Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Reichstag v. 1521. Auswärtige Verhältnisse.
nommen. Es hatte zwar überall, auch in Neapel und in
Sicilien rebellische Bewegungen gegeben, aber sie waren
überall beseitigt worden; das durch die Herrschaft eines
Hofes von Fremdlingen beleidigte Selbstgefühl der Casti-
lianer flammte so eben in dem Aufruhr der Commune
empor, allein man besaß dort in der Geistlichkeit und in
den Granden[ - 1 Zeichen fehlt]matürliche Verbündete, und brauchte ihn nicht
zu fürchten. Jetzt war nun auch die Erbschaft Maximi-
lians angetreten worden. Die östreichischen Erbländer mit
allen Rechten und Aussichten nach dem östlichen Europa
hin, welche der alte Kaiser erworben, überließ man dem
jüngern Sprößling des Hauses, der docl, schon durch das
Bedürfniß der Hülfe worin er war, in steter Abhängigkeit
erhalten wurde: das Kaiserthum nahm man selbst in die
Hand: man gründete den Einfluß des Hauses in Deutsch-
land wir sahen eben mit welcher Sorgfalt.

Alles dieß geschah unter unaufhörlichen Reibungen
und Competenzen mit Frankreich, deren Ursprung in den
Streitigkeiten der alten Herzoge und der alten Könige lag:
allein man leitete zu Brüssel die Geschäfte so geschickt, daß
man den Frieden auch unter den schwierigsten Umständen
immer erhielt. Die Nachfolger Ludwigs XI mußten, wie
ungern auch immer, geschehen lassen, daß die Nachkommen
Carls des Kühnen eine Macht consolidirten, die alles ohne
Vergleich übertraf, was damals hatte erwartet werden können.

Für den burgundischen Hof war nun nichts mehr
übrig, als sich auch in Besitz der kaiserlichen Rechte in
Italien zu setzen, was um so ausführbarer schien, da er
auch Neapel und Sicilien beherrschte, da er einem Rom-

30*

Reichstag v. 1521. Auswaͤrtige Verhaͤltniſſe.
nommen. Es hatte zwar überall, auch in Neapel und in
Sicilien rebelliſche Bewegungen gegeben, aber ſie waren
überall beſeitigt worden; das durch die Herrſchaft eines
Hofes von Fremdlingen beleidigte Selbſtgefühl der Caſti-
lianer flammte ſo eben in dem Aufruhr der Commune
empor, allein man beſaß dort in der Geiſtlichkeit und in
den Granden[ – 1 Zeichen fehlt]matürliche Verbündete, und brauchte ihn nicht
zu fürchten. Jetzt war nun auch die Erbſchaft Maximi-
lians angetreten worden. Die öſtreichiſchen Erbländer mit
allen Rechten und Ausſichten nach dem öſtlichen Europa
hin, welche der alte Kaiſer erworben, überließ man dem
jüngern Sprößling des Hauſes, der docl, ſchon durch das
Bedürfniß der Hülfe worin er war, in ſteter Abhängigkeit
erhalten wurde: das Kaiſerthum nahm man ſelbſt in die
Hand: man gründete den Einfluß des Hauſes in Deutſch-
land wir ſahen eben mit welcher Sorgfalt.

Alles dieß geſchah unter unaufhörlichen Reibungen
und Competenzen mit Frankreich, deren Urſprung in den
Streitigkeiten der alten Herzoge und der alten Könige lag:
allein man leitete zu Brüſſel die Geſchäfte ſo geſchickt, daß
man den Frieden auch unter den ſchwierigſten Umſtänden
immer erhielt. Die Nachfolger Ludwigs XI mußten, wie
ungern auch immer, geſchehen laſſen, daß die Nachkommen
Carls des Kühnen eine Macht conſolidirten, die alles ohne
Vergleich übertraf, was damals hatte erwartet werden können.

Für den burgundiſchen Hof war nun nichts mehr
übrig, als ſich auch in Beſitz der kaiſerlichen Rechte in
Italien zu ſetzen, was um ſo ausführbarer ſchien, da er
auch Neapel und Sicilien beherrſchte, da er einem Rom-

