Die öffentliche Ordnung beruht immer auf zwei Mo- menten, einmal dem sichern Bestehn der herrschenden Ge- walten, sodann der Meinung, die wenn nicht in jeder Ein- zelnheit, denn das wäre weder zu wünschen noch auch mög- lich, doch im Allgemeinen das Bestehende billigt, damit übereinstimmt.
Zu jeder Zeit wird es Streitigkeiten über die Staats- verwaltung geben: so lange dabei die Grundlage der all- gemeinen Überzeugung unerschüttert bleibt, haben sie eine so große Gefahr nicht. Unaufhörlich schwanken die Mei- nungen, bilden sich weiter: so lange ihnen eine starke öf- fentliche Macht zur Seite steht, die ja an der Entwickelung selber Theil nehmen muß, ist keine gewaltsame Bewegung da- von zu besorgen.
Sobald aber in demselben Augenblicke die constituir- ten Mächte irre werden, schwanken, sich anfeinden, und Meinungen die Herrschaft erlangen, die sich dem Bestehen- den in seinem Wesen entgegensetzen, dann treten die gro- ßen Gefahren ein.
Sechstes Capitel. Der Bauernkrieg.
Die öffentliche Ordnung beruht immer auf zwei Mo- menten, einmal dem ſichern Beſtehn der herrſchenden Ge- walten, ſodann der Meinung, die wenn nicht in jeder Ein- zelnheit, denn das wäre weder zu wünſchen noch auch mög- lich, doch im Allgemeinen das Beſtehende billigt, damit übereinſtimmt.
Zu jeder Zeit wird es Streitigkeiten über die Staats- verwaltung geben: ſo lange dabei die Grundlage der all- gemeinen Überzeugung unerſchüttert bleibt, haben ſie eine ſo große Gefahr nicht. Unaufhörlich ſchwanken die Mei- nungen, bilden ſich weiter: ſo lange ihnen eine ſtarke öf- fentliche Macht zur Seite ſteht, die ja an der Entwickelung ſelber Theil nehmen muß, iſt keine gewaltſame Bewegung da- von zu beſorgen.
Sobald aber in demſelben Augenblicke die conſtituir- ten Mächte irre werden, ſchwanken, ſich anfeinden, und Meinungen die Herrſchaft erlangen, die ſich dem Beſtehen- den in ſeinem Weſen entgegenſetzen, dann treten die gro- ßen Gefahren ein.
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[[182]/0192]
Sechstes Capitel.
Der Bauernkrieg.
Die öffentliche Ordnung beruht immer auf zwei Mo-
menten, einmal dem ſichern Beſtehn der herrſchenden Ge-
walten, ſodann der Meinung, die wenn nicht in jeder Ein-
zelnheit, denn das wäre weder zu wünſchen noch auch mög-
lich, doch im Allgemeinen das Beſtehende billigt, damit
übereinſtimmt.
Zu jeder Zeit wird es Streitigkeiten über die Staats-
verwaltung geben: ſo lange dabei die Grundlage der all-
gemeinen Überzeugung unerſchüttert bleibt, haben ſie eine
ſo große Gefahr nicht. Unaufhörlich ſchwanken die Mei-
nungen, bilden ſich weiter: ſo lange ihnen eine ſtarke öf-
fentliche Macht zur Seite ſteht, die ja an der Entwickelung
ſelber Theil nehmen muß, iſt keine gewaltſame Bewegung da-
von zu beſorgen.
Sobald aber in demſelben Augenblicke die conſtituir-
ten Mächte irre werden, ſchwanken, ſich anfeinden, und
Meinungen die Herrſchaft erlangen, die ſich dem Beſtehen-
den in ſeinem Weſen entgegenſetzen, dann treten die gro-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. [182]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/192>, abgerufen am 27.11.2024.
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