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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Emancipation des Papstthums.
für den Kaiser wurden Synoden gehalten, in denen man
beschloß, die alte Ordnung der Dinge zu behaupten; dem
excommunicirenden Papste antwortete man dadurch, daß
man auch ihn seinerseits excommunicirte; jener salisch ge-
sinnte Kanzler Guibert ward unter den Auspicien des Kai-
sers zum Papst ernannt, und nach mancherlei Wechselfäl-
len des Krieges zuletzt doch nach Rom geführt. Wie so
viele seiner Vorfahren ward auch Heinrich von einem Papste
seiner Wahl gekrönt. Der zweite Gegenkönig den ihm die
Sachsen entgegengesetzt, konnte es zu keiner wesentlichen
Macht bringen, und hielt es für gerathen, von selbst Ver-
zicht zu leisten.

Wir sehen: der Kaiser hatte erreicht was sich durch
Krieg und Politik erreichen läßt: fragen wir aber, ob er
nun auch den Sieg davon trug, so müssen wir das vernei-
nen. Denn nicht immer auf den Schlachtfeldern werden
die Siege entschieden. Die Ideen welche Gregor verfocht,
waren mit den mächtigsten Trieben der universalen Ent-
wickelung verbündet; während er aus Rom flüchtete, nahmen
sie die Welt ein. Schon sein zweiter Nachfolger, zehn Jahr
nach seinem Tode, vermochte, worauf zuletzt alles ankam,
die Initiative in den allgemeinen Angelegenheiten des Abend-
landes zu ergreifen: eine der größten Weltbewegungen, die
Unternehmung der Kreuzzüge wußte er hervorzurufen; ganz
von selbst erschien er dann als das Oberhaupt des germa-
nisch-romanischen, priesterlich-kriegerischen Gemeinwesens
im Abendlande: der Kaiser hatte nichts dagegen einzusetzen.

Das Leben Heinrichs wie es sich nun weiter ent-
wickelte, hat etwas, was an die antike Tragödie erinnert;

Ranke d. Gesch. I. 3

Emancipation des Papſtthums.
für den Kaiſer wurden Synoden gehalten, in denen man
beſchloß, die alte Ordnung der Dinge zu behaupten; dem
excommunicirenden Papſte antwortete man dadurch, daß
man auch ihn ſeinerſeits excommunicirte; jener ſaliſch ge-
ſinnte Kanzler Guibert ward unter den Auſpicien des Kai-
ſers zum Papſt ernannt, und nach mancherlei Wechſelfäl-
len des Krieges zuletzt doch nach Rom geführt. Wie ſo
viele ſeiner Vorfahren ward auch Heinrich von einem Papſte
ſeiner Wahl gekrönt. Der zweite Gegenkönig den ihm die
Sachſen entgegengeſetzt, konnte es zu keiner weſentlichen
Macht bringen, und hielt es für gerathen, von ſelbſt Ver-
zicht zu leiſten.

Wir ſehen: der Kaiſer hatte erreicht was ſich durch
Krieg und Politik erreichen läßt: fragen wir aber, ob er
nun auch den Sieg davon trug, ſo müſſen wir das vernei-
nen. Denn nicht immer auf den Schlachtfeldern werden
die Siege entſchieden. Die Ideen welche Gregor verfocht,
waren mit den mächtigſten Trieben der univerſalen Ent-
wickelung verbündet; während er aus Rom flüchtete, nahmen
ſie die Welt ein. Schon ſein zweiter Nachfolger, zehn Jahr
nach ſeinem Tode, vermochte, worauf zuletzt alles ankam,
die Initiative in den allgemeinen Angelegenheiten des Abend-
landes zu ergreifen: eine der größten Weltbewegungen, die
Unternehmung der Kreuzzüge wußte er hervorzurufen; ganz
von ſelbſt erſchien er dann als das Oberhaupt des germa-
niſch-romaniſchen, prieſterlich-kriegeriſchen Gemeinweſens
im Abendlande: der Kaiſer hatte nichts dagegen einzuſetzen.

Das Leben Heinrichs wie es ſich nun weiter ent-
wickelte, hat etwas, was an die antike Tragödie erinnert;

Ranke d. Geſch. I. 3
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[33/0051] Emancipation des Papſtthums. für den Kaiſer wurden Synoden gehalten, in denen man beſchloß, die alte Ordnung der Dinge zu behaupten; dem excommunicirenden Papſte antwortete man dadurch, daß man auch ihn ſeinerſeits excommunicirte; jener ſaliſch ge- ſinnte Kanzler Guibert ward unter den Auſpicien des Kai- ſers zum Papſt ernannt, und nach mancherlei Wechſelfäl- len des Krieges zuletzt doch nach Rom geführt. Wie ſo viele ſeiner Vorfahren ward auch Heinrich von einem Papſte ſeiner Wahl gekrönt. Der zweite Gegenkönig den ihm die Sachſen entgegengeſetzt, konnte es zu keiner weſentlichen Macht bringen, und hielt es für gerathen, von ſelbſt Ver- zicht zu leiſten. Wir ſehen: der Kaiſer hatte erreicht was ſich durch Krieg und Politik erreichen läßt: fragen wir aber, ob er nun auch den Sieg davon trug, ſo müſſen wir das vernei- nen. Denn nicht immer auf den Schlachtfeldern werden die Siege entſchieden. Die Ideen welche Gregor verfocht, waren mit den mächtigſten Trieben der univerſalen Ent- wickelung verbündet; während er aus Rom flüchtete, nahmen ſie die Welt ein. Schon ſein zweiter Nachfolger, zehn Jahr nach ſeinem Tode, vermochte, worauf zuletzt alles ankam, die Initiative in den allgemeinen Angelegenheiten des Abend- landes zu ergreifen: eine der größten Weltbewegungen, die Unternehmung der Kreuzzüge wußte er hervorzurufen; ganz von ſelbſt erſchien er dann als das Oberhaupt des germa- niſch-romaniſchen, prieſterlich-kriegeriſchen Gemeinweſens im Abendlande: der Kaiſer hatte nichts dagegen einzuſetzen. Das Leben Heinrichs wie es ſich nun weiter ent- wickelte, hat etwas, was an die antike Tragödie erinnert; Ranke d. Geſch. I. 3

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/51>, abgerufen am 24.11.2024.