30*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0485" n="467"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Reichstag v.</hi> 1521. <hi rendition="#g">Auswa&#x0364;rtige Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e</hi>.</fw><lb/>
nommen. Es hatte zwar überall, auch in Neapel und in<lb/>
Sicilien rebelli&#x017F;che Bewegungen gegeben, aber &#x017F;ie waren<lb/>
überall be&#x017F;eitigt worden; das durch die Herr&#x017F;chaft eines<lb/>
Hofes von Fremdlingen beleidigte Selb&#x017F;tgefühl der Ca&#x017F;ti-<lb/>
lianer flammte &#x017F;o eben in dem Aufruhr der Commune<lb/>
empor, allein man be&#x017F;aß dort in der Gei&#x017F;tlichkeit und in<lb/>
den Granden<gap unit="chars" quantity="1"/>matürliche Verbündete, und brauchte ihn nicht<lb/>
zu fürchten. Jetzt war nun auch die Erb&#x017F;chaft Maximi-<lb/>
lians angetreten worden. Die ö&#x017F;treichi&#x017F;chen Erbländer mit<lb/>
allen Rechten und Aus&#x017F;ichten nach dem ö&#x017F;tlichen Europa<lb/>
hin, welche der alte Kai&#x017F;er erworben, überließ man dem<lb/>
jüngern Sprößling des Hau&#x017F;es, der docl, &#x017F;chon durch das<lb/>
Bedürfniß der Hülfe worin er war, in &#x017F;teter Abhängigkeit<lb/>
erhalten wurde: das Kai&#x017F;erthum nahm man &#x017F;elb&#x017F;t in die<lb/>
Hand: man gründete den Einfluß des Hau&#x017F;es in Deut&#x017F;ch-<lb/>
land wir &#x017F;ahen eben mit welcher Sorgfalt.</p><lb/>
            <p>Alles dieß ge&#x017F;chah unter unaufhörlichen Reibungen<lb/>
und Competenzen mit Frankreich, deren Ur&#x017F;prung in den<lb/>
Streitigkeiten der alten Herzoge und der alten Könige lag:<lb/>
allein man leitete zu Brü&#x017F;&#x017F;el die Ge&#x017F;chäfte &#x017F;o ge&#x017F;chickt, daß<lb/>
man den Frieden auch unter den &#x017F;chwierig&#x017F;ten Um&#x017F;tänden<lb/>
immer erhielt. Die Nachfolger Ludwigs <hi rendition="#aq">XI</hi> mußten, wie<lb/>
ungern auch immer, ge&#x017F;chehen la&#x017F;&#x017F;en, daß die Nachkommen<lb/>
Carls des Kühnen eine Macht con&#x017F;olidirten, die alles ohne<lb/>
Vergleich übertraf, was damals hatte erwartet werden können.</p><lb/>
            <p>Für den burgundi&#x017F;chen Hof war nun nichts mehr<lb/>
übrig, als &#x017F;ich auch in Be&#x017F;itz der kai&#x017F;erlichen Rechte in<lb/>
Italien zu &#x017F;etzen, was um &#x017F;o ausführbarer &#x017F;chien, da er<lb/>
auch Neapel und Sicilien beherr&#x017F;chte, da er einem Rom-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">30*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[467/0485] Reichstag v. 1521. Auswaͤrtige Verhaͤltniſſe. nommen. Es hatte zwar überall, auch in Neapel und in Sicilien rebelliſche Bewegungen gegeben, aber ſie waren überall beſeitigt worden; das durch die Herrſchaft eines Hofes von Fremdlingen beleidigte Selbſtgefühl der Caſti- lianer flammte ſo eben in dem Aufruhr der Commune empor, allein man beſaß dort in der Geiſtlichkeit und in den Granden_matürliche Verbündete, und brauchte ihn nicht zu fürchten. Jetzt war nun auch die Erbſchaft Maximi- lians angetreten worden. Die öſtreichiſchen Erbländer mit allen Rechten und Ausſichten nach dem öſtlichen Europa hin, welche der alte Kaiſer erworben, überließ man dem jüngern Sprößling des Hauſes, der docl, ſchon durch das Bedürfniß der Hülfe worin er war, in ſteter Abhängigkeit erhalten wurde: das Kaiſerthum nahm man ſelbſt in die Hand: man gründete den Einfluß des Hauſes in Deutſch- land wir ſahen eben mit welcher Sorgfalt. Alles dieß geſchah unter unaufhörlichen Reibungen und Competenzen mit Frankreich, deren Urſprung in den Streitigkeiten der alten Herzoge und der alten Könige lag: allein man leitete zu Brüſſel die Geſchäfte ſo geſchickt, daß man den Frieden auch unter den ſchwierigſten Umſtänden immer erhielt. Die Nachfolger Ludwigs XI mußten, wie ungern auch immer, geſchehen laſſen, daß die Nachkommen Carls des Kühnen eine Macht conſolidirten, die alles ohne Vergleich übertraf, was damals hatte erwartet werden können. Für den burgundiſchen Hof war nun nichts mehr übrig, als ſich auch in Beſitz der kaiſerlichen Rechte in Italien zu ſetzen, was um ſo ausführbarer ſchien, da er auch Neapel und Sicilien beherrſchte, da er einem Rom- 30*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/485
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/485>, abgerufen am 22.11.2024.