Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Sickingen.
verließ, und mit einigen Schneidergesellen auf die er ge-
troffen, als wäre er einer von ihnen zu Fuße einen Sei-
tenweg einschlug. Den Wagen sprengten einige Reiter mit
aufgespannten Armbrüsten an. Um nur nach Wertheim zu
kommen, mußte er sich noch auf dem Weg eine Bedeckung
von fünf oder sechs Gefährten nehmen, die mit Büchsen
oder Armbrüsten bewaffnet waren. 1 "Die Reiter sind zor-
nig", sagt er, "was ihnen anliege weiß ich nicht."

In diesem Zustande nun, als das Regiment seine ei-
genen Mitglieder nicht zu schützen vermochte, brach eine
Fehde aus, wie zu Maximilians Zeiten keine so gewaltig
das Reich in Bewegung gesetzt hatte. Franz von Sickin-
gen wagte es, im August 1522, mit einem wohlgerüsteten
Heer, Fußvolk Reiterei und Geschütz, einen Churfürsten
des Reiches, den Erzbischof von Trier in seinem Land, sei-
ner wohlbefestigten Residenz zu überziehen.

In der Hauptsache war das eben auch nur eine Fehde,
wie so viele andere: entsprungen aus persönlichem Mißver-
ständniß, -- eben dieser Churfürst hatte früher einmal be-
sonders lebhaft die Hülfe des Reiches gegen Sickingens
Gewaltthätigkeiten in Hessen aufgerufen: -- begründet durch
einige zweifelhafte Rechtsansprüche, namentlich auf ein Lö-
segeld von welchem der Erzbischof losgesprochen, und das
dann auf Sickingen übertragen war: berechnet auf Brand-
schatzung und wo möglich Eroberung der festen Plätze.
Man muß den Brief lesen, in welchem ein alter Vertrau-

1 Fürstenberg aus Wertheim St. Petri und Pauli Tag ao
22. "also hab ich meyn gnedigen Herrn gebeten, uns gen Wirtzburg
zu verhelfen: ist er willig Gott helf uns furter --"

Sickingen.
verließ, und mit einigen Schneidergeſellen auf die er ge-
troffen, als wäre er einer von ihnen zu Fuße einen Sei-
tenweg einſchlug. Den Wagen ſprengten einige Reiter mit
aufgeſpannten Armbrüſten an. Um nur nach Wertheim zu
kommen, mußte er ſich noch auf dem Weg eine Bedeckung
von fünf oder ſechs Gefährten nehmen, die mit Büchſen
oder Armbrüſten bewaffnet waren. 1 „Die Reiter ſind zor-
nig“, ſagt er, „was ihnen anliege weiß ich nicht.“

In dieſem Zuſtande nun, als das Regiment ſeine ei-
genen Mitglieder nicht zu ſchützen vermochte, brach eine
Fehde aus, wie zu Maximilians Zeiten keine ſo gewaltig
das Reich in Bewegung geſetzt hatte. Franz von Sickin-
gen wagte es, im Auguſt 1522, mit einem wohlgerüſteten
Heer, Fußvolk Reiterei und Geſchütz, einen Churfürſten
des Reiches, den Erzbiſchof von Trier in ſeinem Land, ſei-
ner wohlbefeſtigten Reſidenz zu überziehen.

In der Hauptſache war das eben auch nur eine Fehde,
wie ſo viele andere: entſprungen aus perſönlichem Mißver-
ſtändniß, — eben dieſer Churfürſt hatte früher einmal be-
ſonders lebhaft die Hülfe des Reiches gegen Sickingens
Gewaltthätigkeiten in Heſſen aufgerufen: — begründet durch
einige zweifelhafte Rechtsanſprüche, namentlich auf ein Lö-
ſegeld von welchem der Erzbiſchof losgeſprochen, und das
dann auf Sickingen übertragen war: berechnet auf Brand-
ſchatzung und wo möglich Eroberung der feſten Plätze.
Man muß den Brief leſen, in welchem ein alter Vertrau-

