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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Drittes Capitel.
Universität Wittenberg zu Gute. Man war da im Ge-
fühl eines glücklich begonnenen, in der Opposition fort-
schreitenden, aber doch von den kirchlichen Gewalten nicht
zu verdammenden Unternehmens. Man behielt Zeit, die
eigentlichen Studien auf dem betretenen Wege zu fördern.
Noch waren die bedeutendern Lehrer in der Hauptsache der-
selben Meinung. Überdieß aber hatten sie im Sommer
1518 einen jungen Gehülfen bekommen, dessen Thätigkeit
vom ersten Augenblick an ihrem ganzen Wesen ein neues
Leben gab, Philipp Melanchthon.

Philipp Schwarzerd, genannt Melanchthon, gehörte
mehr und wahrhafter als irgend ein Anderer zur Schule
Reuchlins. Reuchlin war einer seiner nächsten Verwandten,
hatte seine Erziehung geleitet; mit sinnvoller Hingebung
und unvergleichlicher Fähigkeit war der junge Mensch den
Anweisungen des Meisters, seinem Beispiel gefolgt; schon
im 17ten, 18ten Jahre hatte er es dahin gebracht, in
Tübingen lehren, einige kleine Bücher grammatischen In-
halts erscheinen lassen zu können. 1

Wie aber der Meister, so ward auch der Jünger von
dem grammatisch-philologischen Bestreben nicht befriedigt.
Er hörte Vorlesungen in allen Facultäten; noch waren die
Wissenschaften nicht so im Detail, in abgeschlossener Me-
thode ausgebildet, daß dieß unthunlich gewesen wäre: sie
konnten noch eine allseitige und liberale Wißbegier näh-
ren: besonders ward sich Melanchthon einer philosophischen
Tendenz bewußt, gegen die ihm sein übriges Treiben wie

1 Schnurrer de Phil. Melanchthonis rebus Tubingensibus:
Orationes academ. ed. Paulus p.
52.

Zweites Buch. Drittes Capitel.
Univerſität Wittenberg zu Gute. Man war da im Ge-
fühl eines glücklich begonnenen, in der Oppoſition fort-
ſchreitenden, aber doch von den kirchlichen Gewalten nicht
zu verdammenden Unternehmens. Man behielt Zeit, die
eigentlichen Studien auf dem betretenen Wege zu fördern.
Noch waren die bedeutendern Lehrer in der Hauptſache der-
ſelben Meinung. Überdieß aber hatten ſie im Sommer
1518 einen jungen Gehülfen bekommen, deſſen Thätigkeit
vom erſten Augenblick an ihrem ganzen Weſen ein neues
Leben gab, Philipp Melanchthon.

Philipp Schwarzerd, genannt Melanchthon, gehörte
mehr und wahrhafter als irgend ein Anderer zur Schule
Reuchlins. Reuchlin war einer ſeiner nächſten Verwandten,
hatte ſeine Erziehung geleitet; mit ſinnvoller Hingebung
und unvergleichlicher Fähigkeit war der junge Menſch den
Anweiſungen des Meiſters, ſeinem Beiſpiel gefolgt; ſchon
im 17ten, 18ten Jahre hatte er es dahin gebracht, in
Tübingen lehren, einige kleine Bücher grammatiſchen In-
halts erſcheinen laſſen zu können. 1

Wie aber der Meiſter, ſo ward auch der Jünger von
dem grammatiſch-philologiſchen Beſtreben nicht befriedigt.
Er hörte Vorleſungen in allen Facultäten; noch waren die
Wiſſenſchaften nicht ſo im Detail, in abgeſchloſſener Me-
thode ausgebildet, daß dieß unthunlich geweſen wäre: ſie
konnten noch eine allſeitige und liberale Wißbegier näh-
ren: beſonders ward ſich Melanchthon einer philoſophiſchen
Tendenz bewußt, gegen die ihm ſein übriges Treiben wie

1 Schnurrer de Phil. Melanchthonis rebus Tubingensibus:
Orationes academ. ed. Paulus p.
52.
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[392/0410] Zweites Buch. Drittes Capitel. Univerſität Wittenberg zu Gute. Man war da im Ge- fühl eines glücklich begonnenen, in der Oppoſition fort- ſchreitenden, aber doch von den kirchlichen Gewalten nicht zu verdammenden Unternehmens. Man behielt Zeit, die eigentlichen Studien auf dem betretenen Wege zu fördern. Noch waren die bedeutendern Lehrer in der Hauptſache der- ſelben Meinung. Überdieß aber hatten ſie im Sommer 1518 einen jungen Gehülfen bekommen, deſſen Thätigkeit vom erſten Augenblick an ihrem ganzen Weſen ein neues Leben gab, Philipp Melanchthon. Philipp Schwarzerd, genannt Melanchthon, gehörte mehr und wahrhafter als irgend ein Anderer zur Schule Reuchlins. Reuchlin war einer ſeiner nächſten Verwandten, hatte ſeine Erziehung geleitet; mit ſinnvoller Hingebung und unvergleichlicher Fähigkeit war der junge Menſch den Anweiſungen des Meiſters, ſeinem Beiſpiel gefolgt; ſchon im 17ten, 18ten Jahre hatte er es dahin gebracht, in Tübingen lehren, einige kleine Bücher grammatiſchen In- halts erſcheinen laſſen zu können. 1 Wie aber der Meiſter, ſo ward auch der Jünger von dem grammatiſch-philologiſchen Beſtreben nicht befriedigt. Er hörte Vorleſungen in allen Facultäten; noch waren die Wiſſenſchaften nicht ſo im Detail, in abgeſchloſſener Me- thode ausgebildet, daß dieß unthunlich geweſen wäre: ſie konnten noch eine allſeitige und liberale Wißbegier näh- ren: beſonders ward ſich Melanchthon einer philoſophiſchen Tendenz bewußt, gegen die ihm ſein übriges Treiben wie 1 Schnurrer de Phil. Melanchthonis rebus Tubingensibus: Orationes academ. ed. Paulus p. 52.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/410>, abgerufen am 25.11.2024.