Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Bulle gegen Luther.
unmittelbar und gradezu wider die ganze Stellung dessel-
ben, wider die Idee die er von seiner Berechtigung gel-
tend gemacht. Er gehörte nicht mehr dem Gebiete der
Theologie allein an: zum ersten Mal hatten die Elemente
der Opposition, die in der Nation vorhanden waren, das
allgemein literarische und das politische, sich mit dem
theologischen berührt, verständigt, wenn noch nicht ganz
vereinigt; sie nahmen sämmtlich eine große Richtung wi-
der die Prärogativen des Papstes zu Rom.

Dieß führte nun auch dahin, daß auf der andern
Seite eine ähnliche Vereinigung geschah und der römische
Stuhl, der in der Sache noch immer an sich gehalten, end-
lich eine definitive Sentenz zu geben bewogen ward.

Bulle Leos X.

Gehn wir davon aus, daß die Männer alter Schule
sich nicht begnügten, Luthern mit alle der Autorität, in
deren Besitz sie noch waren, entgegenzutreten -- wie denn
die dominicanischen Universitäten Löwen und Cölln ein
feierliches Verdammungsurtheil über seine Schriften aus-
sprachen -- sondern sich aufs neue als die getreuesten eng-
sten Verbündeten des römischen Stuhles zu bewähren such-
ten. Die Angriffe der Deutschen waren ihnen ein Anlaß,
die Omnipotenz der päpstlichen Gewalt rücksichtsloser zu
erheben als jemals. Jener Meister des heiligen Pallastes
Silvestro Mazzolini erschien mit einer Schrift, 1 in welcher

1 De juridica et irrefragabili veritate Romanae ecclesiae
Romanique Pontificis
bei Roccaberti: Bibl. Max. Tom. XIX, p. 264.

Bulle gegen Luther.
unmittelbar und gradezu wider die ganze Stellung deſſel-
ben, wider die Idee die er von ſeiner Berechtigung gel-
tend gemacht. Er gehörte nicht mehr dem Gebiete der
Theologie allein an: zum erſten Mal hatten die Elemente
der Oppoſition, die in der Nation vorhanden waren, das
allgemein literariſche und das politiſche, ſich mit dem
theologiſchen berührt, verſtändigt, wenn noch nicht ganz
vereinigt; ſie nahmen ſämmtlich eine große Richtung wi-
der die Prärogativen des Papſtes zu Rom.

Dieß führte nun auch dahin, daß auf der andern
Seite eine ähnliche Vereinigung geſchah und der römiſche
Stuhl, der in der Sache noch immer an ſich gehalten, end-
lich eine definitive Sentenz zu geben bewogen ward.

Bulle Leos X.

Gehn wir davon aus, daß die Männer alter Schule
ſich nicht begnügten, Luthern mit alle der Autorität, in
deren Beſitz ſie noch waren, entgegenzutreten — wie denn
die dominicaniſchen Univerſitäten Löwen und Cölln ein
feierliches Verdammungsurtheil über ſeine Schriften aus-
ſprachen — ſondern ſich aufs neue als die getreueſten eng-
ſten Verbündeten des römiſchen Stuhles zu bewähren ſuch-
ten. Die Angriffe der Deutſchen waren ihnen ein Anlaß,
die Omnipotenz der päpſtlichen Gewalt rückſichtsloſer zu
erheben als jemals. Jener Meiſter des heiligen Pallaſtes
Silveſtro Mazzolini erſchien mit einer Schrift, 1 in welcher

