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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Abfall Luthers.
worben, und die damit zusammenhängenden Grundsätze der
Lehre in jener Bulle aufs neue proclamirte, stellte sich ihm
von einem kleinen deutschen Orte her, von einem oder zwei
Universitätslehrern aufgefaßt, die Idee einer neuen auf das
geistliche Amt zurückgeführten Kirchenverfassung und einer
von allen Doctrinen der Scholastik absehenden, auf die
ursprünglichen Prinzipien der ältesten Verkündiger zurück-
gehenden Lehre entgegen. Der Papst hoffte dieselbe in
ihrem Beginn zu ersticken. Aber wie so lange Epochen
sollten er und sie mit ihrem Widerstreit erfüllen!

Wir sahen, Wittenberg berührte die Bulle des Pap-
stes nicht. Luther konnte es wagen, den Papst selbst für
einen Unterdrücker des göttlichen Wortes, an dessen Stelle
er seine eignen Meinungen setze, ja für einen verstockten
Ketzer zu erklären. Auch Carlstadt erhob sich gegen den
grimmigen florentinischen Löwen, der den Deutschen nie
etwas Gutes gegönnt, der jetzt die wahrsten Lehrsätze ver-
damme, wider göttliches und natürliches Gesetz, ohne die
Vertheidiger derselben nur vorgeladen zu haben. Die ganze
Universität schloß sich eng und enger um ihren Helden an,
der ihr eigentlich ein Daseyn und eine Bedeutung gege-
ben. Da die Nachricht eintraf, daß man hie und da die
Bulle auszuführen, Luthers Bücher zu verbrennen beginne,
fühlte sich dieser stark genug diese Unbill an den päpstli-
chen Schriften zu rächen. Durch einen förmlichen Anschlag
am schwarzen Bret dazu eingeladen versammelte sich am
10ten Dez. 1520 die damals überaus zahlreiche akademi-
sche Jugend 1 vor dem Elsterthore von Wittenberg; es

1 Nach Sennert Athenae et Inscriptiones Vitebergenses

Abfall Luthers.
worben, und die damit zuſammenhängenden Grundſätze der
Lehre in jener Bulle aufs neue proclamirte, ſtellte ſich ihm
von einem kleinen deutſchen Orte her, von einem oder zwei
Univerſitätslehrern aufgefaßt, die Idee einer neuen auf das
geiſtliche Amt zurückgeführten Kirchenverfaſſung und einer
von allen Doctrinen der Scholaſtik abſehenden, auf die
urſprünglichen Prinzipien der älteſten Verkündiger zurück-
gehenden Lehre entgegen. Der Papſt hoffte dieſelbe in
ihrem Beginn zu erſticken. Aber wie ſo lange Epochen
ſollten er und ſie mit ihrem Widerſtreit erfüllen!

Wir ſahen, Wittenberg berührte die Bulle des Pap-
ſtes nicht. Luther konnte es wagen, den Papſt ſelbſt für
einen Unterdrücker des göttlichen Wortes, an deſſen Stelle
er ſeine eignen Meinungen ſetze, ja für einen verſtockten
Ketzer zu erklären. Auch Carlſtadt erhob ſich gegen den
grimmigen florentiniſchen Löwen, der den Deutſchen nie
etwas Gutes gegönnt, der jetzt die wahrſten Lehrſätze ver-
damme, wider göttliches und natürliches Geſetz, ohne die
Vertheidiger derſelben nur vorgeladen zu haben. Die ganze
Univerſität ſchloß ſich eng und enger um ihren Helden an,
der ihr eigentlich ein Daſeyn und eine Bedeutung gege-
ben. Da die Nachricht eintraf, daß man hie und da die
Bulle auszuführen, Luthers Bücher zu verbrennen beginne,
fühlte ſich dieſer ſtark genug dieſe Unbill an den päpſtli-
chen Schriften zu rächen. Durch einen förmlichen Anſchlag
am ſchwarzen Bret dazu eingeladen verſammelte ſich am
10ten Dez. 1520 die damals überaus zahlreiche akademi-
ſche Jugend 1 vor dem Elſterthore von Wittenberg; es

1 Nach Sennert Athenae et Inscriptiones Vitebergenses
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[441/0459] Abfall Luthers. worben, und die damit zuſammenhängenden Grundſätze der Lehre in jener Bulle aufs neue proclamirte, ſtellte ſich ihm von einem kleinen deutſchen Orte her, von einem oder zwei Univerſitätslehrern aufgefaßt, die Idee einer neuen auf das geiſtliche Amt zurückgeführten Kirchenverfaſſung und einer von allen Doctrinen der Scholaſtik abſehenden, auf die urſprünglichen Prinzipien der älteſten Verkündiger zurück- gehenden Lehre entgegen. Der Papſt hoffte dieſelbe in ihrem Beginn zu erſticken. Aber wie ſo lange Epochen ſollten er und ſie mit ihrem Widerſtreit erfüllen! Wir ſahen, Wittenberg berührte die Bulle des Pap- ſtes nicht. Luther konnte es wagen, den Papſt ſelbſt für einen Unterdrücker des göttlichen Wortes, an deſſen Stelle er ſeine eignen Meinungen ſetze, ja für einen verſtockten Ketzer zu erklären. Auch Carlſtadt erhob ſich gegen den grimmigen florentiniſchen Löwen, der den Deutſchen nie etwas Gutes gegönnt, der jetzt die wahrſten Lehrſätze ver- damme, wider göttliches und natürliches Geſetz, ohne die Vertheidiger derſelben nur vorgeladen zu haben. Die ganze Univerſität ſchloß ſich eng und enger um ihren Helden an, der ihr eigentlich ein Daſeyn und eine Bedeutung gege- ben. Da die Nachricht eintraf, daß man hie und da die Bulle auszuführen, Luthers Bücher zu verbrennen beginne, fühlte ſich dieſer ſtark genug dieſe Unbill an den päpſtli- chen Schriften zu rächen. Durch einen förmlichen Anſchlag am ſchwarzen Bret dazu eingeladen verſammelte ſich am 10ten Dez. 1520 die damals überaus zahlreiche akademi- ſche Jugend 1 vor dem Elſterthore von Wittenberg; es 1 Nach Sennert Athenae et Inscriptiones Vitebergenses

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/459>, abgerufen am 22.11.2024.