1 Fuͤrſtenberg aus Wertheim St. Petri und Pauli Tag ao̅
22. „alſo hab ich meyn gnedigen Herrn gebeten, uns gen Wirtzburg
zu verhelfen: iſt er willig Gott helf uns furter —“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0113" n="103"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sickingen</hi>.</fw><lb/>
verließ, und mit einigen Schneiderge&#x017F;ellen auf die er ge-<lb/>
troffen, als wäre er einer von ihnen zu Fuße einen Sei-<lb/>
tenweg ein&#x017F;chlug. Den Wagen &#x017F;prengten einige Reiter mit<lb/>
aufge&#x017F;pannten Armbrü&#x017F;ten an. Um nur nach Wertheim zu<lb/>
kommen, mußte er &#x017F;ich noch auf dem Weg eine Bedeckung<lb/>
von fünf oder &#x017F;echs Gefährten nehmen, die mit Büch&#x017F;en<lb/>
oder Armbrü&#x017F;ten bewaffnet waren. <note place="foot" n="1">Fu&#x0364;r&#x017F;tenberg aus Wertheim St. Petri und Pauli Tag ao&#x0305;<lb/>
22. &#x201E;al&#x017F;o hab ich meyn gnedigen Herrn gebeten, uns gen Wirtzburg<lb/>
zu verhelfen: i&#x017F;t er willig Gott helf uns furter &#x2014;&#x201C;</note> &#x201E;Die Reiter &#x017F;ind zor-<lb/>
nig&#x201C;, &#x017F;agt er, &#x201E;was ihnen anliege weiß ich nicht.&#x201C;</p><lb/>
            <p>In die&#x017F;em Zu&#x017F;tande nun, als das Regiment &#x017F;eine ei-<lb/>
genen Mitglieder nicht zu &#x017F;chützen vermochte, brach eine<lb/>
Fehde aus, wie zu Maximilians Zeiten keine &#x017F;o gewaltig<lb/>
das Reich in Bewegung ge&#x017F;etzt hatte. Franz von Sickin-<lb/>
gen wagte es, im Augu&#x017F;t 1522, mit einem wohlgerü&#x017F;teten<lb/>
Heer, Fußvolk Reiterei und Ge&#x017F;chütz, einen Churfür&#x017F;ten<lb/>
des Reiches, den Erzbi&#x017F;chof von Trier in &#x017F;einem Land, &#x017F;ei-<lb/>
ner wohlbefe&#x017F;tigten Re&#x017F;idenz zu überziehen.</p><lb/>
            <p>In der Haupt&#x017F;ache war das eben auch nur eine Fehde,<lb/>
wie &#x017F;o viele andere: ent&#x017F;prungen aus per&#x017F;önlichem Mißver-<lb/>
&#x017F;tändniß, &#x2014; eben die&#x017F;er Churfür&#x017F;t hatte früher einmal be-<lb/>
&#x017F;onders lebhaft die Hülfe des Reiches gegen Sickingens<lb/>
Gewaltthätigkeiten in He&#x017F;&#x017F;en aufgerufen: &#x2014; begründet durch<lb/>
einige zweifelhafte Rechtsan&#x017F;prüche, namentlich auf ein Lö-<lb/>
&#x017F;egeld von welchem der Erzbi&#x017F;chof losge&#x017F;prochen, und das<lb/>
dann auf Sickingen übertragen war: berechnet auf Brand-<lb/>
&#x017F;chatzung und wo möglich Eroberung der fe&#x017F;ten Plätze.<lb/>
Man muß den Brief le&#x017F;en, in welchem ein alter Vertrau-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0113] Sickingen. verließ, und mit einigen Schneidergeſellen auf die er ge- troffen, als wäre er einer von ihnen zu Fuße einen Sei- tenweg einſchlug. Den Wagen ſprengten einige Reiter mit aufgeſpannten Armbrüſten an. Um nur nach Wertheim zu kommen, mußte er ſich noch auf dem Weg eine Bedeckung von fünf oder ſechs Gefährten nehmen, die mit Büchſen oder Armbrüſten bewaffnet waren. 1 „Die Reiter ſind zor- nig“, ſagt er, „was ihnen anliege weiß ich nicht.“ In dieſem Zuſtande nun, als das Regiment ſeine ei- genen Mitglieder nicht zu ſchützen vermochte, brach eine Fehde aus, wie zu Maximilians Zeiten keine ſo gewaltig das Reich in Bewegung geſetzt hatte. Franz von Sickin- gen wagte es, im Auguſt 1522, mit einem wohlgerüſteten Heer, Fußvolk Reiterei und Geſchütz, einen Churfürſten des Reiches, den Erzbiſchof von Trier in ſeinem Land, ſei- ner wohlbefeſtigten Reſidenz zu überziehen. In der Hauptſache war das eben auch nur eine Fehde, wie ſo viele andere: entſprungen aus perſönlichem Mißver- ſtändniß, — eben dieſer Churfürſt hatte früher einmal be- ſonders lebhaft die Hülfe des Reiches gegen Sickingens Gewaltthätigkeiten in Heſſen aufgerufen: — begründet durch einige zweifelhafte Rechtsanſprüche, namentlich auf ein Lö- ſegeld von welchem der Erzbiſchof losgeſprochen, und das dann auf Sickingen übertragen war: berechnet auf Brand- ſchatzung und wo möglich Eroberung der feſten Plätze. Man muß den Brief leſen, in welchem ein alter Vertrau- 1 Fuͤrſtenberg aus Wertheim St. Petri und Pauli Tag ao̅ 22. „alſo hab ich meyn gnedigen Herrn gebeten, uns gen Wirtzburg zu verhelfen: iſt er willig Gott helf uns furter —“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/113
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/113>, abgerufen am 23.11.2024.