gebrochen gewesen seyn, wenn eine Rücksicht ihn gefesselt hätte von einem nicht durchaus religiösen Inhalt. Nicht von den Bedürfnissen der Nation sondern von religiösen Überzeugungen war er ausgegangen, ohne die er nie etwas gemacht hätte, und die ihn nun freilich weiter geführt hat- ten, als es zu jenem politischen Kampfe nöthig oder auch nützlich war. Der ewig freie Geist bewegt sich in seinen eigenen Bahnen.
Noch hofften Einige, er werde einen Schritt zurück- treten: er werde sich wenigstens nicht zu seinen letzten här- testen Äußerungen bekennen, wie sie in dem Buch von der babylonischen Gefangenschaft vorkamen. Besonders war das die Meinung des kaiserlichen Beichtvaters. Er hielt die päpstliche Verdammungsbulle nicht für ein unübersteig- liches Hinderniß gütlicher Beilegung: da Luther noch nicht gehört worden, so bleibe dem Papst ein Ausweg übrig um ihn wiederherzustellen: wenn er nur dieses letzte Buch, voll von den unhaltbarsten Behauptungen, und mit seinen übri- gen Schriften auch sonst nicht zu vergleichen, nicht anerken- nen wolle. Mit dem aber wälze er sich selbst einen Stein in Weg: er werde machen, daß die übrige kostbare Waare, die er sonst in Port bringen werde, versinke. 1 Zuerst schlug er dem Churfürsten von Sachsen vor, ihm ein paar Räthe zu nennen, mit denen er über die Mittel einer Aus- gleichung unterhandeln könne. Der Churfürst entgegnete, er habe nicht gelehrte Räthe genug bei sich. Glapio fragte hierauf, ob man sich erwählten Schiedsmännern unterwer- fen wolle, deren Ausspruch selbst der Papst werde aner-
1 Seckendorf Comm. de Lutheranismo I, p. 142.
Reichstag von 1521. Glapio.
gebrochen geweſen ſeyn, wenn eine Rückſicht ihn gefeſſelt hätte von einem nicht durchaus religiöſen Inhalt. Nicht von den Bedürfniſſen der Nation ſondern von religiöſen Überzeugungen war er ausgegangen, ohne die er nie etwas gemacht hätte, und die ihn nun freilich weiter geführt hat- ten, als es zu jenem politiſchen Kampfe nöthig oder auch nützlich war. Der ewig freie Geiſt bewegt ſich in ſeinen eigenen Bahnen.
Noch hofften Einige, er werde einen Schritt zurück- treten: er werde ſich wenigſtens nicht zu ſeinen letzten här- teſten Äußerungen bekennen, wie ſie in dem Buch von der babyloniſchen Gefangenſchaft vorkamen. Beſonders war das die Meinung des kaiſerlichen Beichtvaters. Er hielt die päpſtliche Verdammungsbulle nicht für ein unüberſteig- liches Hinderniß gütlicher Beilegung: da Luther noch nicht gehört worden, ſo bleibe dem Papſt ein Ausweg übrig um ihn wiederherzuſtellen: wenn er nur dieſes letzte Buch, voll von den unhaltbarſten Behauptungen, und mit ſeinen übri- gen Schriften auch ſonſt nicht zu vergleichen, nicht anerken- nen wolle. Mit dem aber wälze er ſich ſelbſt einen Stein in Weg: er werde machen, daß die übrige koſtbare Waare, die er ſonſt in Port bringen werde, verſinke. 1 Zuerſt ſchlug er dem Churfürſten von Sachſen vor, ihm ein paar Räthe zu nennen, mit denen er über die Mittel einer Aus- gleichung unterhandeln könne. Der Churfürſt entgegnete, er habe nicht gelehrte Räthe genug bei ſich. Glapio fragte hierauf, ob man ſich erwählten Schiedsmännern unterwer- fen wolle, deren Ausſpruch ſelbſt der Papſt werde aner-
1 Seckendorf Comm. de Lutheranismo I, p. 142.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0497"n="479"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Reichstag von</hi> 1521. <hirendition="#g">Glapio</hi>.</fw><lb/>
gebrochen geweſen ſeyn, wenn eine Rückſicht ihn gefeſſelt<lb/>
