Die Fürsten wollten ihm keinen freien Abzug zuge- stehn, worauf er der Sitte gemäß angetragen: er sagte, ich will nicht lange ihr Gefangner seyn. Kaum hatte er noch Kräfte die Artikel zu unterschreiben; in seinem Burgge- wölbe lag er im Sterben, als die Fürsten daselbst eintraten.
Der Churfürst von Trier sagte: was hast du mich geziehen Franz, daß du mich und meine armen Leute im Stift überfallen hast? Und mich, fügte der Landgraf hinzu, daß du mein Land in meinen unmündigen Jahren überzo- gest? Sickingen erwiederte: ich habe jetzt einem größern Herrn Rede zu stehen.
Sein Caplan Nicolaus fragte ihn, ob er zu beichten verlange. Er antwortete: ich habe Gott in meinem Her- zen gebeichtet.
Der Caplan rief ihm Worte des letzten Trostes zu, und hob die Hostie empor. Die Fürsten entblösten ihr Haupt und knieten nieder: in diesem Augenblick verschied Sickingen: die Fürsten beteten ein Vaterunser für seine Seele. 1
Sickingen wird immer unvergeßlich bleiben: nicht gerade wegen großer Thaten von nachwirkendem Gehalt die er ausgeführt, auch nicht wegen einer außerordentlichen Tapferkeit, moralisch bedeutender Vorzüge die er entwickelt hätte, sondern wegen der neuen und großartigen Stellung in die er allmählig gelangte. Was ihn zuerst emporbrachte, war sein Verhältniß zu dem Churfürsten von der Pfalz, der ihn gegen seine Feinde brauchte, ihm Raum machte,
1 Den glaubwürdigsten Bericht enthält die Flersheimer Chro- nik bei Münch III, 222.
Drittes Buch. Viertes Capitel.
Die Fürſten wollten ihm keinen freien Abzug zuge- ſtehn, worauf er der Sitte gemäß angetragen: er ſagte, ich will nicht lange ihr Gefangner ſeyn. Kaum hatte er noch Kräfte die Artikel zu unterſchreiben; in ſeinem Burgge- wölbe lag er im Sterben, als die Fürſten daſelbſt eintraten.
Der Churfürſt von Trier ſagte: was haſt du mich geziehen Franz, daß du mich und meine armen Leute im Stift überfallen haſt? Und mich, fügte der Landgraf hinzu, daß du mein Land in meinen unmündigen Jahren überzo- geſt? Sickingen erwiederte: ich habe jetzt einem größern Herrn Rede zu ſtehen.
Sein Caplan Nicolaus fragte ihn, ob er zu beichten verlange. Er antwortete: ich habe Gott in meinem Her- zen gebeichtet.
Der Caplan rief ihm Worte des letzten Troſtes zu, und hob die Hoſtie empor. Die Fürſten entblöſten ihr Haupt und knieten nieder: in dieſem Augenblick verſchied Sickingen: die Fürſten beteten ein Vaterunſer für ſeine Seele. 1
Sickingen wird immer unvergeßlich bleiben: nicht gerade wegen großer Thaten von nachwirkendem Gehalt die er ausgeführt, auch nicht wegen einer außerordentlichen Tapferkeit, moraliſch bedeutender Vorzüge die er entwickelt hätte, ſondern wegen der neuen und großartigen Stellung in die er allmählig gelangte. Was ihn zuerſt emporbrachte, war ſein Verhältniß zu dem Churfürſten von der Pfalz, der ihn gegen ſeine Feinde brauchte, ihm Raum machte,
1 Den glaubwuͤrdigſten Bericht enthaͤlt die Flersheimer Chro- nik bei Muͤnch III, 222.
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Drittes Buch. Viertes Capitel.
Die Fürſten wollten ihm keinen freien Abzug zuge-
ſtehn, worauf er der Sitte gemäß angetragen: er ſagte,
ich will nicht lange ihr Gefangner ſeyn. Kaum hatte er
noch Kräfte die Artikel zu unterſchreiben; in ſeinem Burgge-
wölbe lag er im Sterben, als die Fürſten daſelbſt eintraten.
Der Churfürſt von Trier ſagte: was haſt du mich
geziehen Franz, daß du mich und meine armen Leute im
Stift überfallen haſt? Und mich, fügte der Landgraf hinzu,
daß du mein Land in meinen unmündigen Jahren überzo-
geſt? Sickingen erwiederte: ich habe jetzt einem größern
Herrn Rede zu ſtehen.
Sein Caplan Nicolaus fragte ihn, ob er zu beichten
verlange. Er antwortete: ich habe Gott in meinem Her-
zen gebeichtet.
Der Caplan rief ihm Worte des letzten Troſtes zu,
und hob die Hoſtie empor. Die Fürſten entblöſten ihr
Haupt und knieten nieder: in dieſem Augenblick verſchied
Sickingen: die Fürſten beteten ein Vaterunſer für ſeine
Seele. 1
Sickingen wird immer unvergeßlich bleiben: nicht
gerade wegen großer Thaten von nachwirkendem Gehalt
die er ausgeführt, auch nicht wegen einer außerordentlichen
Tapferkeit, moraliſch bedeutender Vorzüge die er entwickelt
hätte, ſondern wegen der neuen und großartigen Stellung
in die er allmählig gelangte. Was ihn zuerſt emporbrachte,
war ſein Verhältniß zu dem Churfürſten von der Pfalz,
der ihn gegen ſeine Feinde brauchte, ihm Raum machte,
1 Den glaubwuͤrdigſten Bericht enthaͤlt die Flersheimer Chro-
nik bei Muͤnch III, 222.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/128>, abgerufen am 27.11.2024.
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