Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Hutten. große, einfache, die allgemeine Theilnahme fortreißende Be-strebungen, eine ernste Gesinnung, er liebt, wie er sich ein- mal ausdrückt, "die göttliche Wahrheit, die gemeine Frei- heit." Der Sieg der Reuchlinisten war auch ihm zu Gute gekommen: er fand Aufnahme an dem Hofe des Chur- fürsten Albrecht von Mainz: mit dem mächtigen Sickin- gen trat er in vertrauliches Verhältniß; auch von seiner Krankheit ward er geheilt und er konnte wohl daran den- ken, sich zu verheirathen, sein väterliches Erbe anzutreten: ein häuslich ruhiges Leben muthete auch ihn an: durch den Glanz einer schon erworbenen Reputation wäre es doch auf immer gehoben gewesen. Da berührte ihn der Hauch des Geistes, welchen Luther in der Nation erweckt hatte: eine Aussicht that sich auf gegen die alle bishe- rige Erfolge nur wie ein Kinderspiel erschienen: seine ganze Überzeugung, alle Triebe seines Geistes und seiner That- kraft waren davon ergriffen. Einen Augenblick gieng Hut- ten mit sich zu Rathe. Der Feind den man angriff, war der mächtigste den es gab, der noch nie unterlegen, der seine Gewalt mit tausend Armen handhabte: wer es mit ihm aufnahm, mußte wissen, daß er sein Lebtag niemals wieder Ruhe finden würde; Hutten verbarg es sich nicht: man sprach darüber in der Familie, die auch ihre Güter durch dieß Unternehmen bedroht glaubte, "meine fromme Mutter weinte," sagt er; -- aber er riß sich los, ver- zichtete auf sein väterliches Erbe und griff noch einmal zu den Waffen. 1 1 Entschuldigung Ulrichs von Hutten bei Meiners Lebensbe- schreibungen berühmter Männer etc. III, 479. 27*
Hutten. große, einfache, die allgemeine Theilnahme fortreißende Be-ſtrebungen, eine ernſte Geſinnung, er liebt, wie er ſich ein- mal ausdrückt, „die göttliche Wahrheit, die gemeine Frei- heit.“ Der Sieg der Reuchliniſten war auch ihm zu Gute gekommen: er fand Aufnahme an dem Hofe des Chur- fürſten Albrecht von Mainz: mit dem mächtigen Sickin- gen trat er in vertrauliches Verhältniß; auch von ſeiner Krankheit ward er geheilt und er konnte wohl daran den- ken, ſich zu verheirathen, ſein väterliches Erbe anzutreten: ein häuslich ruhiges Leben muthete auch ihn an: durch den Glanz einer ſchon erworbenen Reputation wäre es doch auf immer gehoben geweſen. Da berührte ihn der Hauch des Geiſtes, welchen Luther in der Nation erweckt hatte: eine Ausſicht that ſich auf gegen die alle bishe- rige Erfolge nur wie ein Kinderſpiel erſchienen: ſeine ganze Überzeugung, alle Triebe ſeines Geiſtes und ſeiner That- kraft waren davon ergriffen. Einen Augenblick gieng Hut- ten mit ſich zu Rathe. Der Feind den man angriff, war der mächtigſte den es gab, der noch nie unterlegen, der ſeine Gewalt mit tauſend Armen handhabte: wer es mit ihm aufnahm, mußte wiſſen, daß er ſein Lebtag niemals wieder Ruhe finden würde; Hutten verbarg es ſich nicht: man ſprach darüber in der Familie, die auch ihre Güter durch dieß Unternehmen bedroht glaubte, „meine fromme Mutter weinte,“ ſagt er; — aber er riß ſich los, ver- zichtete auf ſein väterliches Erbe und griff noch einmal zu den Waffen. 1 1 Entſchuldigung Ulrichs von Hutten bei Meiners Lebensbe- ſchreibungen beruͤhmter Maͤnner ꝛc. III, 479. 27*
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Hutten.
große, einfache, die allgemeine Theilnahme fortreißende Be-
ſtrebungen, eine ernſte Geſinnung, er liebt, wie er ſich ein-
mal ausdrückt, „die göttliche Wahrheit, die gemeine Frei-
heit.“ Der Sieg der Reuchliniſten war auch ihm zu Gute
gekommen: er fand Aufnahme an dem Hofe des Chur-
fürſten Albrecht von Mainz: mit dem mächtigen Sickin-
gen trat er in vertrauliches Verhältniß; auch von ſeiner
Krankheit ward er geheilt und er konnte wohl daran den-
ken, ſich zu verheirathen, ſein väterliches Erbe anzutreten:
ein häuslich ruhiges Leben muthete auch ihn an: durch
den Glanz einer ſchon erworbenen Reputation wäre es
doch auf immer gehoben geweſen. Da berührte ihn der
Hauch des Geiſtes, welchen Luther in der Nation erweckt
hatte: eine Ausſicht that ſich auf gegen die alle bishe-
rige Erfolge nur wie ein Kinderſpiel erſchienen: ſeine ganze
Überzeugung, alle Triebe ſeines Geiſtes und ſeiner That-
kraft waren davon ergriffen. Einen Augenblick gieng Hut-
ten mit ſich zu Rathe. Der Feind den man angriff, war
der mächtigſte den es gab, der noch nie unterlegen, der
ſeine Gewalt mit tauſend Armen handhabte: wer es mit
ihm aufnahm, mußte wiſſen, daß er ſein Lebtag niemals
wieder Ruhe finden würde; Hutten verbarg es ſich nicht:
man ſprach darüber in der Familie, die auch ihre Güter
durch dieß Unternehmen bedroht glaubte, „meine fromme
Mutter weinte,“ ſagt er; — aber er riß ſich los, ver-
zichtete auf ſein väterliches Erbe und griff noch einmal zu
den Waffen. 1
1 Entſchuldigung Ulrichs von Hutten bei Meiners Lebensbe-
ſchreibungen beruͤhmter Maͤnner ꝛc. III, 479.
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Zitationshilfe: | Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/437>, abgerufen am 16.02.2025. |