hätte von einem nicht durchaus religiöſen Inhalt. Nicht<lb/>
von den Bedürfniſſen der Nation ſondern von religiöſen<lb/>
Überzeugungen war er ausgegangen, ohne die er nie etwas<lb/>
gemacht hätte, und die ihn nun freilich weiter geführt hat-<lb/>
ten, als es zu jenem politiſchen Kampfe nöthig oder auch<lb/>
nützlich war. Der ewig freie Geiſt bewegt ſich in ſeinen<lb/>
eigenen Bahnen.</p><lb/><p>Noch hofften Einige, er werde einen Schritt zurück-<lb/>
treten: er werde ſich wenigſtens nicht zu ſeinen letzten här-<lb/>
teſten Äußerungen bekennen, wie ſie in dem Buch von der<lb/>
babyloniſchen Gefangenſchaft vorkamen. Beſonders war<lb/>
das die Meinung des kaiſerlichen Beichtvaters. Er hielt<lb/>
die päpſtliche Verdammungsbulle nicht für ein unüberſteig-<lb/>
liches Hinderniß gütlicher Beilegung: da Luther noch nicht<lb/>
gehört worden, ſo bleibe dem Papſt ein Ausweg übrig um<lb/>
ihn wiederherzuſtellen: wenn er nur dieſes letzte Buch, voll<lb/>
von den unhaltbarſten Behauptungen, und mit ſeinen übri-<lb/>
gen Schriften auch ſonſt nicht zu vergleichen, nicht anerken-<lb/>
nen wolle. Mit dem aber wälze er ſich ſelbſt einen Stein<lb/>
in Weg: er werde machen, daß die übrige koſtbare Waare,<lb/>
die er ſonſt in Port bringen werde, verſinke. <noteplace="foot"n="1">Seckendorf <hirendition="#aq">Comm. de Lutheranismo I, p.</hi> 142.</note> Zuerſt<lb/>ſchlug er dem Churfürſten von Sachſen vor, ihm ein paar<lb/>
Räthe zu nennen, mit denen er über die Mittel einer Aus-<lb/>
gleichung unterhandeln könne. Der Churfürſt entgegnete,<lb/>
er habe nicht gelehrte Räthe genug bei ſich. Glapio fragte<lb/>
hierauf, ob man ſich erwählten Schiedsmännern unterwer-<lb/>
fen wolle, deren Ausſpruch ſelbſt der Papſt werde aner-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[479/0497]
Reichstag von 1521. Glapio.
gebrochen geweſen ſeyn, wenn eine Rückſicht ihn gefeſſelt
hätte von einem nicht durchaus religiöſen Inhalt. Nicht
von den Bedürfniſſen der Nation ſondern von religiöſen
Überzeugungen war er ausgegangen, ohne die er nie etwas
gemacht hätte, und die ihn nun freilich weiter geführt hat-
ten, als es zu jenem politiſchen Kampfe nöthig oder auch
nützlich war. Der ewig freie Geiſt bewegt ſich in ſeinen
eigenen Bahnen.
Noch hofften Einige, er werde einen Schritt zurück-
treten: er werde ſich wenigſtens nicht zu ſeinen letzten här-
teſten Äußerungen bekennen, wie ſie in dem Buch von der
babyloniſchen Gefangenſchaft vorkamen. Beſonders war
das die Meinung des kaiſerlichen Beichtvaters. Er hielt
die päpſtliche Verdammungsbulle nicht für ein unüberſteig-
liches Hinderniß gütlicher Beilegung: da Luther noch nicht
gehört worden, ſo bleibe dem Papſt ein Ausweg übrig um
ihn wiederherzuſtellen: wenn er nur dieſes letzte Buch, voll
von den unhaltbarſten Behauptungen, und mit ſeinen übri-
gen Schriften auch ſonſt nicht zu vergleichen, nicht anerken-
nen wolle. Mit dem aber wälze er ſich ſelbſt einen Stein
in Weg: er werde machen, daß die übrige koſtbare Waare,
die er ſonſt in Port bringen werde, verſinke. 1 Zuerſt
ſchlug er dem Churfürſten von Sachſen vor, ihm ein paar
Räthe zu nennen, mit denen er über die Mittel einer Aus-
gleichung unterhandeln könne. Der Churfürſt entgegnete,
er habe nicht gelehrte Räthe genug bei ſich. Glapio fragte
hierauf, ob man ſich erwählten Schiedsmännern unterwer-
fen wolle, deren Ausſpruch ſelbſt der Papſt werde aner-
1 Seckendorf Comm. de Lutheranismo I, p. 142.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/497>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.