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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Drittes Capitel.
ungemakelt erhalten soll." 1 Man ermahnt die Laien, selbst
zu ihrem Heile zu sehen, sich das göttliche Wort zu eigen
zu machen, das nach langer Verborgenheit wieder in vol-
lem Glanze hervorgehe, dieß Schwerd in die Hand zu neh-
men und sich damit gegen die Prediger der streitigen Opi-
nionen zu vertheidigen. 2

In diesen Gegensätzen hauptsächlich bewegt sich der
Kampf der populären Literatur, der Predigt. Auf der ei-
nen Seite gewisse äußere kirchliche Beziehungen als ver-
dienstlich erachtet: die Idee der Kirche gebunden an die
bestehende Hierarchie: das Geheimniß der individuellen Be-
ziehung zu Gott, das sich in der Absolution ausspricht,
von der Ergebenheit gegen den Clerus abhängig: das seine
Gültigkeit mit Feuer und Schwerd verfechtende Lehrsystem.
Auf der andern die Forderung von Glaube und Liebe: die
Idee der unsichtbaren, in der Gemeinschaft der Geister be-
stehenden kirchlichen Einheit: Vergebung der Sünden durch
den Glauben an die Erlösung, durch Genuß des Sacra-
mentes ohne Beichtzwang: die Schrift allein die Quelle
des Glaubens und der Lehre. Es ist hier nicht von den
Modificationen die Rede, welche ein oder der andre Theo-

1 Das hailig ewig wort gots was das in im Kraft Sterke Frid
Fred erleuchtung und leben in aym rechten christen zu erwecken ver-
mag -- zugestelt dem edlen Ritter -- Hern Jörgen von Fronsperg;
von Haug Marschalk der genennt wirt Zoller zu Augsburg 1523.
Er rühmt in der Vorrede den Ritter "daß Eur Gestreng yetzumal
so hoch benennt und gepreist wird, daß das edel rain lauter und
unvermischt Wort Gottes das heilig Evangelium bey Eur Gestreng
Statt hat, und in eur ritterlich gemüt und herz eingemaurt und be-
festiget" etc.
2 Cunrad Distelmair von Arberg: ain trewe Ermannung u.
s. w. 1523.

Drittes Buch. Drittes Capitel.
ungemakelt erhalten ſoll.“ 1 Man ermahnt die Laien, ſelbſt
zu ihrem Heile zu ſehen, ſich das göttliche Wort zu eigen
zu machen, das nach langer Verborgenheit wieder in vol-
lem Glanze hervorgehe, dieß Schwerd in die Hand zu neh-
men und ſich damit gegen die Prediger der ſtreitigen Opi-
nionen zu vertheidigen. 2

In dieſen Gegenſätzen hauptſächlich bewegt ſich der
Kampf der populären Literatur, der Predigt. Auf der ei-
nen Seite gewiſſe äußere kirchliche Beziehungen als ver-
dienſtlich erachtet: die Idee der Kirche gebunden an die
beſtehende Hierarchie: das Geheimniß der individuellen Be-
ziehung zu Gott, das ſich in der Abſolution ausſpricht,
von der Ergebenheit gegen den Clerus abhängig: das ſeine
Gültigkeit mit Feuer und Schwerd verfechtende Lehrſyſtem.
Auf der andern die Forderung von Glaube und Liebe: die
Idee der unſichtbaren, in der Gemeinſchaft der Geiſter be-
ſtehenden kirchlichen Einheit: Vergebung der Sünden durch
den Glauben an die Erlöſung, durch Genuß des Sacra-
mentes ohne Beichtzwang: die Schrift allein die Quelle
des Glaubens und der Lehre. Es iſt hier nicht von den
Modificationen die Rede, welche ein oder der andre Theo-

1 Das hailig ewig wort gots was das in im Kraft Sterke Frid
Fred erleuchtung und leben in aym rechten chriſten zu erwecken ver-
mag — zugeſtelt dem edlen Ritter — Hern Joͤrgen von Fronsperg;
von Haug Marſchalk der genennt wirt Zoller zu Augsburg 1523.
Er ruͤhmt in der Vorrede den Ritter „daß Eur Geſtreng yetzumal
ſo hoch benennt und gepreiſt wird, daß das edel rain lauter und
unvermiſcht Wort Gottes das heilig Evangelium bey Eur Geſtreng
Statt hat, und in eur ritterlich gemuͤt und herz eingemaurt und be-
feſtiget“ ꝛc.
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ſ. w. 1523.
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[94/0104] Drittes Buch. Drittes Capitel. ungemakelt erhalten ſoll.“ 1 Man ermahnt die Laien, ſelbſt zu ihrem Heile zu ſehen, ſich das göttliche Wort zu eigen zu machen, das nach langer Verborgenheit wieder in vol- lem Glanze hervorgehe, dieß Schwerd in die Hand zu neh- men und ſich damit gegen die Prediger der ſtreitigen Opi- nionen zu vertheidigen. 2 In dieſen Gegenſätzen hauptſächlich bewegt ſich der Kampf der populären Literatur, der Predigt. Auf der ei- nen Seite gewiſſe äußere kirchliche Beziehungen als ver- dienſtlich erachtet: die Idee der Kirche gebunden an die beſtehende Hierarchie: das Geheimniß der individuellen Be- ziehung zu Gott, das ſich in der Abſolution ausſpricht, von der Ergebenheit gegen den Clerus abhängig: das ſeine Gültigkeit mit Feuer und Schwerd verfechtende Lehrſyſtem. Auf der andern die Forderung von Glaube und Liebe: die Idee der unſichtbaren, in der Gemeinſchaft der Geiſter be- ſtehenden kirchlichen Einheit: Vergebung der Sünden durch den Glauben an die Erlöſung, durch Genuß des Sacra- mentes ohne Beichtzwang: die Schrift allein die Quelle des Glaubens und der Lehre. Es iſt hier nicht von den Modificationen die Rede, welche ein oder der andre Theo- 1 Das hailig ewig wort gots was das in im Kraft Sterke Frid Fred erleuchtung und leben in aym rechten chriſten zu erwecken ver- mag — zugeſtelt dem edlen Ritter — Hern Joͤrgen von Fronsperg; von Haug Marſchalk der genennt wirt Zoller zu Augsburg 1523. Er ruͤhmt in der Vorrede den Ritter „daß Eur Geſtreng yetzumal ſo hoch benennt und gepreiſt wird, daß das edel rain lauter und unvermiſcht Wort Gottes das heilig Evangelium bey Eur Geſtreng Statt hat, und in eur ritterlich gemuͤt und herz eingemaurt und be- feſtiget“ ꝛc. 2 Cunrad Diſtelmair von Arberg: ain trewe Ermannung u. ſ. w. 1523.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/104>, abgerufen am 23.11.2024.