pfalz im Namen seiner Neffen regierte. Sie beschlossen hier: einmal die Lasten des gemeinen Mannes so viel mög- lich zu erleichtern, sodann aber beim Kaiser nochmals auf eine Kirchenversammlung in deutscher Nation anzutragen, "um sich eines gleichen Verstandes in Auslegung des gött- lichen Wortes zu entschließen."
Im September hielten die Städte eine Versammlung, und schon glaubte Ferdinand, widerwärtige Beschlüsse von derselben fürchten zu müssen; die Abkunft die sie trafen war jedoch nur, bei ihm selbst und dem Kaiser die Noth- wendigkeit daß in Hinsicht der Cerimonien eine einhellige Ordnung im Reiche gemacht werde, in erneute Anregung zu bringen.
Indem man diese Dinge allenthalben in Berathung zog, die mancherlei Möglichkeiten sich vergegenwärtigte, kamen Ideen und Pläne der außerordentlichsten Art in Umlauf.
In einem Entwurfe, der gegen Ende des Jahres 1525 gemacht und auf einer oder ein paar Reichsver- sammlungen zur Sprache gebracht worden ist, geht man davon aus, daß die geistlichen Güter zu nichts mehr nütze seyen, weder für die Religion noch für das Reich: eine Veränderung mit ihnen vorzunehmen, sey unerläßlich, je- doch dürfe man das nicht dem gemeinen Mann überlassen, sondern von der Obrigkeit, d. i. dem Kaiser und den welt- lichen Ständen müsse Hand angelegt werden.
Man hat keine Scheu, eine völlige Säcularisation al- ler geistlichen Güter in Vorschlag zu bringen.
Den geistlichen Fürsten und Prälaten möge man da-
Saͤculariſationsentwurf.
pfalz im Namen ſeiner Neffen regierte. Sie beſchloſſen hier: einmal die Laſten des gemeinen Mannes ſo viel mög- lich zu erleichtern, ſodann aber beim Kaiſer nochmals auf eine Kirchenverſammlung in deutſcher Nation anzutragen, „um ſich eines gleichen Verſtandes in Auslegung des gött- lichen Wortes zu entſchließen.“
Im September hielten die Städte eine Verſammlung, und ſchon glaubte Ferdinand, widerwärtige Beſchlüſſe von derſelben fürchten zu müſſen; die Abkunft die ſie trafen war jedoch nur, bei ihm ſelbſt und dem Kaiſer die Noth- wendigkeit daß in Hinſicht der Cerimonien eine einhellige Ordnung im Reiche gemacht werde, in erneute Anregung zu bringen.
Indem man dieſe Dinge allenthalben in Berathung zog, die mancherlei Möglichkeiten ſich vergegenwärtigte, kamen Ideen und Pläne der außerordentlichſten Art in Umlauf.
In einem Entwurfe, der gegen Ende des Jahres 1525 gemacht und auf einer oder ein paar Reichsver- ſammlungen zur Sprache gebracht worden iſt, geht man davon aus, daß die geiſtlichen Güter zu nichts mehr nütze ſeyen, weder für die Religion noch für das Reich: eine Veränderung mit ihnen vorzunehmen, ſey unerläßlich, je- doch dürfe man das nicht dem gemeinen Mann überlaſſen, ſondern von der Obrigkeit, d. i. dem Kaiſer und den welt- lichen Ständen müſſe Hand angelegt werden.
Man hat keine Scheu, eine völlige Säculariſation al- ler geiſtlichen Güter in Vorſchlag zu bringen.
Den geiſtlichen Fürſten und Prälaten möge man da-
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Saͤculariſationsentwurf.
pfalz im Namen ſeiner Neffen regierte. Sie beſchloſſen
hier: einmal die Laſten des gemeinen Mannes ſo viel mög-
lich zu erleichtern, ſodann aber beim Kaiſer nochmals auf
eine Kirchenverſammlung in deutſcher Nation anzutragen,
„um ſich eines gleichen Verſtandes in Auslegung des gött-
lichen Wortes zu entſchließen.“
Im September hielten die Städte eine Verſammlung,
und ſchon glaubte Ferdinand, widerwärtige Beſchlüſſe von
derſelben fürchten zu müſſen; die Abkunft die ſie trafen
war jedoch nur, bei ihm ſelbſt und dem Kaiſer die Noth-
wendigkeit daß in Hinſicht der Cerimonien eine einhellige
Ordnung im Reiche gemacht werde, in erneute Anregung
zu bringen.
Indem man dieſe Dinge allenthalben in Berathung
zog, die mancherlei Möglichkeiten ſich vergegenwärtigte,
kamen Ideen und Pläne der außerordentlichſten Art in
Umlauf.
In einem Entwurfe, der gegen Ende des Jahres
1525 gemacht und auf einer oder ein paar Reichsver-
ſammlungen zur Sprache gebracht worden iſt, geht man
davon aus, daß die geiſtlichen Güter zu nichts mehr nütze
ſeyen, weder für die Religion noch für das Reich: eine
Veränderung mit ihnen vorzunehmen, ſey unerläßlich, je-
doch dürfe man das nicht dem gemeinen Mann überlaſſen,
ſondern von der Obrigkeit, d. i. dem Kaiſer und den welt-
lichen Ständen müſſe Hand angelegt werden.
Man hat keine Scheu, eine völlige Säculariſation al-
ler geiſtlichen Güter in Vorſchlag zu bringen.
Den geiſtlichen Fürſten und Prälaten möge man da-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/247>, abgerufen am 04.12.2024.
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