Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Buch. Viertes Capitel.
üben wollen, während das doch allein dem Kammergericht
zustehe. 1 Der Bischof von Würzburg warf dem Regi-
mente unverholen Begünstigung der neuen Meinungen
vor: ein paar Capitularen, die er vor das geistliche Ge-
richt gestellt, weil sie sich verheirathet, habe es freigegeben:
einen Chorherrn, der wegen lutherischer Grundsätze verjagt
worden, habe es mit sicherm Geleite unterstützt. So vie-
len feindseligen Einflüssen gegenüber war doch die bishe-
rige Majorität nicht compact genug. Nach einigen De-
batten einigem Schwanken schlug sie zum Nachtheil des
Regimentes um. So weit gieng man zwar nicht, daß
man gradezu auf die Auflösung desselben angetragen hätte,
man beschloß aber, am 20sten Februar, über seine Erhal-
tung nicht berathschlagen zu wollen, wofern es nicht vor
allen Dingen anders besetzt sey: in die bisherige Besetzung
könne man nicht mehr willigen.

Auch damit aber war doch schon die Sache entschie-
den. Es kam darauf an, aus der Mitte der Stände eine
kräftige Regierung hervorgehn zu lassen: was ließ sich aber
in Zukunft erwarten, wenn die Mitglieder des bisherigen
Collegiums, welche ihre Pflicht sehr ernstlich genommen
und wirklich einmal zu regieren angefangen hatten, abgesetzt
wurden, ohne daß man ihnen irgend eine der Rede werthe
Verschuldung hätte nachweisen können. Welchen Muth,
welche Selbständigkeit konnten Deren Nachfolger haben!


1 Holzhausen 12 Febr. 1524. Aus diesem Schreiben ergiebt
sich, daß in der Monopoliensache nur Augsburg den Reichsbeschlüs-
sen Widerstand leistete. Alle übrigen Städte waren für die Abschaf-
fung derselben. Dr Rolinger hatte den die Monopolien betreffenden
Artikel eigenmächtig in die den Gesandten nach Spanien mitgegebene
Instruction gebracht.

Drittes Buch. Viertes Capitel.
üben wollen, während das doch allein dem Kammergericht
zuſtehe. 1 Der Biſchof von Würzburg warf dem Regi-
mente unverholen Begünſtigung der neuen Meinungen
vor: ein paar Capitularen, die er vor das geiſtliche Ge-
richt geſtellt, weil ſie ſich verheirathet, habe es freigegeben:
einen Chorherrn, der wegen lutheriſcher Grundſätze verjagt
worden, habe es mit ſicherm Geleite unterſtützt. So vie-
len feindſeligen Einflüſſen gegenüber war doch die bishe-
rige Majorität nicht compact genug. Nach einigen De-
batten einigem Schwanken ſchlug ſie zum Nachtheil des
Regimentes um. So weit gieng man zwar nicht, daß
man gradezu auf die Auflöſung deſſelben angetragen hätte,
man beſchloß aber, am 20ſten Februar, über ſeine Erhal-
tung nicht berathſchlagen zu wollen, wofern es nicht vor
allen Dingen anders beſetzt ſey: in die bisherige Beſetzung
könne man nicht mehr willigen.

Auch damit aber war doch ſchon die Sache entſchie-
den. Es kam darauf an, aus der Mitte der Stände eine
kräftige Regierung hervorgehn zu laſſen: was ließ ſich aber
in Zukunft erwarten, wenn die Mitglieder des bisherigen
Collegiums, welche ihre Pflicht ſehr ernſtlich genommen
und wirklich einmal zu regieren angefangen hatten, abgeſetzt
wurden, ohne daß man ihnen irgend eine der Rede werthe
Verſchuldung hätte nachweiſen können. Welchen Muth,
welche Selbſtändigkeit konnten Deren Nachfolger haben!


