Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Einleitung. reich, wie es wohl einst hätte erwartet werden müssen,konnte nicht mehr entstehen. Auch hatte die gesammte na- tionale Entwickelung viel zu tiefe Wurzeln geschlagen, um von dem kirchlichen Element erdrückt zu werden; vielmehr ward ihr die Einwirkung der kirchlichen Ideen und Stif- tungen ohne Zweifel selbst sehr förderlich. Es war eine Fülle von Leben und Geist, von Thätigkeit in den verschie- densten Zweigen, von schöpferischer Kraft vorhanden, von denen man nicht sieht, wie sie bei einem anderen Gange der Dinge hätte entstehen können. Aber bei alle dem war das doch kein Zustand, mit welchem sich eine große Nation befriedigen kann. An eine freie politische Bewe- gung war nicht zu denken, so lange der vornehmste An- trieb zu aller öffentlichen Thätigkeit von einem fremden Oberhaupt kam. Auch in dem Reiche des Geistes waren strenge Grenzen gezogen. Das unmittelbare Verhältniß, in dem sich jedes geistige Daseyn zu dem göttlichen fühlt, war und blieb der Nation verdunkelt. Nur langsam und in nicht immer erreichbaren Linien Es traten endlich Verhältnisse ein, welche auch in der Beginnende Opposition. Der erste Moment lag darin, daß das Papstthum, Einleitung. reich, wie es wohl einſt hätte erwartet werden müſſen,konnte nicht mehr entſtehen. Auch hatte die geſammte na- tionale Entwickelung viel zu tiefe Wurzeln geſchlagen, um von dem kirchlichen Element erdrückt zu werden; vielmehr ward ihr die Einwirkung der kirchlichen Ideen und Stif- tungen ohne Zweifel ſelbſt ſehr förderlich. Es war eine Fülle von Leben und Geiſt, von Thätigkeit in den verſchie- denſten Zweigen, von ſchöpferiſcher Kraft vorhanden, von denen man nicht ſieht, wie ſie bei einem anderen Gange der Dinge hätte entſtehen können. Aber bei alle dem war das doch kein Zuſtand, mit welchem ſich eine große Nation befriedigen kann. An eine freie politiſche Bewe- gung war nicht zu denken, ſo lange der vornehmſte An- trieb zu aller öffentlichen Thätigkeit von einem fremden Oberhaupt kam. Auch in dem Reiche des Geiſtes waren ſtrenge Grenzen gezogen. Das unmittelbare Verhältniß, in dem ſich jedes geiſtige Daſeyn zu dem göttlichen fühlt, war und blieb der Nation verdunkelt. Nur langſam und in nicht immer erreichbaren Linien Es traten endlich Verhältniſſe ein, welche auch in der Beginnende Oppoſition. Der erſte Moment lag darin, daß das Papſtthum, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0062" n="44"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> reich, wie es wohl einſt hätte erwartet werden müſſen,<lb/> konnte nicht mehr entſtehen. Auch hatte die geſammte na-<lb/> tionale Entwickelung viel zu tiefe Wurzeln geſchlagen, um<lb/> von dem kirchlichen Element erdrückt zu werden; vielmehr<lb/> ward ihr die Einwirkung der kirchlichen Ideen und Stif-<lb/> tungen ohne Zweifel ſelbſt ſehr förderlich. Es war eine<lb/> Fülle von Leben und Geiſt, von Thätigkeit in den verſchie-<lb/> denſten Zweigen, von ſchöpferiſcher Kraft vorhanden, von<lb/> denen man nicht ſieht, wie ſie bei einem anderen Gange<lb/> der Dinge hätte entſtehen können. Aber bei alle dem<lb/> war das doch kein Zuſtand, mit welchem ſich eine große<lb/> Nation befriedigen kann. An eine freie politiſche Bewe-<lb/> gung war nicht zu denken, ſo lange der vornehmſte An-<lb/> trieb zu aller öffentlichen Thätigkeit von einem fremden<lb/> Oberhaupt kam. Auch in dem Reiche des Geiſtes waren<lb/> ſtrenge Grenzen gezogen. Das unmittelbare Verhältniß,<lb/> in dem ſich jedes geiſtige Daſeyn zu dem göttlichen fühlt,<lb/> war und blieb der Nation verdunkelt.</p><lb/> <p>Nur langſam und in nicht immer erreichbaren Linien<lb/> vollziehen ſich die großen, Generationen umfaſſenden Ent-<lb/> wickelungen.</p><lb/> <p>Es traten endlich Verhältniſſe ein, welche auch in der<lb/> deutſchen Nation ein Bewußtſeyn ihrer natürlichen Stel-<lb/> lung hervorriefen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>Beginnende Oppoſition.</head><lb/> <p>Der erſte Moment lag darin, daß das Papſtthum,<lb/> ſeiner hohen Beſtimmung faſt vergeſſend, in den Genüſſen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0062]
Einleitung.
reich, wie es wohl einſt hätte erwartet werden müſſen,
konnte nicht mehr entſtehen. Auch hatte die geſammte na-
tionale Entwickelung viel zu tiefe Wurzeln geſchlagen, um
von dem kirchlichen Element erdrückt zu werden; vielmehr
ward ihr die Einwirkung der kirchlichen Ideen und Stif-
tungen ohne Zweifel ſelbſt ſehr förderlich. Es war eine
Fülle von Leben und Geiſt, von Thätigkeit in den verſchie-
denſten Zweigen, von ſchöpferiſcher Kraft vorhanden, von
denen man nicht ſieht, wie ſie bei einem anderen Gange
der Dinge hätte entſtehen können. Aber bei alle dem
war das doch kein Zuſtand, mit welchem ſich eine große
Nation befriedigen kann. An eine freie politiſche Bewe-
gung war nicht zu denken, ſo lange der vornehmſte An-
trieb zu aller öffentlichen Thätigkeit von einem fremden
Oberhaupt kam. Auch in dem Reiche des Geiſtes waren
ſtrenge Grenzen gezogen. Das unmittelbare Verhältniß,
in dem ſich jedes geiſtige Daſeyn zu dem göttlichen fühlt,
war und blieb der Nation verdunkelt.
Nur langſam und in nicht immer erreichbaren Linien
vollziehen ſich die großen, Generationen umfaſſenden Ent-
wickelungen.
Es traten endlich Verhältniſſe ein, welche auch in der
deutſchen Nation ein Bewußtſeyn ihrer natürlichen Stel-
lung hervorriefen.
Beginnende Oppoſition.
Der erſte Moment lag darin, daß das Papſtthum,
ſeiner hohen Beſtimmung faſt vergeſſend, in den Genüſſen
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