ward das Übergewicht der kirchlichen Gewalt vollständig anerkannt.
Denn wie wirksam auch der indirecte Antheil seyn mochte, den die Deutschen an diesem Erfolge hatten, so fiel doch der Glanz und der große Gewinn des Sieges ganz dem Papstthum anheim. Nun erst fieng es an zu herrschen.
Man sah es bei der nächsten Gelegenheit, als noch am Ende des zwölften Jahrhunderts in Deutschland ein Zwie- spalt über die Krone ausbrach.
Das Papstthum, in einem der geistvollsten herrschbe- gierigsten und kühnsten Priester, die je gelebt, der sich als das natürliche Oberhaupt der Welt ansah, Innocenz III repräsentirt, trug kein Bedenken, die Entscheidung dieses Streites in Anspruch zu nehmen.
Die deutschen Fürsten waren nicht so verblendet, um die Bedeutung dieses Anspruches zu verkennen. Sie erin- nerten Innoeenz, daß das Reich die Befugniß, auf die Papstwahl einzuwirken, zu der es vollkommen berechtigt gewesen, aus Verehrung für den römischen Stuhl habe fal- len lassen: wie unerhört sey es, daß dagegen nun der Papst, ohne alles Recht, sich Einfluß auf die Kaiserwahl anmaße. Unglücklicherweise aber waren sie in einer Stellung, in wel- cher sie dagegen nichts Ernstliches thun konnten. Sie hät- ten wieder einen mächtigen Kaiser aufstellen, sich ihm an- schließen, unter seinen Fahnen das Papstthum bekämpfen müssen: dazu waren sie weder geneigt noch machte es die Lage der Dinge ausführbar. An und für sich liebten sie das Papstthum nicht: das geistliche Regiment war ihnen
Verhältniß d. Papſtthums zu dem Fürſtenthum.
ward das Übergewicht der kirchlichen Gewalt vollſtändig anerkannt.
Denn wie wirkſam auch der indirecte Antheil ſeyn mochte, den die Deutſchen an dieſem Erfolge hatten, ſo fiel doch der Glanz und der große Gewinn des Sieges ganz dem Papſtthum anheim. Nun erſt fieng es an zu herrſchen.
Man ſah es bei der nächſten Gelegenheit, als noch am Ende des zwölften Jahrhunderts in Deutſchland ein Zwie- ſpalt über die Krone ausbrach.
Das Papſtthum, in einem der geiſtvollſten herrſchbe- gierigſten und kühnſten Prieſter, die je gelebt, der ſich als das natürliche Oberhaupt der Welt anſah, Innocenz III repräſentirt, trug kein Bedenken, die Entſcheidung dieſes Streites in Anſpruch zu nehmen.
Die deutſchen Fürſten waren nicht ſo verblendet, um die Bedeutung dieſes Anſpruches zu verkennen. Sie erin- nerten Innoeenz, daß das Reich die Befugniß, auf die Papſtwahl einzuwirken, zu der es vollkommen berechtigt geweſen, aus Verehrung für den römiſchen Stuhl habe fal- len laſſen: wie unerhört ſey es, daß dagegen nun der Papſt, ohne alles Recht, ſich Einfluß auf die Kaiſerwahl anmaße. Unglücklicherweiſe aber waren ſie in einer Stellung, in wel- cher ſie dagegen nichts Ernſtliches thun konnten. Sie hät- ten wieder einen mächtigen Kaiſer aufſtellen, ſich ihm an- ſchließen, unter ſeinen Fahnen das Papſtthum bekämpfen müſſen: dazu waren ſie weder geneigt noch machte es die Lage der Dinge ausführbar. An und für ſich liebten ſie das Papſtthum nicht: das geiſtliche Regiment war ihnen
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Verhältniß d. Papſtthums zu dem Fürſtenthum.
ward das Übergewicht der kirchlichen Gewalt vollſtändig
anerkannt.
Denn wie wirkſam auch der indirecte Antheil ſeyn
mochte, den die Deutſchen an dieſem Erfolge hatten, ſo
fiel doch der Glanz und der große Gewinn des Sieges
ganz dem Papſtthum anheim. Nun erſt fieng es an zu
herrſchen.
Man ſah es bei der nächſten Gelegenheit, als noch am
Ende des zwölften Jahrhunderts in Deutſchland ein Zwie-
ſpalt über die Krone ausbrach.
Das Papſtthum, in einem der geiſtvollſten herrſchbe-
gierigſten und kühnſten Prieſter, die je gelebt, der ſich als
das natürliche Oberhaupt der Welt anſah, Innocenz III
repräſentirt, trug kein Bedenken, die Entſcheidung dieſes
Streites in Anſpruch zu nehmen.
Die deutſchen Fürſten waren nicht ſo verblendet, um
die Bedeutung dieſes Anſpruches zu verkennen. Sie erin-
nerten Innoeenz, daß das Reich die Befugniß, auf die
Papſtwahl einzuwirken, zu der es vollkommen berechtigt
geweſen, aus Verehrung für den römiſchen Stuhl habe fal-
len laſſen: wie unerhört ſey es, daß dagegen nun der Papſt,
ohne alles Recht, ſich Einfluß auf die Kaiſerwahl anmaße.
Unglücklicherweiſe aber waren ſie in einer Stellung, in wel-
cher ſie dagegen nichts Ernſtliches thun konnten. Sie hät-
ten wieder einen mächtigen Kaiſer aufſtellen, ſich ihm an-
ſchließen, unter ſeinen Fahnen das Papſtthum bekämpfen
müſſen: dazu waren ſie weder geneigt noch machte es die
Lage der Dinge ausführbar. An und für ſich liebten ſie
das Papſtthum nicht: das geiſtliche Regiment war ihnen
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/57>, abgerufen am 24.11.2024.
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