Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Sickingen.
durch Geld zusammengehalten werden konnte, mit allem
Apparat einer dem Ritterthum wesentlich entgegengesetzten
Kriegskunst. Wunderbarer Anblick, wie die beherrschenden
Kräfte verschiedener Zeitalter hier einander berühren und
der Gedanke aufkommt, als könnten sie sich vereinigen, mit
einander gehn. Wir können heut zu Tag wohl einsehn,
wie unmöglich dieß war. Denn nur in lebendigem und
wahrem Einverständniß mit dem Fortgang der Weltent-
wickelung wird sich etwas Haltbares gründen lassen. Aber
auch damals sah man ein, daß wenn das Fürstenthum
besiegt, die noch keineswegs fest begründete Reichsordnung
gewaltsam zertrümmert worden, nichts als ein ausschlie-
ßendes wildes und doch wieder in sich selbst widersprechen-
des Regiment des Adels zu erwarten sey.

Es kam nun darauf an, wer die Vertheidigung der
gefährdeten Ordnungen übernehmen würde.

Das Regiment that so viel es vermochte. Abmahnun-
gen ergiengen an Sickingen: Mandate an alle benachbarte
Fürsten, sich seinem Vorhaben zu widersetzen. Auf Sickingen
jedoch machten die Mahnungen des Regimentes wenig Ein-
druck. Er entgegnete, er selber gedenke eine neue Ord-
nung im Reiche einzuführen. 1 Von einer Entscheidung
des Kammergerichts wollte er nichts wissen: er sagte, er

1 Planitz an Churf. Friedrich 13 Sept. Sickingen habe ge-
sagt, er wolle sich eines Thuns unterstehn, dessen sich kein Römischer
Kaiser unterstanden. 28 Spt. er habe den Boten des Regiments
gesagt: er wißt vorwar, sein Herr der Kaiser werde nicht zürnen,
ob er den Pfaffen ein wenig strafet und ihm die Kronen eintränkt,
die er genommen hätte. Wirklich fieng man an zu glauben der Kaiser
möge gar mit ihm einverstanden seyn. Der Kaiser sagte später, Franz
habe ihm nicht so gut gedient um ihm Dinge dieser Art nachzusehen.

Sickingen.
durch Geld zuſammengehalten werden konnte, mit allem
Apparat einer dem Ritterthum weſentlich entgegengeſetzten
Kriegskunſt. Wunderbarer Anblick, wie die beherrſchenden
Kräfte verſchiedener Zeitalter hier einander berühren und
der Gedanke aufkommt, als könnten ſie ſich vereinigen, mit
einander gehn. Wir können heut zu Tag wohl einſehn,
wie unmöglich dieß war. Denn nur in lebendigem und
wahrem Einverſtändniß mit dem Fortgang der Weltent-
wickelung wird ſich etwas Haltbares gründen laſſen. Aber
auch damals ſah man ein, daß wenn das Fürſtenthum
beſiegt, die noch keineswegs feſt begründete Reichsordnung
gewaltſam zertrümmert worden, nichts als ein ausſchlie-
ßendes wildes und doch wieder in ſich ſelbſt widerſprechen-
des Regiment des Adels zu erwarten ſey.

Es kam nun darauf an, wer die Vertheidigung der
gefährdeten Ordnungen übernehmen würde.

Das Regiment that ſo viel es vermochte. Abmahnun-
gen ergiengen an Sickingen: Mandate an alle benachbarte
Fürſten, ſich ſeinem Vorhaben zu widerſetzen. Auf Sickingen
jedoch machten die Mahnungen des Regimentes wenig Ein-
druck. Er entgegnete, er ſelber gedenke eine neue Ord-
nung im Reiche einzuführen. 1 Von einer Entſcheidung
des Kammergerichts wollte er nichts wiſſen: er ſagte, er

