Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Drittes Buch. Sechstes Capitel. Wien und Neustadt sprachen die Hauerknechte in den Wein-bergen von einer Verbindung, die es ihnen möglich mache, binnen wenigen Stunden bei zehntausend Mann ins Feld zu stellen. 1 Indessen war der Aufruhr auch in Thüringen losgebro- Es sollte fast scheinen, als hätten in Thüringen und 1 Schreiben von Hofrath und Renntkammer bei Bucholtz VIII. p. 88. 2 Nach Johann Lindners Onomasticon (bei Mencken II, p.
1521) war diese Secte besonders in Aschersleben und Sangerhau- sen im Gange. Nach einem Document welches Förstemann in den Provincialblättern für Sachsen mittheilt (1838 nr. 232) finden wir noch eine Inquisition auf dem Schlosse Hoym gegen einen Geißler im J. 1481. Ein Anschließungspunct möchte seyn, daß auch jene ihren Prediger als Propheten behandelten, in ihm den Richter am jüngsten Tage zu sehen meinten. Doch ist freilich alles metamorphosirt. Drittes Buch. Sechstes Capitel. Wien und Neuſtadt ſprachen die Hauerknechte in den Wein-bergen von einer Verbindung, die es ihnen möglich mache, binnen wenigen Stunden bei zehntauſend Mann ins Feld zu ſtellen. 1 Indeſſen war der Aufruhr auch in Thüringen losgebro- Es ſollte faſt ſcheinen, als hätten in Thüringen und 1 Schreiben von Hofrath und Renntkammer bei Bucholtz VIII. p. 88. 2 Nach Johann Lindners Onomaſticon (bei Mencken II, p.
1521) war dieſe Secte beſonders in Aſchersleben und Sangerhau- ſen im Gange. Nach einem Document welches Foͤrſtemann in den Provincialblaͤttern fuͤr Sachſen mittheilt (1838 nr. 232) finden wir noch eine Inquiſition auf dem Schloſſe Hoym gegen einen Geißler im J. 1481. Ein Anſchließungspunct moͤchte ſeyn, daß auch jene ihren Prediger als Propheten behandelten, in ihm den Richter am juͤngſten Tage zu ſehen meinten. Doch iſt freilich alles metamorphoſirt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0216" n="206"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Buch. Sechstes Capitel</hi>.</fw><lb/> Wien und Neuſtadt ſprachen die Hauerknechte in den Wein-<lb/> bergen von einer Verbindung, die es ihnen möglich mache,<lb/> binnen wenigen Stunden bei zehntauſend Mann ins Feld<lb/> zu ſtellen. <note place="foot" n="1">Schreiben von Hofrath und Renntkammer bei Bucholtz <hi rendition="#aq">VIII.<lb/> p.</hi> 88.</note></p><lb/> <p>Indeſſen war der Aufruhr auch in Thüringen losgebro-<lb/> chen, und da in ein neues Stadium ſeiner Entwickelung<lb/> getreten.</p><lb/> <p>Es ſollte faſt ſcheinen, als hätten in Thüringen und<lb/> am Harz Überlieferungen des flagellantiſchen Spiritualis-<lb/> mus, deſſen Spuren wir dort noch bis ans Ende des funf-<lb/> zehnten Jahrhunderts begleiten, <note place="foot" n="2">Nach Johann Lindners Onomaſticon (bei Mencken <hi rendition="#aq">II, p.</hi><lb/> 1521) war dieſe Secte beſonders in Aſchersleben und Sangerhau-<lb/> ſen im Gange. Nach einem Document welches Foͤrſtemann in den<lb/> Provincialblaͤttern fuͤr Sachſen mittheilt (1838 <hi rendition="#aq">nr.</hi> 232) finden wir<lb/> noch eine Inquiſition auf dem Schloſſe Hoym gegen einen Geißler<lb/> im J. 1481. Ein Anſchließungspunct moͤchte ſeyn, daß auch jene<lb/> ihren Prediger als Propheten behandelten, in ihm den Richter am<lb/> juͤngſten Tage zu ſehen meinten. Doch iſt freilich alles metamorphoſirt.</note> den Boden für die bäuri-<lb/> ſchen Unruhen vorbereitet. Wenigſtens waren hier die Mo-<lb/> tive religiöſer Schwärmerei noch ſtärker als die politiſchen.<lb/> Jene Meinungen, welche Luther einſt in Wittenberg be-<lb/> ſiegt, gegen deren Feſtſetzung in Thüringen er ſeinen Fürſten<lb/> gewarnt, fanden jetzt Gehör bei einer großen aufgeregten Po-<lb/> pulation. Münzer war nach Thüringen zurückgekehrt: in<lb/> Mühlhauſen, wo wie in Rothenburg durch das Einver-<lb/> ſtändniß des Landvolkes und der geringeren Bürgerclaſſe<lb/> eine Änderung der Verfaſſung und des Rathes herbeige-<lb/> führt worden war, hatte er Aufnahme gefunden, und die<lb/> Gährung in weiten Kreiſen um ſich her verbreitet. Er ver-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [206/0216]
Drittes Buch. Sechstes Capitel.
Wien und Neuſtadt ſprachen die Hauerknechte in den Wein-
bergen von einer Verbindung, die es ihnen möglich mache,
binnen wenigen Stunden bei zehntauſend Mann ins Feld
zu ſtellen. 1
Indeſſen war der Aufruhr auch in Thüringen losgebro-
chen, und da in ein neues Stadium ſeiner Entwickelung
getreten.
Es ſollte faſt ſcheinen, als hätten in Thüringen und
am Harz Überlieferungen des flagellantiſchen Spiritualis-
mus, deſſen Spuren wir dort noch bis ans Ende des funf-
zehnten Jahrhunderts begleiten, 2 den Boden für die bäuri-
ſchen Unruhen vorbereitet. Wenigſtens waren hier die Mo-
tive religiöſer Schwärmerei noch ſtärker als die politiſchen.
Jene Meinungen, welche Luther einſt in Wittenberg be-
ſiegt, gegen deren Feſtſetzung in Thüringen er ſeinen Fürſten
gewarnt, fanden jetzt Gehör bei einer großen aufgeregten Po-
pulation. Münzer war nach Thüringen zurückgekehrt: in
Mühlhauſen, wo wie in Rothenburg durch das Einver-
ſtändniß des Landvolkes und der geringeren Bürgerclaſſe
eine Änderung der Verfaſſung und des Rathes herbeige-
führt worden war, hatte er Aufnahme gefunden, und die
Gährung in weiten Kreiſen um ſich her verbreitet. Er ver-
1 Schreiben von Hofrath und Renntkammer bei Bucholtz VIII.
p. 88.
2 Nach Johann Lindners Onomaſticon (bei Mencken II, p.
1521) war dieſe Secte beſonders in Aſchersleben und Sangerhau-
ſen im Gange. Nach einem Document welches Foͤrſtemann in den
Provincialblaͤttern fuͤr Sachſen mittheilt (1838 nr. 232) finden wir
noch eine Inquiſition auf dem Schloſſe Hoym gegen einen Geißler
im J. 1481. Ein Anſchließungspunct moͤchte ſeyn, daß auch jene
ihren Prediger als Propheten behandelten, in ihm den Richter am
juͤngſten Tage zu ſehen meinten. Doch iſt freilich alles metamorphoſirt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |