltung.

Dem Beiſpiel von Mailand folgten Pavia und Lodi
dieſſeit, Parma und Piacenza jenſeit des Po. Gegen dieſe
beiden Städte leiſteten jene Schweizer, Zuger und Züri-
cher die nicht mit nach Mailand gegangen, hauptſächlich
eine nunmehr auch hier ſehr willkommene Hülfe.


Da-
1 Die zugleich anſchaulichſte und glaubwuͤrdigſte Nachricht uͤber
dieß Ereigniß enthaͤlt ein Schreiben des Marcheſe von Mantua an
ſeine Mutter vom 21 Nov. 1521, im 32ſten Bande der Chronik des
Sanuto. Ich werde es im Anhang mittheilen, ſo wie ein andres des
Legaten Julius Medici vom 19ten Abends und 20ſten fruͤh.
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[272/0282] Viertes Buch. Erſtes Capitel. Reich, nieder mit den Franzoſen;“ eine allgemeine Empö- rung ſchien ſich vorzubereiten; da in dieſem Augenblick erſt die Maſſe der kaiſerlich-päpſtlichen Armee anrückte, die Landsknechte, bis an den Gürtel im Waſſer, an verſchiede- nen Stellen, durch die Gräben giengen und die Verſchan- zungen erſtiegen, verzweifelte Lautrec ſich zu behaupten, und verließ die Stadt durch die entgegengeſetzte Porta Coma- ſina. Die Venezianer waren leicht entwaffnet. Die ſchwei- zeriſchen Hauptleute wollten ſich von den Franzoſen nicht trennen laſſen und eilten ihnen nach. Binnen zwei Stun- den war die Stadt erobert. 1 Alle Straßen waren feſtlich erleuchtet, als die Kaiſerlichen in die eigentliche Stadt ein- rückten. Noch an demſelben Abend ward ausgerufen, daß Kaiſer und Papſt ſich entſchloſſen, den Mailändern ihren angeſtammten Herzog Franz Sforza zurückzugeben. Deſſen vertrauter Rath, Hieronymus Morone, der die Verbin- dung mit den gibelliniſchen Familien unterhalten, überhaupt zum Gelingen der Unternehmung das Meiſte beigetragen hatte, übernahm die Verwaltung. Dem Beiſpiel von Mailand folgten Pavia und Lodi dieſſeit, Parma und Piacenza jenſeit des Po. Gegen dieſe beiden Städte leiſteten jene Schweizer, Zuger und Züri- cher die nicht mit nach Mailand gegangen, hauptſächlich eine nunmehr auch hier ſehr willkommene Hülfe. Da- 1 Die zugleich anſchaulichſte und glaubwuͤrdigſte Nachricht uͤber dieß Ereigniß enthaͤlt ein Schreiben des Marcheſe von Mantua an ſeine Mutter vom 21 Nov. 1521, im 32ſten Bande der Chronik des Sanuto. Ich werde es im Anhang mittheilen, ſo wie ein andres des Legaten Julius Medici vom 19ten Abends und 20ſten fruͤh.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/282>, abgerufen am 29.11.2024.