1 De juridica et irrefragabili veritate Romanae ecclesiae
Romanique Pontificis
bei Roccaberti: Bibl. Max. Tom. XIX, p. 264.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0441" n="423"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Bulle gegen Luther</hi>.</fw><lb/>
unmittelbar und gradezu wider die ganze Stellung de&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
ben, wider die Idee die er von &#x017F;einer Berechtigung gel-<lb/>
tend gemacht. Er gehörte nicht mehr dem Gebiete der<lb/>
Theologie allein an: zum er&#x017F;ten Mal hatten die Elemente<lb/>
der Oppo&#x017F;ition, die in der Nation vorhanden waren, das<lb/>
allgemein literari&#x017F;che und das politi&#x017F;che, &#x017F;ich mit dem<lb/>
theologi&#x017F;chen berührt, ver&#x017F;tändigt, wenn noch nicht ganz<lb/>
vereinigt; &#x017F;ie nahmen &#x017F;ämmtlich eine große Richtung wi-<lb/>
der die Prärogativen des Pap&#x017F;tes zu Rom.</p><lb/>
            <p>Dieß führte nun auch dahin, daß auf der andern<lb/>
Seite eine ähnliche Vereinigung ge&#x017F;chah und der römi&#x017F;che<lb/>
Stuhl, der in der Sache noch immer an &#x017F;ich gehalten, end-<lb/>
lich eine definitive Sentenz zu geben bewogen ward.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Bulle Leos <hi rendition="#aq">X.</hi></head><lb/>
            <p>Gehn wir davon aus, daß die Männer alter Schule<lb/>
&#x017F;ich nicht begnügten, Luthern mit alle der Autorität, in<lb/>
deren Be&#x017F;itz &#x017F;ie noch waren, entgegenzutreten &#x2014; wie denn<lb/>
die dominicani&#x017F;chen Univer&#x017F;itäten Löwen und Cölln ein<lb/>
feierliches Verdammungsurtheil über &#x017F;eine Schriften aus-<lb/>
&#x017F;prachen &#x2014; &#x017F;ondern &#x017F;ich aufs neue als die getreue&#x017F;ten eng-<lb/>
&#x017F;ten Verbündeten des römi&#x017F;chen Stuhles zu bewähren &#x017F;uch-<lb/>
ten. Die Angriffe der Deut&#x017F;chen waren ihnen ein Anlaß,<lb/>
die Omnipotenz der päp&#x017F;tlichen Gewalt rück&#x017F;ichtslo&#x017F;er zu<lb/>
erheben als jemals. Jener Mei&#x017F;ter des heiligen Palla&#x017F;tes<lb/>
Silve&#x017F;tro Mazzolini er&#x017F;chien mit einer Schrift, <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">De juridica et irrefragabili veritate Romanae ecclesiae<lb/>
Romanique Pontificis</hi> bei Roccaberti: <hi rendition="#aq">Bibl. Max. Tom. XIX, p. 264.</hi></note> in welcher<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[423/0441] Bulle gegen Luther. unmittelbar und gradezu wider die ganze Stellung deſſel- ben, wider die Idee die er von ſeiner Berechtigung gel- tend gemacht. Er gehörte nicht mehr dem Gebiete der Theologie allein an: zum erſten Mal hatten die Elemente der Oppoſition, die in der Nation vorhanden waren, das allgemein literariſche und das politiſche, ſich mit dem theologiſchen berührt, verſtändigt, wenn noch nicht ganz vereinigt; ſie nahmen ſämmtlich eine große Richtung wi- der die Prärogativen des Papſtes zu Rom. Dieß führte nun auch dahin, daß auf der andern Seite eine ähnliche Vereinigung geſchah und der römiſche Stuhl, der in der Sache noch immer an ſich gehalten, end- lich eine definitive Sentenz zu geben bewogen ward. Bulle Leos X. Gehn wir davon aus, daß die Männer alter Schule ſich nicht begnügten, Luthern mit alle der Autorität, in deren Beſitz ſie noch waren, entgegenzutreten — wie denn die dominicaniſchen Univerſitäten Löwen und Cölln ein feierliches Verdammungsurtheil über ſeine Schriften aus- ſprachen — ſondern ſich aufs neue als die getreueſten eng- ſten Verbündeten des römiſchen Stuhles zu bewähren ſuch- ten. Die Angriffe der Deutſchen waren ihnen ein Anlaß, die Omnipotenz der päpſtlichen Gewalt rückſichtsloſer zu erheben als jemals. Jener Meiſter des heiligen Pallaſtes Silveſtro Mazzolini erſchien mit einer Schrift, 1 in welcher 1 De juridica et irrefragabili veritate Romanae ecclesiae Romanique Pontificis bei Roccaberti: Bibl. Max. Tom. XIX, p. 264.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/441
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/441>, abgerufen am 23.11.2024.