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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Anfang der neuen Regierung.
Gelingen zu verdoppeltem Feuer ermuthigt machte sie ei-
nen heftigen Anfall auf die calenbergischen Reitergeschwa-
der. Hier fand sie tapfern Widerstand: Herzog Erich
von Calenberg, kenntlich an seinem weißen Federbusch, drang
einmal sogar in ihre Reihen; aber die Lüneburger waren
durch ihre Anzahl überlegen: sie erfochten einen vollstän-
digen Sieg: Erich selbst, sein Bruder Wilhelm und 120 Rit-
ter geriethen in die Gefangenschaft der Anhänger des Kö-
nigs von Frankreich. 1

Allein, wie gesagt, da an demselben Tage die Wahl
vollzogen worden, so konnte dieser Sieg nichts mehr hel-
fen. Die Sieger mußten jetzt jede Verbindung mit Frank-
reich vermeiden, dagegen fanden die Geschlagenen bei den
Commissarien Carls V zu Augsburg Gunst und Hülfe.
Im October griff Heinrich der Jüngere von Wolfenbüt-
tel, wie man damals glaubte von Augsburg her mit Geld
unterstützt, aufs neue zu den Waffen und richtete im Hil-
desheimischen einen Schaden an, den man auf anderthalb-
hunderttausend Gulden berechnete; nur mit Mühe konnte
er von den benachbarten Fürsten zu Stillstand und Tag-
leistung gebracht werden. Aber schon wollte er sich in
keinen Beschluß der Vermittler fügen. Von einer Ver-
sammlung zu Zerbst, im Mai 1520, entfernte er sich bei
Nacht, ohne dieselbe zu begrüßen, nur mit der Bemerkung,
er müsse die Sache der Entscheidung königlicher Majestät
vorbehalten. Hatten die Lüneburger Frankreich vertheidigt,
so kam Östreich und sein Glück jetzt ihren Gegnern um
so gewaltiger zu Hülfe.


1 Chyträus Saxonia lib. VIII, p. 207. Carmen prolixius
bei Leibnitz Scriptores rer. brunsv. III, 257.

Anfang der neuen Regierung.
Gelingen zu verdoppeltem Feuer ermuthigt machte ſie ei-
nen heftigen Anfall auf die calenbergiſchen Reitergeſchwa-
der. Hier fand ſie tapfern Widerſtand: Herzog Erich
von Calenberg, kenntlich an ſeinem weißen Federbuſch, drang
einmal ſogar in ihre Reihen; aber die Lüneburger waren
durch ihre Anzahl überlegen: ſie erfochten einen vollſtän-
digen Sieg: Erich ſelbſt, ſein Bruder Wilhelm und 120 Rit-
ter geriethen in die Gefangenſchaft der Anhänger des Kö-
nigs von Frankreich. 1

Allein, wie geſagt, da an demſelben Tage die Wahl
vollzogen worden, ſo konnte dieſer Sieg nichts mehr hel-
fen. Die Sieger mußten jetzt jede Verbindung mit Frank-
reich vermeiden, dagegen fanden die Geſchlagenen bei den
Commiſſarien Carls V zu Augsburg Gunſt und Hülfe.
Im October griff Heinrich der Jüngere von Wolfenbüt-
tel, wie man damals glaubte von Augsburg her mit Geld
unterſtützt, aufs neue zu den Waffen und richtete im Hil-
desheimiſchen einen Schaden an, den man auf anderthalb-
hunderttauſend Gulden berechnete; nur mit Mühe konnte
er von den benachbarten Fürſten zu Stillſtand und Tag-
leiſtung gebracht werden. Aber ſchon wollte er ſich in
keinen Beſchluß der Vermittler fügen. Von einer Ver-
ſammlung zu Zerbſt, im Mai 1520, entfernte er ſich bei
Nacht, ohne dieſelbe zu begrüßen, nur mit der Bemerkung,
er müſſe die Sache der Entſcheidung königlicher Majeſtät
vorbehalten. Hatten die Lüneburger Frankreich vertheidigt,
ſo kam Öſtreich und ſein Glück jetzt ihren Gegnern um
ſo gewaltiger zu Hülfe.


1 Chytraͤus Saxonia lib. VIII, p. 207. Carmen prolixius
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[379/0397] Anfang der neuen Regierung. Gelingen zu verdoppeltem Feuer ermuthigt machte ſie ei- nen heftigen Anfall auf die calenbergiſchen Reitergeſchwa- der. Hier fand ſie tapfern Widerſtand: Herzog Erich von Calenberg, kenntlich an ſeinem weißen Federbuſch, drang einmal ſogar in ihre Reihen; aber die Lüneburger waren durch ihre Anzahl überlegen: ſie erfochten einen vollſtän- digen Sieg: Erich ſelbſt, ſein Bruder Wilhelm und 120 Rit- ter geriethen in die Gefangenſchaft der Anhänger des Kö- nigs von Frankreich. 1 Allein, wie geſagt, da an demſelben Tage die Wahl vollzogen worden, ſo konnte dieſer Sieg nichts mehr hel- fen. Die Sieger mußten jetzt jede Verbindung mit Frank- reich vermeiden, dagegen fanden die Geſchlagenen bei den Commiſſarien Carls V zu Augsburg Gunſt und Hülfe. Im October griff Heinrich der Jüngere von Wolfenbüt- tel, wie man damals glaubte von Augsburg her mit Geld unterſtützt, aufs neue zu den Waffen und richtete im Hil- desheimiſchen einen Schaden an, den man auf anderthalb- hunderttauſend Gulden berechnete; nur mit Mühe konnte er von den benachbarten Fürſten zu Stillſtand und Tag- leiſtung gebracht werden. Aber ſchon wollte er ſich in keinen Beſchluß der Vermittler fügen. Von einer Ver- ſammlung zu Zerbſt, im Mai 1520, entfernte er ſich bei Nacht, ohne dieſelbe zu begrüßen, nur mit der Bemerkung, er müſſe die Sache der Entſcheidung königlicher Majeſtät vorbehalten. Hatten die Lüneburger Frankreich vertheidigt, ſo kam Öſtreich und ſein Glück jetzt ihren Gegnern um ſo gewaltiger zu Hülfe. 1 Chytraͤus Saxonia lib. VIII, p. 207. Carmen prolixius bei Leibnitz Scriptores rer. brunsv. III, 257.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/397>, abgerufen am 17.09.2024.