1 Holzhauſen 12 Febr. 1524. Aus dieſem Schreiben ergiebt
ſich, daß in der Monopolienſache nur Augsburg den Reichsbeſchluͤſ-
ſen Widerſtand leiſtete. Alle uͤbrigen Staͤdte waren fuͤr die Abſchaf-
fung derſelben. Dr Rolinger hatte den die Monopolien betreffenden
Artikel eigenmaͤchtig in die den Geſandten nach Spanien mitgegebene
Inſtruction gebracht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0146" n="136"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/>
üben wollen, während das doch allein dem Kammergericht<lb/>
zu&#x017F;tehe. <note place="foot" n="1">Holzhau&#x017F;en 12 Febr. 1524. Aus die&#x017F;em Schreiben ergiebt<lb/>
&#x017F;ich, daß in der Monopolien&#x017F;ache nur Augsburg den Reichsbe&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Wider&#x017F;tand lei&#x017F;tete. Alle u&#x0364;brigen Sta&#x0364;dte waren fu&#x0364;r die Ab&#x017F;chaf-<lb/>
fung der&#x017F;elben. Dr Rolinger hatte den die Monopolien betreffenden<lb/>
Artikel eigenma&#x0364;chtig in die den Ge&#x017F;andten nach Spanien mitgegebene<lb/>
In&#x017F;truction gebracht.</note> Der Bi&#x017F;chof von Würzburg warf dem Regi-<lb/>
mente unverholen Begün&#x017F;tigung der neuen Meinungen<lb/>
vor: ein paar Capitularen, die er vor das gei&#x017F;tliche Ge-<lb/>
richt ge&#x017F;tellt, weil &#x017F;ie &#x017F;ich verheirathet, habe es freigegeben:<lb/>
einen Chorherrn, der wegen lutheri&#x017F;cher Grund&#x017F;ätze verjagt<lb/>
worden, habe es mit &#x017F;icherm Geleite unter&#x017F;tützt. So vie-<lb/>
len feind&#x017F;eligen Einflü&#x017F;&#x017F;en gegenüber war doch die bishe-<lb/>
rige Majorität nicht compact genug. Nach einigen De-<lb/>
batten einigem Schwanken &#x017F;chlug &#x017F;ie zum Nachtheil des<lb/>
Regimentes um. So weit gieng man zwar nicht, daß<lb/>
man gradezu auf die Auflö&#x017F;ung de&#x017F;&#x017F;elben angetragen hätte,<lb/>
man be&#x017F;chloß aber, am 20&#x017F;ten Februar, über &#x017F;eine Erhal-<lb/>
tung nicht berath&#x017F;chlagen zu wollen, wofern es nicht vor<lb/>
allen Dingen anders be&#x017F;etzt &#x017F;ey: in die bisherige Be&#x017F;etzung<lb/>
könne man nicht mehr willigen.</p><lb/>
            <p>Auch damit aber war doch &#x017F;chon die Sache ent&#x017F;chie-<lb/>
den. Es kam darauf an, aus der Mitte der Stände eine<lb/>
kräftige Regierung hervorgehn zu la&#x017F;&#x017F;en: was ließ &#x017F;ich aber<lb/>
in Zukunft erwarten, wenn die Mitglieder des bisherigen<lb/>
Collegiums, welche ihre Pflicht &#x017F;ehr ern&#x017F;tlich genommen<lb/>
und wirklich einmal zu regieren angefangen hatten, abge&#x017F;etzt<lb/>
wurden, ohne daß man ihnen irgend eine der Rede werthe<lb/>
Ver&#x017F;chuldung hätte nachwei&#x017F;en können. Welchen Muth,<lb/>
welche Selb&#x017F;tändigkeit konnten Deren Nachfolger haben!</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0146] Drittes Buch. Viertes Capitel. üben wollen, während das doch allein dem Kammergericht zuſtehe. 1 Der Biſchof von Würzburg warf dem Regi- mente unverholen Begünſtigung der neuen Meinungen vor: ein paar Capitularen, die er vor das geiſtliche Ge- richt geſtellt, weil ſie ſich verheirathet, habe es freigegeben: einen Chorherrn, der wegen lutheriſcher Grundſätze verjagt worden, habe es mit ſicherm Geleite unterſtützt. So vie- len feindſeligen Einflüſſen gegenüber war doch die bishe- rige Majorität nicht compact genug. Nach einigen De- batten einigem Schwanken ſchlug ſie zum Nachtheil des Regimentes um. So weit gieng man zwar nicht, daß man gradezu auf die Auflöſung deſſelben angetragen hätte, man beſchloß aber, am 20ſten Februar, über ſeine Erhal- tung nicht berathſchlagen zu wollen, wofern es nicht vor allen Dingen anders beſetzt ſey: in die bisherige Beſetzung könne man nicht mehr willigen. Auch damit aber war doch ſchon die Sache entſchie- den. Es kam darauf an, aus der Mitte der Stände eine kräftige Regierung hervorgehn zu laſſen: was ließ ſich aber in Zukunft erwarten, wenn die Mitglieder des bisherigen Collegiums, welche ihre Pflicht ſehr ernſtlich genommen und wirklich einmal zu regieren angefangen hatten, abgeſetzt wurden, ohne daß man ihnen irgend eine der Rede werthe Verſchuldung hätte nachweiſen können. Welchen Muth, welche Selbſtändigkeit konnten Deren Nachfolger haben! 1 Holzhauſen 12 Febr. 1524. Aus dieſem Schreiben ergiebt ſich, daß in der Monopolienſache nur Augsburg den Reichsbeſchluͤſ- ſen Widerſtand leiſtete. Alle uͤbrigen Staͤdte waren fuͤr die Abſchaf- fung derſelben. Dr Rolinger hatte den die Monopolien betreffenden Artikel eigenmaͤchtig in die den Geſandten nach Spanien mitgegebene Inſtruction gebracht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/146
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/146>, abgerufen am 27.11.2024.