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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Feldzug von 1521.
Fälle bedürfe doch auch die Eidgenossenschaft, und wo
könne es je ein besseres Verhältniß geben? man lasse dem
König die muthwillige Jugend zulaufen, die man ohnehin
nicht zurückzuhalten vermöge, und ziehe dafür von ihm so
große Nutzung. Nur in Zürich bildete sich, und zwar im Zu-
sammenhang mit einer tieferen religiösen Überzeugung, ein fe-
sterer Widerstand: alle andern Orte aber, zuletzt auch Schwyz
und Glarus, die sich am längsten gehalten, gaben nach:
am 5ten Mai 1521, eben indem man zu Rom mit der
Festsetzung jener Pläne beschäftigt war, kam zu Lucern das
Bündniß zu Stande, in welchem der König, der Eidgenos-
senschaft die schon früher bezahlten Pensionen um die Hälfte
zu erhöhen, 1 diese dagegen dem König, so oft er in seinen
Besitzungen angegriffen werde, zu Hülfe zu kommen, ihm
jedes Mal Werbung von 6000 bis 16000 M. zu gestat-
ten versprach. Es ist das die Grundlage aller späteren
Bündnisse zwischen Frankreich und der Schweiz. Welch
eine große Autorität in Europa hätte der Eidgenossenschaft
die Erneuerung eines Verhältnisses zu Mailand geben müs-
sen, wie es von 1512 bis 1515 bestanden! Allein sie ver-
zichtete darauf: sie machte ihren Arm und ihre Kraft, ihre
ganze kriegerische Macht, durch die sie einen Namen erwor-
ben, um jener Geldzahlungen willen den Zwecken der fran-
zösischen Krone dienstbar. Sie that einen neuen Schritt
zu ihrer Trennung von dem Reiche, an das sie durch die
Bande der Nationalität und Geschichte geknüpft war, an
welches angelehnt sie eine großartige Haltung unter den

1 "ut cognoscant intimum amorem liberalitatem benevo-
lentiam et affectionem dicti christianissimi regis in eos." Du
Mont IV, I, p.
334.

Feldzug von 1521.
Fälle bedürfe doch auch die Eidgenoſſenſchaft, und wo
könne es je ein beſſeres Verhältniß geben? man laſſe dem
König die muthwillige Jugend zulaufen, die man ohnehin
nicht zurückzuhalten vermöge, und ziehe dafür von ihm ſo
große Nutzung. Nur in Zürich bildete ſich, und zwar im Zu-
ſammenhang mit einer tieferen religiöſen Überzeugung, ein fe-
ſterer Widerſtand: alle andern Orte aber, zuletzt auch Schwyz
und Glarus, die ſich am längſten gehalten, gaben nach:
am 5ten Mai 1521, eben indem man zu Rom mit der
Feſtſetzung jener Pläne beſchäftigt war, kam zu Lucern das
Bündniß zu Stande, in welchem der König, der Eidgenoſ-
ſenſchaft die ſchon früher bezahlten Penſionen um die Hälfte
zu erhöhen, 1 dieſe dagegen dem König, ſo oft er in ſeinen
Beſitzungen angegriffen werde, zu Hülfe zu kommen, ihm
jedes Mal Werbung von 6000 bis 16000 M. zu geſtat-
ten verſprach. Es iſt das die Grundlage aller ſpäteren
Bündniſſe zwiſchen Frankreich und der Schweiz. Welch
eine große Autorität in Europa hätte der Eidgenoſſenſchaft
die Erneuerung eines Verhältniſſes zu Mailand geben müſ-
ſen, wie es von 1512 bis 1515 beſtanden! Allein ſie ver-
zichtete darauf: ſie machte ihren Arm und ihre Kraft, ihre
ganze kriegeriſche Macht, durch die ſie einen Namen erwor-
ben, um jener Geldzahlungen willen den Zwecken der fran-
zöſiſchen Krone dienſtbar. Sie that einen neuen Schritt
zu ihrer Trennung von dem Reiche, an das ſie durch die
Bande der Nationalität und Geſchichte geknüpft war, an
welches angelehnt ſie eine großartige Haltung unter den

1 „ut cognoscant intimum amorem liberalitatem benevo-
lentiam et affectionem dicti christianissimi regis in eos.“ Du
Mont IV, I, p.
334.
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[263/0273] Feldzug von 1521. Fälle bedürfe doch auch die Eidgenoſſenſchaft, und wo könne es je ein beſſeres Verhältniß geben? man laſſe dem König die muthwillige Jugend zulaufen, die man ohnehin nicht zurückzuhalten vermöge, und ziehe dafür von ihm ſo große Nutzung. Nur in Zürich bildete ſich, und zwar im Zu- ſammenhang mit einer tieferen religiöſen Überzeugung, ein fe- ſterer Widerſtand: alle andern Orte aber, zuletzt auch Schwyz und Glarus, die ſich am längſten gehalten, gaben nach: am 5ten Mai 1521, eben indem man zu Rom mit der Feſtſetzung jener Pläne beſchäftigt war, kam zu Lucern das Bündniß zu Stande, in welchem der König, der Eidgenoſ- ſenſchaft die ſchon früher bezahlten Penſionen um die Hälfte zu erhöhen, 1 dieſe dagegen dem König, ſo oft er in ſeinen Beſitzungen angegriffen werde, zu Hülfe zu kommen, ihm jedes Mal Werbung von 6000 bis 16000 M. zu geſtat- ten verſprach. Es iſt das die Grundlage aller ſpäteren Bündniſſe zwiſchen Frankreich und der Schweiz. Welch eine große Autorität in Europa hätte der Eidgenoſſenſchaft die Erneuerung eines Verhältniſſes zu Mailand geben müſ- ſen, wie es von 1512 bis 1515 beſtanden! Allein ſie ver- zichtete darauf: ſie machte ihren Arm und ihre Kraft, ihre ganze kriegeriſche Macht, durch die ſie einen Namen erwor- ben, um jener Geldzahlungen willen den Zwecken der fran- zöſiſchen Krone dienſtbar. Sie that einen neuen Schritt zu ihrer Trennung von dem Reiche, an das ſie durch die Bande der Nationalität und Geſchichte geknüpft war, an welches angelehnt ſie eine großartige Haltung unter den 1 „ut cognoscant intimum amorem liberalitatem benevo- lentiam et affectionem dicti christianissimi regis in eos.“ Du Mont IV, I, p. 334.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/273>, abgerufen am 30.11.2024.