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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Wormser Edict.

In dem 16ten Artikel versprach der Kaiser "weil sich
Einige erhoben, die von dem katholischen Glauben abwei-
chen und den apostolischen Stuhl böslich verlästern, gegen
diese seine ganze Macht zu gebrauchen, sie zu verfolgen und
alles Unrecht das dem apostolischen Stuhle zugefügt werde,
zu rächen, gleich als geschehe es ihm selber." 1

Es läßt sich zwar nicht behaupten, daß das Verfah-
ren Carls V in Luthers Sache ausschließend auf politi-
tischen Motiven beruht habe: es ist sehr wahrscheinlich
daß ihm eine Ableugnung der Unfehlbarkeit der Concilien,
ein Angriff auf die Sacramente eben so widerwärtig war
wie unverständlich; allein eben so klar ist doch, daß die
Politik daran den größten Antheil hatte. Was hätte man
alles mit Luther anfangen können, wenn er sich gemäßigt
hätte, wenn man ihn nicht hätte verdammen müssen. Da
das nicht zu vermeiden war, so machte man es noch zu
einer Bedingung für den großen Krieg, den man zu be-
ginnen im Begriffe stand.

Nur hatte es bei der allgemeinen Theilnahme, die Luther
während seiner Anwesenheit erweckt hatte, noch immer eine
gewisse Schwierigkeit, eine entscheidende Maaßregel zu er-
greifen. Der Beschluß, den die Stände gefaßt, war einer
nicht geringen Anzahl derselben jetzt zuwider. Die Frage
war, ob sie sich zu einem auf denselben gegründeten Edict
ohne Widerrede verstehen würden.

Um dieß zu bewirken, verfuhr man folgendergestalt.


1 Tabulae foederis etc. bei Dumont IV, III Supplem. p. 98.
Quoniam sanctissimo domino nostro cura est aliquanto etiam
major rerum spiritualium et pastoralis officii quam tempora-
lium
-- --
Ranke d. Gesch. II. 32
Wormſer Edict.

In dem 16ten Artikel verſprach der Kaiſer „weil ſich
Einige erhoben, die von dem katholiſchen Glauben abwei-
chen und den apoſtoliſchen Stuhl böslich verläſtern, gegen
dieſe ſeine ganze Macht zu gebrauchen, ſie zu verfolgen und
alles Unrecht das dem apoſtoliſchen Stuhle zugefügt werde,
zu rächen, gleich als geſchehe es ihm ſelber.“ 1

Es läßt ſich zwar nicht behaupten, daß das Verfah-
ren Carls V in Luthers Sache ausſchließend auf politi-
tiſchen Motiven beruht habe: es iſt ſehr wahrſcheinlich
daß ihm eine Ableugnung der Unfehlbarkeit der Concilien,
ein Angriff auf die Sacramente eben ſo widerwärtig war
wie unverſtändlich; allein eben ſo klar iſt doch, daß die
Politik daran den größten Antheil hatte. Was hätte man
alles mit Luther anfangen können, wenn er ſich gemäßigt
hätte, wenn man ihn nicht hätte verdammen müſſen. Da
das nicht zu vermeiden war, ſo machte man es noch zu
einer Bedingung für den großen Krieg, den man zu be-
ginnen im Begriffe ſtand.

Nur hatte es bei der allgemeinen Theilnahme, die Luther
während ſeiner Anweſenheit erweckt hatte, noch immer eine
gewiſſe Schwierigkeit, eine entſcheidende Maaßregel zu er-
greifen. Der Beſchluß, den die Stände gefaßt, war einer
nicht geringen Anzahl derſelben jetzt zuwider. Die Frage
war, ob ſie ſich zu einem auf denſelben gegründeten Edict
ohne Widerrede verſtehen würden.

Um dieß zu bewirken, verfuhr man folgendergeſtalt.


1 Tabulae foederis etc. bei Dumont IV, III Supplém. p. 98.
Quoniam sanctissimo domino nostro cura est aliquanto etiam
major rerum spiritualium et pastoralis officii quam tempora-
lium
— —
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[489/0507] Wormſer Edict. In dem 16ten Artikel verſprach der Kaiſer „weil ſich Einige erhoben, die von dem katholiſchen Glauben abwei- chen und den apoſtoliſchen Stuhl böslich verläſtern, gegen dieſe ſeine ganze Macht zu gebrauchen, ſie zu verfolgen und alles Unrecht das dem apoſtoliſchen Stuhle zugefügt werde, zu rächen, gleich als geſchehe es ihm ſelber.“ 1 Es läßt ſich zwar nicht behaupten, daß das Verfah- ren Carls V in Luthers Sache ausſchließend auf politi- tiſchen Motiven beruht habe: es iſt ſehr wahrſcheinlich daß ihm eine Ableugnung der Unfehlbarkeit der Concilien, ein Angriff auf die Sacramente eben ſo widerwärtig war wie unverſtändlich; allein eben ſo klar iſt doch, daß die Politik daran den größten Antheil hatte. Was hätte man alles mit Luther anfangen können, wenn er ſich gemäßigt hätte, wenn man ihn nicht hätte verdammen müſſen. Da das nicht zu vermeiden war, ſo machte man es noch zu einer Bedingung für den großen Krieg, den man zu be- ginnen im Begriffe ſtand. Nur hatte es bei der allgemeinen Theilnahme, die Luther während ſeiner Anweſenheit erweckt hatte, noch immer eine gewiſſe Schwierigkeit, eine entſcheidende Maaßregel zu er- greifen. Der Beſchluß, den die Stände gefaßt, war einer nicht geringen Anzahl derſelben jetzt zuwider. Die Frage war, ob ſie ſich zu einem auf denſelben gegründeten Edict ohne Widerrede verſtehen würden. Um dieß zu bewirken, verfuhr man folgendergeſtalt. 1 Tabulae foederis etc. bei Dumont IV, III Supplém. p. 98. Quoniam sanctissimo domino nostro cura est aliquanto etiam major rerum spiritualium et pastoralis officii quam tempora- lium — — Ranke d. Geſch. II. 32

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/507>, abgerufen am 27.11.2024.