zug über die Alpen mit den Kräften der spanischen König- reiche zu Hülfe kommen konnte, wodurch es eben eine Be- deutung empfieng wie noch niemals. Schon die Proposition am Reichstag zeigte daß der junge Kaiser dazu entschlos- sen war: während der Verhandlungen war wiederholt von der Recuperation der abgekommenen Reichslande die Rede: dazu wurden die Bewilligungen des Reichstags gemacht: von Worms aus ward mit den Schweizern unterhandelt.
Da konnte nun von der Erhaltung des Friedens mit Frankreich nicht weiter die Rede seyn: das Land, auf das es vor allem ankam, das Herzogthum Mailand hatte Franz I in Besitz, ohne die Lehen jemals empfangen oder auch nur nachgesucht zu haben: eben diesem mußten die Unternehmungen des Kaisers zunächst gelten. Im Hin- tergrunde der sich allmählig entwickelnden Gedanken la- gen noch andre Pläne, z. B. auf das von Ludwig XI eingezogene Herzogthum Burgund, dessen Verlust man in den Niederlanden noch immer nicht verschmerzen konnte.
Was sich lange im Stillen vorbereitet, die Bildung zwei großer europäischer Mächte im Gegensatz mit einan- der, das trat in diesem Moment in volle Erscheinung. Das gewaltige Frankreich, durch seine innere Einheit und seine mannichfaltigen Verbindungen wie im Anfang des vierzehnten, so nach der Vertreibung der Engländer auch später im funfzehnten und anfangenden sechszehnten Jahr- hundert ohne Zweifel die größte Macht von Europa, sah sich von dem allmählig emporgekommenen Vasallen, den es schon erdrückt zu haben glaubte, aber der durch einige leichte und glückliche Familienverbindungen zu der reichsten
Zweites Buch. Viertes Capitel.
zug über die Alpen mit den Kräften der ſpaniſchen König- reiche zu Hülfe kommen konnte, wodurch es eben eine Be- deutung empfieng wie noch niemals. Schon die Propoſition am Reichstag zeigte daß der junge Kaiſer dazu entſchloſ- ſen war: während der Verhandlungen war wiederholt von der Recuperation der abgekommenen Reichslande die Rede: dazu wurden die Bewilligungen des Reichstags gemacht: von Worms aus ward mit den Schweizern unterhandelt.
Da konnte nun von der Erhaltung des Friedens mit Frankreich nicht weiter die Rede ſeyn: das Land, auf das es vor allem ankam, das Herzogthum Mailand hatte Franz I in Beſitz, ohne die Lehen jemals empfangen oder auch nur nachgeſucht zu haben: eben dieſem mußten die Unternehmungen des Kaiſers zunächſt gelten. Im Hin- tergrunde der ſich allmählig entwickelnden Gedanken la- gen noch andre Pläne, z. B. auf das von Ludwig XI eingezogene Herzogthum Burgund, deſſen Verluſt man in den Niederlanden noch immer nicht verſchmerzen konnte.
