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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Drittes Capitel.
wirkungen von Rom nicht mehr. Allenthalben predigte
Hutten, Deutschland müsse Rom verlassen und zu seinen
Bischöfen und Primaten zurückkehren. "Zu deinen Gezel-
ten Israel," rief er aus, und wir vernehmen, daß er bei
Fürsten und Städten vielen Anklang fand. 1 Er hielt sich
gleichsam für bestimmt diese Sache durchzusetzen, und eilte
an den Hof des Erzherzogs, um ihn wo möglich persön-
lich zu gewinnen, mit sich fortzureißen. Schon erfüllte
ihn eine kühne Siegeszuversicht. In einer Schrift, die er
unterwegs verfaßte, weissagt er, die Tyrannei von Rom
werde nicht mehr lange dauern, schon sey die Axt an die
Wurzel des Baumes gelegt. Er fordert die Deutschen auf,
nur Vertrauen zu ihren tapfern Anführern zu haben, nicht
etwa in der Mitte des Streites zu ermatten: denn hin-
durch müsse man, hindurch, bei dieser günstigen Lage der
Umstände, dieser guten Sache, diesen herrlichen Kräften.
"Es lebe die Freiheit. Jacta est alea." Das war sein
Wahlspruch: der Würfel ist gefallen, ich habs gewagt. 2 --

Diese Wendung nahm jetzt, und zwar nicht ohne große
Schuld der Vertheidiger des römischen Stuhles, die Sache
Luthers. Der Angriff, der nur einer Seite des großen Sy-
stemes gegolten, und von da aus allerdings auch dem
Oberhaupt sehr unbequem geworden wäre, richtete sich nun

nicht zu Stande kam, lag hauptsächlich daran, daß Friedrich Luthern
auf jenen Reichstag mitbringen wollte, der noch im Nov. 1519 gehal-
ten werden sollte, den aber die kaiserlichen Commissarien verhinderten.
1 Agrippa a Nettesheim Johi Rogerio Brennonio ex Co-
lonia 16 Junii 1520. (Epp. Agrippae lib. II, p. 99.) Relinquat Ro-
manos Germania et revertatur ad primates et episcopos suos.
2 Ad liberos in Germania omnes. Opp. III, 563.

Zweites Buch. Drittes Capitel.
wirkungen von Rom nicht mehr. Allenthalben predigte
Hutten, Deutſchland müſſe Rom verlaſſen und zu ſeinen
Biſchöfen und Primaten zurückkehren. „Zu deinen Gezel-
ten Iſrael,“ rief er aus, und wir vernehmen, daß er bei
Fürſten und Städten vielen Anklang fand. 1 Er hielt ſich
gleichſam für beſtimmt dieſe Sache durchzuſetzen, und eilte
an den Hof des Erzherzogs, um ihn wo möglich perſön-
lich zu gewinnen, mit ſich fortzureißen. Schon erfüllte
ihn eine kühne Siegeszuverſicht. In einer Schrift, die er
unterwegs verfaßte, weiſſagt er, die Tyrannei von Rom
werde nicht mehr lange dauern, ſchon ſey die Axt an die
Wurzel des Baumes gelegt. Er fordert die Deutſchen auf,
nur Vertrauen zu ihren tapfern Anführern zu haben, nicht
etwa in der Mitte des Streites zu ermatten: denn hin-
durch müſſe man, hindurch, bei dieſer günſtigen Lage der
Umſtände, dieſer guten Sache, dieſen herrlichen Kräften.
„Es lebe die Freiheit. Jacta est alea.“ Das war ſein
Wahlſpruch: der Würfel iſt gefallen, ich habs gewagt. 2

Dieſe Wendung nahm jetzt, und zwar nicht ohne große
Schuld der Vertheidiger des römiſchen Stuhles, die Sache
Luthers. Der Angriff, der nur einer Seite des großen Sy-
ſtemes gegolten, und von da aus allerdings auch dem
Oberhaupt ſehr unbequem geworden wäre, richtete ſich nun

nicht zu Stande kam, lag hauptſaͤchlich daran, daß Friedrich Luthern
auf jenen Reichstag mitbringen wollte, der noch im Nov. 1519 gehal-
ten werden ſollte, den aber die kaiſerlichen Commiſſarien verhinderten.
1 Agrippa a Nettesheim Johi Rogerio Brennonio ex Co-
lonia 16 Junii 1520. (Epp. Agrippae lib. II, p. 99.) Relinquat Ro-
manos Germania et revertatur ad primates et episcopos suos.
2 Ad liberos in Germania omnes. Opp. III, 563.
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[422/0440] Zweites Buch. Drittes Capitel. wirkungen von Rom nicht mehr. Allenthalben predigte Hutten, Deutſchland müſſe Rom verlaſſen und zu ſeinen Biſchöfen und Primaten zurückkehren. „Zu deinen Gezel- ten Iſrael,“ rief er aus, und wir vernehmen, daß er bei Fürſten und Städten vielen Anklang fand. 1 Er hielt ſich gleichſam für beſtimmt dieſe Sache durchzuſetzen, und eilte an den Hof des Erzherzogs, um ihn wo möglich perſön- lich zu gewinnen, mit ſich fortzureißen. Schon erfüllte ihn eine kühne Siegeszuverſicht. In einer Schrift, die er unterwegs verfaßte, weiſſagt er, die Tyrannei von Rom werde nicht mehr lange dauern, ſchon ſey die Axt an die Wurzel des Baumes gelegt. Er fordert die Deutſchen auf, nur Vertrauen zu ihren tapfern Anführern zu haben, nicht etwa in der Mitte des Streites zu ermatten: denn hin- durch müſſe man, hindurch, bei dieſer günſtigen Lage der Umſtände, dieſer guten Sache, dieſen herrlichen Kräften. „Es lebe die Freiheit. Jacta est alea.“ Das war ſein Wahlſpruch: der Würfel iſt gefallen, ich habs gewagt. 2 — Dieſe Wendung nahm jetzt, und zwar nicht ohne große Schuld der Vertheidiger des römiſchen Stuhles, die Sache Luthers. Der Angriff, der nur einer Seite des großen Sy- ſtemes gegolten, und von da aus allerdings auch dem Oberhaupt ſehr unbequem geworden wäre, richtete ſich nun 2 1 Agrippa a Nettesheim Johi Rogerio Brennonio ex Co- lonia 16 Junii 1520. (Epp. Agrippae lib. II, p. 99.) Relinquat Ro- manos Germania et revertatur ad primates et episcopos suos. 2 Ad liberos in Germania omnes. Opp. III, 563. 2 nicht zu Stande kam, lag hauptſaͤchlich daran, daß Friedrich Luthern auf jenen Reichstag mitbringen wollte, der noch im Nov. 1519 gehal- ten werden ſollte, den aber die kaiſerlichen Commiſſarien verhinderten.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/440>, abgerufen am 22.11.2024.