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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Erstes Capitel.
Unruhen in Wittenberg.
October 1521 bis März 1522.

Noch einmal hatte sich in Deutschland die höchste welt-
liche Gewalt mit dem Papstthum verbündet, und im ersten
Augenblick machte das doch einen großen Eindruck. Das
Wormser Edict ward allenthalben verkündigt, und hie und
da wurden die Beichtväter von den Bischöfen instruirt, Nie-
manden zu absolviren, der sich lutherischer Meinungen schul-
dig mache. Luthern selbst wußte sein Fürst nur dadurch
zu retten, daß er ihn auf der Reise im Thüringer Wald
überfallen, zum Schein gefangen nehmen und nach der
Wartburg führen ließ, wo er ihm eine Freistatt bestimmt
hatte. Man breitete aus, er sey von einem Feinde des
Churfürsten aufgehoben und vielleicht getödtet worden.

Allein sehr bald zeigte sich doch, wie wenig damit er-
reicht war.

Wo Carl selbst sich aufhielt, in seinen niederländischen
Städten brachte man wohl Luthers Schriften zu Hauf und
verbrannte sie; man sah den Kaiser ironisch lächeln, wenn
er über einen Marktplatz gehend an so einem Feuer vorüber
kam; in dem innern Deutschland hören wir nichts von

Erſtes Capitel.
Unruhen in Wittenberg.
October 1521 bis März 1522.

Noch einmal hatte ſich in Deutſchland die höchſte welt-
liche Gewalt mit dem Papſtthum verbündet, und im erſten
Augenblick machte das doch einen großen Eindruck. Das
Wormſer Edict ward allenthalben verkündigt, und hie und
da wurden die Beichtväter von den Biſchöfen inſtruirt, Nie-
manden zu abſolviren, der ſich lutheriſcher Meinungen ſchul-
dig mache. Luthern ſelbſt wußte ſein Fürſt nur dadurch
zu retten, daß er ihn auf der Reiſe im Thüringer Wald
überfallen, zum Schein gefangen nehmen und nach der
Wartburg führen ließ, wo er ihm eine Freiſtatt beſtimmt
hatte. Man breitete aus, er ſey von einem Feinde des
Churfürſten aufgehoben und vielleicht getödtet worden.

Allein ſehr bald zeigte ſich doch, wie wenig damit er-
reicht war.

Wo Carl ſelbſt ſich aufhielt, in ſeinen niederländiſchen
Städten brachte man wohl Luthers Schriften zu Hauf und
verbrannte ſie; man ſah den Kaiſer ironiſch lächeln, wenn
er über einen Marktplatz gehend an ſo einem Feuer vorüber
kam; in dem innern Deutſchland hören wir nichts von

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[[8]/0018] Erſtes Capitel. Unruhen in Wittenberg. October 1521 bis März 1522. Noch einmal hatte ſich in Deutſchland die höchſte welt- liche Gewalt mit dem Papſtthum verbündet, und im erſten Augenblick machte das doch einen großen Eindruck. Das Wormſer Edict ward allenthalben verkündigt, und hie und da wurden die Beichtväter von den Biſchöfen inſtruirt, Nie- manden zu abſolviren, der ſich lutheriſcher Meinungen ſchul- dig mache. Luthern ſelbſt wußte ſein Fürſt nur dadurch zu retten, daß er ihn auf der Reiſe im Thüringer Wald überfallen, zum Schein gefangen nehmen und nach der Wartburg führen ließ, wo er ihm eine Freiſtatt beſtimmt hatte. Man breitete aus, er ſey von einem Feinde des Churfürſten aufgehoben und vielleicht getödtet worden. Allein ſehr bald zeigte ſich doch, wie wenig damit er- reicht war. Wo Carl ſelbſt ſich aufhielt, in ſeinen niederländiſchen Städten brachte man wohl Luthers Schriften zu Hauf und verbrannte ſie; man ſah den Kaiſer ironiſch lächeln, wenn er über einen Marktplatz gehend an ſo einem Feuer vorüber kam; in dem innern Deutſchland hören wir nichts von

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. [8]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/18>, abgerufen am 21.11.2024.