Was ſich lange im Stillen vorbereitet, die Bildung zwei großer europäiſcher Mächte im Gegenſatz mit einan- der, das trat in dieſem Moment in volle Erſcheinung. Das gewaltige Frankreich, durch ſeine innere Einheit und ſeine mannichfaltigen Verbindungen wie im Anfang des vierzehnten, ſo nach der Vertreibung der Engländer auch ſpäter im funfzehnten und anfangenden ſechszehnten Jahr- hundert ohne Zweifel die größte Macht von Europa, ſah ſich von dem allmählig emporgekommenen Vaſallen, den es ſchon erdrückt zu haben glaubte, aber der durch einige leichte und glückliche Familienverbindungen zu der reichſten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0486"n="468"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zweites Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/>
zug über die Alpen mit den Kräften der ſpaniſchen König-<lb/>
reiche zu Hülfe kommen konnte, wodurch es eben eine Be-<lb/>
deutung empfieng wie noch niemals. Schon die Propoſition<lb/>
am Reichstag zeigte daß der junge Kaiſer dazu entſchloſ-<lb/>ſen war: während der Verhandlungen war wiederholt von<lb/>
der Recuperation der abgekommenen Reichslande die Rede:<lb/>
dazu wurden die Bewilligungen des Reichstags gemacht:<lb/>
von Worms aus ward mit den Schweizern unterhandelt.</p><lb/><p>Da konnte nun von der Erhaltung des Friedens mit<lb/>
Frankreich nicht weiter die Rede ſeyn: das Land, auf das<lb/>
es vor allem ankam, das Herzogthum Mailand hatte<lb/>
Franz <hirendition="#aq">I</hi> in Beſitz, ohne die Lehen jemals empfangen oder<lb/>
auch nur nachgeſucht zu haben: eben dieſem mußten die<lb/>
Unternehmungen des Kaiſers zunächſt gelten. Im Hin-<lb/>
tergrunde der ſich allmählig entwickelnden Gedanken la-<lb/>
gen noch andre Pläne, z. B. auf das von Ludwig <hirendition="#aq">XI</hi><lb/>
eingezogene Herzogthum Burgund, deſſen Verluſt man in<lb/>
den Niederlanden noch immer nicht verſchmerzen konnte.</p><lb/><p>Was ſich lange im Stillen vorbereitet, die Bildung<lb/>
zwei großer europäiſcher Mächte im Gegenſatz mit einan-<lb/>
der, das trat in dieſem Moment in volle Erſcheinung.<lb/>
Das gewaltige Frankreich, durch ſeine innere Einheit und<lb/>ſeine mannichfaltigen Verbindungen wie im Anfang des<lb/>
vierzehnten, ſo nach der Vertreibung der Engländer auch<lb/>ſpäter im funfzehnten und anfangenden ſechszehnten Jahr-<lb/>
hundert ohne Zweifel die größte Macht von Europa, ſah<lb/>ſich von dem allmählig emporgekommenen Vaſallen, den<lb/>
es ſchon erdrückt zu haben glaubte, aber der durch einige<lb/>
leichte und glückliche Familienverbindungen zu der reichſten<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[468/0486]
Zweites Buch. Viertes Capitel.
zug über die Alpen mit den Kräften der ſpaniſchen König-
reiche zu Hülfe kommen konnte, wodurch es eben eine Be-
deutung empfieng wie noch niemals. Schon die Propoſition
am Reichstag zeigte daß der junge Kaiſer dazu entſchloſ-
ſen war: während der Verhandlungen war wiederholt von
der Recuperation der abgekommenen Reichslande die Rede:
dazu wurden die Bewilligungen des Reichstags gemacht:
von Worms aus ward mit den Schweizern unterhandelt.
Da konnte nun von der Erhaltung des Friedens mit
Frankreich nicht weiter die Rede ſeyn: das Land, auf das
es vor allem ankam, das Herzogthum Mailand hatte
Franz I in Beſitz, ohne die Lehen jemals empfangen oder
auch nur nachgeſucht zu haben: eben dieſem mußten die
Unternehmungen des Kaiſers zunächſt gelten. Im Hin-
tergrunde der ſich allmählig entwickelnden Gedanken la-
gen noch andre Pläne, z. B. auf das von Ludwig XI
eingezogene Herzogthum Burgund, deſſen Verluſt man in
den Niederlanden noch immer nicht verſchmerzen konnte.
Was ſich lange im Stillen vorbereitet, die Bildung
zwei großer europäiſcher Mächte im Gegenſatz mit einan-
der, das trat in dieſem Moment in volle Erſcheinung.
Das gewaltige Frankreich, durch ſeine innere Einheit und
ſeine mannichfaltigen Verbindungen wie im Anfang des
vierzehnten, ſo nach der Vertreibung der Engländer auch
ſpäter im funfzehnten und anfangenden ſechszehnten Jahr-
hundert ohne Zweifel die größte Macht von Europa, ſah
ſich von dem allmählig emporgekommenen Vaſallen, den
es ſchon erdrückt zu haben glaubte, aber der durch einige
leichte und glückliche Familienverbindungen zu der reichſten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/486>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.