1 Planitz an Churf. Friedrich 13 Sept. Sickingen habe ge-
ſagt, er wolle ſich eines Thuns unterſtehn, deſſen ſich kein Roͤmiſcher
Kaiſer unterſtanden. 28 Spt. er habe den Boten des Regiments
geſagt: er wißt vorwar, ſein Herr der Kaiſer werde nicht zuͤrnen,
ob er den Pfaffen ein wenig ſtrafet und ihm die Kronen eintraͤnkt,
die er genommen haͤtte. Wirklich fieng man an zu glauben der Kaiſer
moͤge gar mit ihm einverſtanden ſeyn. Der Kaiſer ſagte ſpaͤter, Franz
habe ihm nicht ſo gut gedient um ihm Dinge dieſer Art nachzuſehen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0119" n="109"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sickingen</hi>.</fw><lb/>
durch Geld zu&#x017F;ammengehalten werden konnte, mit allem<lb/>
Apparat einer dem Ritterthum we&#x017F;entlich entgegenge&#x017F;etzten<lb/>
Kriegskun&#x017F;t. Wunderbarer Anblick, wie die beherr&#x017F;chenden<lb/>
Kräfte ver&#x017F;chiedener Zeitalter hier einander berühren und<lb/>
der Gedanke aufkommt, als könnten &#x017F;ie &#x017F;ich vereinigen, mit<lb/>
einander gehn. Wir können heut zu Tag wohl ein&#x017F;ehn,<lb/>
wie unmöglich dieß war. Denn nur in lebendigem und<lb/>
wahrem Einver&#x017F;tändniß mit dem Fortgang der Weltent-<lb/>
wickelung wird &#x017F;ich etwas Haltbares gründen la&#x017F;&#x017F;en. Aber<lb/>
auch damals &#x017F;ah man ein, daß wenn das Für&#x017F;tenthum<lb/>
be&#x017F;iegt, die noch keineswegs fe&#x017F;t begründete Reichsordnung<lb/>
gewalt&#x017F;am zertrümmert worden, nichts als ein aus&#x017F;chlie-<lb/>
ßendes wildes und doch wieder in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t wider&#x017F;prechen-<lb/>
des Regiment des Adels zu erwarten &#x017F;ey.</p><lb/>
            <p>Es kam nun darauf an, wer die Vertheidigung der<lb/>
gefährdeten Ordnungen übernehmen würde.</p><lb/>
            <p>Das Regiment that &#x017F;o viel es vermochte. Abmahnun-<lb/>
gen ergiengen an Sickingen: Mandate an alle benachbarte<lb/>
Für&#x017F;ten, &#x017F;ich &#x017F;einem Vorhaben zu wider&#x017F;etzen. Auf Sickingen<lb/>
jedoch machten die Mahnungen des Regimentes wenig Ein-<lb/>
druck. Er entgegnete, er &#x017F;elber gedenke eine neue Ord-<lb/>
nung im Reiche einzuführen. <note place="foot" n="1">Planitz an Churf. Friedrich 13 Sept. Sickingen habe ge-<lb/>
&#x017F;agt, er wolle &#x017F;ich eines Thuns unter&#x017F;tehn, de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich kein Ro&#x0364;mi&#x017F;cher<lb/>
Kai&#x017F;er unter&#x017F;tanden. 28 Spt. er habe den Boten des Regiments<lb/>
ge&#x017F;agt: er wißt vorwar, &#x017F;ein Herr der Kai&#x017F;er werde nicht zu&#x0364;rnen,<lb/>
ob er den Pfaffen ein wenig &#x017F;trafet und ihm die Kronen eintra&#x0364;nkt,<lb/>
die er genommen ha&#x0364;tte. Wirklich fieng man an zu glauben der Kai&#x017F;er<lb/>
mo&#x0364;ge gar mit ihm einver&#x017F;tanden &#x017F;eyn. Der Kai&#x017F;er &#x017F;agte &#x017F;pa&#x0364;ter, Franz<lb/>
habe ihm nicht &#x017F;o gut gedient um ihm Dinge die&#x017F;er Art nachzu&#x017F;ehen.</note> Von einer Ent&#x017F;cheidung<lb/>
des Kammergerichts wollte er nichts wi&#x017F;&#x017F;en: er &#x017F;agte, er<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0119] Sickingen. durch Geld zuſammengehalten werden konnte, mit allem Apparat einer dem Ritterthum weſentlich entgegengeſetzten Kriegskunſt. Wunderbarer Anblick, wie die beherrſchenden Kräfte verſchiedener Zeitalter hier einander berühren und der Gedanke aufkommt, als könnten ſie ſich vereinigen, mit einander gehn. Wir können heut zu Tag wohl einſehn, wie unmöglich dieß war. Denn nur in lebendigem und wahrem Einverſtändniß mit dem Fortgang der Weltent- wickelung wird ſich etwas Haltbares gründen laſſen. Aber auch damals ſah man ein, daß wenn das Fürſtenthum beſiegt, die noch keineswegs feſt begründete Reichsordnung gewaltſam zertrümmert worden, nichts als ein ausſchlie- ßendes wildes und doch wieder in ſich ſelbſt widerſprechen- des Regiment des Adels zu erwarten ſey. Es kam nun darauf an, wer die Vertheidigung der gefährdeten Ordnungen übernehmen würde. Das Regiment that ſo viel es vermochte. Abmahnun- gen ergiengen an Sickingen: Mandate an alle benachbarte Fürſten, ſich ſeinem Vorhaben zu widerſetzen. Auf Sickingen jedoch machten die Mahnungen des Regimentes wenig Ein- druck. Er entgegnete, er ſelber gedenke eine neue Ord- nung im Reiche einzuführen. 1 Von einer Entſcheidung des Kammergerichts wollte er nichts wiſſen: er ſagte, er 1 Planitz an Churf. Friedrich 13 Sept. Sickingen habe ge- ſagt, er wolle ſich eines Thuns unterſtehn, deſſen ſich kein Roͤmiſcher Kaiſer unterſtanden. 28 Spt. er habe den Boten des Regiments geſagt: er wißt vorwar, ſein Herr der Kaiſer werde nicht zuͤrnen, ob er den Pfaffen ein wenig ſtrafet und ihm die Kronen eintraͤnkt, die er genommen haͤtte. Wirklich fieng man an zu glauben der Kaiſer moͤge gar mit ihm einverſtanden ſeyn. Der Kaiſer ſagte ſpaͤter, Franz habe ihm nicht ſo gut gedient um ihm Dinge dieſer Art nachzuſehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/119
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/119>, abgerufen am 23.11.2024.