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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Reichstag zu Augsburg 1525.

Aber noch einige Wochen später war man nicht zahl-
reicher beisammen; auf erneuerte Anregung der Stände hiel-
ten die Commissarien am 30 Dez. eine definitive Versamm-
lung. 1

So viel leuchtete einem Jeden ein, daß bei dieser Un-
vollzähligkeit der Stände und der Bedeutung der obschwe-
benden Fragen nichts Nachhaltiges geschehen könne. Her-
zog Wilhelm trug vor, ob man nicht besser thun werde,
den Reichstag zu verschieben. Die drei Collegien traten
auseinander und waren einhellig dieser Meinung. Sie ver-
legten den Reichstag nach Speier auf den ersten Mai: da
aber müsse ein jeder Fürst in Person erscheinen, da wolle
man "von dem heiligen Glauben, Friede und Recht desto
stattlicher handeln."

Um jedoch wenigstens Etwas gethan zu haben, und
aus Rücksicht auf die noch fortdauernde Gährung der Un-
terthanen, setzte man einen Ausschuß nieder um einen Reichs-
abschied zu verfassen.

Bemerkenswerth ist dabei wohl nur, daß man die
Anordnungen der letzten Reichstage von 1523 und 1524,
daß das Evangelium rein und klar nach Auslegung der
angenommenen Lehrer gepredigt werden solle, wiederholte,
ohne der lateinischen Kirchenväter namentlich, oder auch
des Wormser Edictes zu gedenken. Übrigens versprach
man einander, sich gerüstet zu halten, um jeden Empö-
rungsversuch sogleich zu unterdrücken, und rehabilitirte die
wegen ihrer Theilnahme an dem Aufruhr für infam erklär-
ten in so weit, daß sie an den Gerichtssitzungen Theil

1 Feilitsch und Minkwitz an Churfürst Johann 2 Januar
1526.
Reichstag zu Augsburg 1525.

Aber noch einige Wochen ſpäter war man nicht zahl-
reicher beiſammen; auf erneuerte Anregung der Stände hiel-
ten die Commiſſarien am 30 Dez. eine definitive Verſamm-
lung. 1

So viel leuchtete einem Jeden ein, daß bei dieſer Un-
vollzähligkeit der Stände und der Bedeutung der obſchwe-
benden Fragen nichts Nachhaltiges geſchehen könne. Her-
zog Wilhelm trug vor, ob man nicht beſſer thun werde,
den Reichstag zu verſchieben. Die drei Collegien traten
auseinander und waren einhellig dieſer Meinung. Sie ver-
legten den Reichstag nach Speier auf den erſten Mai: da
aber müſſe ein jeder Fürſt in Perſon erſcheinen, da wolle
man „von dem heiligen Glauben, Friede und Recht deſto
ſtattlicher handeln.“

Um jedoch wenigſtens Etwas gethan zu haben, und
aus Rückſicht auf die noch fortdauernde Gährung der Un-
terthanen, ſetzte man einen Ausſchuß nieder um einen Reichs-
abſchied zu verfaſſen.

Bemerkenswerth iſt dabei wohl nur, daß man die
Anordnungen der letzten Reichstage von 1523 und 1524,
daß das Evangelium rein und klar nach Auslegung der
angenommenen Lehrer gepredigt werden ſolle, wiederholte,
ohne der lateiniſchen Kirchenväter namentlich, oder auch
des Wormſer Edictes zu gedenken. Übrigens verſprach
man einander, ſich gerüſtet zu halten, um jeden Empö-
rungsverſuch ſogleich zu unterdrücken, und rehabilitirte die
wegen ihrer Theilnahme an dem Aufruhr für infam erklär-
ten in ſo weit, daß ſie an den Gerichtsſitzungen Theil

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[245/0255] Reichstag zu Augsburg 1525. Aber noch einige Wochen ſpäter war man nicht zahl- reicher beiſammen; auf erneuerte Anregung der Stände hiel- ten die Commiſſarien am 30 Dez. eine definitive Verſamm- lung. 1 So viel leuchtete einem Jeden ein, daß bei dieſer Un- vollzähligkeit der Stände und der Bedeutung der obſchwe- benden Fragen nichts Nachhaltiges geſchehen könne. Her- zog Wilhelm trug vor, ob man nicht beſſer thun werde, den Reichstag zu verſchieben. Die drei Collegien traten auseinander und waren einhellig dieſer Meinung. Sie ver- legten den Reichstag nach Speier auf den erſten Mai: da aber müſſe ein jeder Fürſt in Perſon erſcheinen, da wolle man „von dem heiligen Glauben, Friede und Recht deſto ſtattlicher handeln.“ Um jedoch wenigſtens Etwas gethan zu haben, und aus Rückſicht auf die noch fortdauernde Gährung der Un- terthanen, ſetzte man einen Ausſchuß nieder um einen Reichs- abſchied zu verfaſſen. Bemerkenswerth iſt dabei wohl nur, daß man die Anordnungen der letzten Reichstage von 1523 und 1524, daß das Evangelium rein und klar nach Auslegung der angenommenen Lehrer gepredigt werden ſolle, wiederholte, ohne der lateiniſchen Kirchenväter namentlich, oder auch des Wormſer Edictes zu gedenken. Übrigens verſprach man einander, ſich gerüſtet zu halten, um jeden Empö- rungsverſuch ſogleich zu unterdrücken, und rehabilitirte die wegen ihrer Theilnahme an dem Aufruhr für infam erklär- ten in ſo weit, daß ſie an den Gerichtsſitzungen Theil 1 Feilitſch und Minkwitz an Churfuͤrſt Johann 2 Januar 1526.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/255>, abgerufen am 12.12.2024.