Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Einleitung, Ende des dreizehnten, im Anfang des 14ten Jahrhundertswählte man diese Oberhäupter fast methodisch aus ver- schiednen Häusern. Unbewußt oder bewußt hatte man die Maxime, jeder eben begonnenen Consolidation wieder eine neue Berechtigung auf einer andern Seite entgegenzusetzen; wie der schon ganz bedeutenden Macht von Böhmen das habsburgische Haus, und diesem dann wieder bald Nassau, bald Luxenburg, oder Baiern: zu mehr als vorübergehen- der Bedeutung konnte keins gelangen. Allein dabei kam auch kein andres Geschlecht zu selbständiger Haltung: das geistliche Fürstenthum, welches vorzugsweise die allgemei- nen Geschäfte führte, bedeutete fast mehr als das weltliche. Um so mächtiger ward dann das Papstthum, von 1 Tractatus cum Nicolao III Papa 1279. Romana ecclesia
Germaniam decoravit plantans in ea principes tanquam arbores electas. Monum. IV, 421. Einleitung, Ende des dreizehnten, im Anfang des 14ten Jahrhundertswählte man dieſe Oberhäupter faſt methodiſch aus ver- ſchiednen Häuſern. Unbewußt oder bewußt hatte man die Maxime, jeder eben begonnenen Conſolidation wieder eine neue Berechtigung auf einer andern Seite entgegenzuſetzen; wie der ſchon ganz bedeutenden Macht von Böhmen das habsburgiſche Haus, und dieſem dann wieder bald Naſſau, bald Luxenburg, oder Baiern: zu mehr als vorübergehen- der Bedeutung konnte keins gelangen. Allein dabei kam auch kein andres Geſchlecht zu ſelbſtändiger Haltung: das geiſtliche Fürſtenthum, welches vorzugsweiſe die allgemei- nen Geſchäfte führte, bedeutete faſt mehr als das weltliche. Um ſo mächtiger ward dann das Papſtthum, von 1 Tractatus cum Nicolao III Papa 1279. Romana ecclesia
Germaniam decoravit plantans in ea principes tanquam arbores electas. Monum. IV, 421. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0060" n="42"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>,</fw><lb/> Ende des dreizehnten, im Anfang des 14ten Jahrhunderts<lb/> wählte man dieſe Oberhäupter faſt methodiſch aus ver-<lb/> ſchiednen Häuſern. Unbewußt oder bewußt hatte man die<lb/> Maxime, jeder eben begonnenen Conſolidation wieder eine<lb/> neue Berechtigung auf einer andern Seite entgegenzuſetzen;<lb/> wie der ſchon ganz bedeutenden Macht von Böhmen das<lb/> habsburgiſche Haus, und dieſem dann wieder bald Naſſau,<lb/> bald Luxenburg, oder Baiern: zu mehr als vorübergehen-<lb/> der Bedeutung konnte keins gelangen. Allein dabei kam<lb/> auch kein andres Geſchlecht zu ſelbſtändiger Haltung: das<lb/> geiſtliche Fürſtenthum, welches vorzugsweiſe die allgemei-<lb/> nen Geſchäfte führte, bedeutete faſt mehr als das weltliche.</p><lb/> <p>Um ſo mächtiger ward dann das Papſtthum, von<lb/> dem die geiſtlichen Fürſten abhiengen: zu dem auch die<lb/> weltlichen eine ſehr untergeordnete Stellung annahmen.<lb/> Was ſoll man ſagen, wenn ſie im dreizehnten Jahrhun-<lb/> dert einmal erklären, die römiſche Kirche habe ſie in Deutſch-<lb/> land gepflanzt, und mit ihrer Gnade gepflegt und empor-<lb/> gebracht. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Tractatus cum Nicolao III Papa 1279. Romana ecclesia<lb/> Germaniam decoravit plantans in ea principes tanquam arbores<lb/> electas. Monum. IV,</hi> 421.</note> Der päpſtliche Stuhl hatte den deutſchen Für-<lb/> ſten wenigſtens eben ſo viel zu verdanken wie dieſe ihm:<lb/> aber er hütete ſich wohl davon zu ſprechen: Niemand mochte<lb/> ihn daran erinnern. Seinen Siegen über das Kaiſerthum<lb/> waren andre über andre weltliche Gewalten zur Seite ge-<lb/> gangen. Es beſaß nun faſt unbeſtritten die oberſte Hoheit<lb/> in Europa. Jene Plane, die ſchon im 9ten Jahrhundert<lb/> hervorzutreten begonnen, die das elfte wieder aufgenom-<lb/> men, waren im dreizehnten zu ihrem Ziele gediehen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0060]
Einleitung,
Ende des dreizehnten, im Anfang des 14ten Jahrhunderts
wählte man dieſe Oberhäupter faſt methodiſch aus ver-
ſchiednen Häuſern. Unbewußt oder bewußt hatte man die
Maxime, jeder eben begonnenen Conſolidation wieder eine
neue Berechtigung auf einer andern Seite entgegenzuſetzen;
wie der ſchon ganz bedeutenden Macht von Böhmen das
habsburgiſche Haus, und dieſem dann wieder bald Naſſau,
bald Luxenburg, oder Baiern: zu mehr als vorübergehen-
der Bedeutung konnte keins gelangen. Allein dabei kam
auch kein andres Geſchlecht zu ſelbſtändiger Haltung: das
geiſtliche Fürſtenthum, welches vorzugsweiſe die allgemei-
nen Geſchäfte führte, bedeutete faſt mehr als das weltliche.
Um ſo mächtiger ward dann das Papſtthum, von
dem die geiſtlichen Fürſten abhiengen: zu dem auch die
weltlichen eine ſehr untergeordnete Stellung annahmen.
Was ſoll man ſagen, wenn ſie im dreizehnten Jahrhun-
dert einmal erklären, die römiſche Kirche habe ſie in Deutſch-
land gepflanzt, und mit ihrer Gnade gepflegt und empor-
gebracht. 1 Der päpſtliche Stuhl hatte den deutſchen Für-
ſten wenigſtens eben ſo viel zu verdanken wie dieſe ihm:
aber er hütete ſich wohl davon zu ſprechen: Niemand mochte
ihn daran erinnern. Seinen Siegen über das Kaiſerthum
waren andre über andre weltliche Gewalten zur Seite ge-
gangen. Es beſaß nun faſt unbeſtritten die oberſte Hoheit
in Europa. Jene Plane, die ſchon im 9ten Jahrhundert
hervorzutreten begonnen, die das elfte wieder aufgenom-
men, waren im dreizehnten zu ihrem Ziele gediehen.
1 Tractatus cum Nicolao III Papa 1279. Romana ecclesia
Germaniam decoravit plantans in ea principes tanquam arbores
electas. Monum. IV, 421.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |