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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Sechstes Capitel.
Nachfolgers, des nunmehrigen Churfürsten Johann, mit-
ten in dem gefährlichsten wildesten Aufruhr. An Nachgie-
bigkeit war nicht mehr zu denken: zwischen Friedrich und
Johann ist ein Verhältniß wie zwischen Luthers erster und
zweiter Schrift: von Zweifel und gutem Rath zu entschied-
ner Feindseligkeit. Zur guten Stunde kam ihm Philipp
von Hessen zu Hülfe: auch Herzog Georg und Herzog Hein-
rich erschienen im Felde; vier Fürsten mit ihren Reisigen
zogen dem Bauernhaufen entgegen.

Münzer hatte an der Anhöhe über Frankenhausen eine
Stellung genommen, wo man das lange Thal vor sich
hin übersieht, gleich als wollte er ihnen predigen; aber zur
Vertheidigung bot sie ihm keinen Vortheil dar. Münzer
zeigte eine völlige Unfähigkeit. Nicht einmal Pulver für
seine mühsam gegossenen Stücke hatte er sich verschafft:
seine Leute waren auf das elendeste bewaffnet: eine a[nn]se-
lige Wagenburg hatten sie um sich geschlagen. Der Pro-
phete, der so viel von der Macht der Waffen geredet, der
alle Gottlosen mit der Schärfe des Schwertes vertilgen
wollen, sah sich genöthigt, auf ein Wunder zu zählen, des-
sen Ankündigung er in einem um die Mittagsstunde sich
zeigenden farbigen Ringe um die Sonne erblickte; als das
feindliche Geschütz zu spielen anfieng, stimmten die Bauern
ein geistliches Lied an; sie wurden ganz geschlagen und zum
größten Theile umgebracht. Hierauf ergriff der Schrecken,
den eine halbvollbrachte Missethat begleitet, das ganze Land.
Alle Bauernhaufen liefen auseinander, alle Städte ergaben
sich; auch Mühlhausen fiel, ohne eine rechte Vertheidigung
zu wagen. 1 In dem Lager vor Mühlhausen, wo er eine

1 Die Histori Thomä Muntzers des Anfengers der Döringi-

Drittes Buch. Sechstes Capitel.
Nachfolgers, des nunmehrigen Churfürſten Johann, mit-
ten in dem gefährlichſten wildeſten Aufruhr. An Nachgie-
bigkeit war nicht mehr zu denken: zwiſchen Friedrich und
Johann iſt ein Verhältniß wie zwiſchen Luthers erſter und
zweiter Schrift: von Zweifel und gutem Rath zu entſchied-
ner Feindſeligkeit. Zur guten Stunde kam ihm Philipp
von Heſſen zu Hülfe: auch Herzog Georg und Herzog Hein-
rich erſchienen im Felde; vier Fürſten mit ihren Reiſigen
zogen dem Bauernhaufen entgegen.

Münzer hatte an der Anhöhe über Frankenhauſen eine
Stellung genommen, wo man das lange Thal vor ſich
hin überſieht, gleich als wollte er ihnen predigen; aber zur
Vertheidigung bot ſie ihm keinen Vortheil dar. Münzer
zeigte eine völlige Unfähigkeit. Nicht einmal Pulver für
ſeine mühſam gegoſſenen Stücke hatte er ſich verſchafft:
ſeine Leute waren auf das elendeſte bewaffnet: eine a[nn]ſe-
lige Wagenburg hatten ſie um ſich geſchlagen. Der Pro-
phete, der ſo viel von der Macht der Waffen geredet, der
alle Gottloſen mit der Schärfe des Schwertes vertilgen
wollen, ſah ſich genöthigt, auf ein Wunder zu zählen, deſ-
ſen Ankündigung er in einem um die Mittagsſtunde ſich
zeigenden farbigen Ringe um die Sonne erblickte; als das
feindliche Geſchütz zu ſpielen anfieng, ſtimmten die Bauern
ein geiſtliches Lied an; ſie wurden ganz geſchlagen und zum
größten Theile umgebracht. Hierauf ergriff der Schrecken,
den eine halbvollbrachte Miſſethat begleitet, das ganze Land.
Alle Bauernhaufen liefen auseinander, alle Städte ergaben
ſich; auch Mühlhauſen fiel, ohne eine rechte Vertheidigung
zu wagen. 1 In dem Lager vor Mühlhauſen, wo er eine

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[216/0226] Drittes Buch. Sechstes Capitel. Nachfolgers, des nunmehrigen Churfürſten Johann, mit- ten in dem gefährlichſten wildeſten Aufruhr. An Nachgie- bigkeit war nicht mehr zu denken: zwiſchen Friedrich und Johann iſt ein Verhältniß wie zwiſchen Luthers erſter und zweiter Schrift: von Zweifel und gutem Rath zu entſchied- ner Feindſeligkeit. Zur guten Stunde kam ihm Philipp von Heſſen zu Hülfe: auch Herzog Georg und Herzog Hein- rich erſchienen im Felde; vier Fürſten mit ihren Reiſigen zogen dem Bauernhaufen entgegen. Münzer hatte an der Anhöhe über Frankenhauſen eine Stellung genommen, wo man das lange Thal vor ſich hin überſieht, gleich als wollte er ihnen predigen; aber zur Vertheidigung bot ſie ihm keinen Vortheil dar. Münzer zeigte eine völlige Unfähigkeit. Nicht einmal Pulver für ſeine mühſam gegoſſenen Stücke hatte er ſich verſchafft: ſeine Leute waren auf das elendeſte bewaffnet: eine annſe- lige Wagenburg hatten ſie um ſich geſchlagen. Der Pro- phete, der ſo viel von der Macht der Waffen geredet, der alle Gottloſen mit der Schärfe des Schwertes vertilgen wollen, ſah ſich genöthigt, auf ein Wunder zu zählen, deſ- ſen Ankündigung er in einem um die Mittagsſtunde ſich zeigenden farbigen Ringe um die Sonne erblickte; als das feindliche Geſchütz zu ſpielen anfieng, ſtimmten die Bauern ein geiſtliches Lied an; ſie wurden ganz geſchlagen und zum größten Theile umgebracht. Hierauf ergriff der Schrecken, den eine halbvollbrachte Miſſethat begleitet, das ganze Land. Alle Bauernhaufen liefen auseinander, alle Städte ergaben ſich; auch Mühlhauſen fiel, ohne eine rechte Vertheidigung zu wagen. 1 In dem Lager vor Mühlhauſen, wo er eine 1 Die Hiſtori Thomaͤ Muntzers des Anfengers der Doͤringi-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/226>, abgerufen am 12.12.2024.