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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Kaiserwahl von 1519.
die Versammlungen des Reiches nur innerhalb der Gren-
zen der deutschen Nation gehalten werden sollten. Und
hiebei vergaßen denn die Churfürsten auch ihre eigenen
Rechte nicht. Sie sollten zum Reichsregiment gezogen,
ohne ihre Einwilligung kein Krieg angefangen, kein Bünd-
niß geschlossen, kein Reichstag angekündigt, geschweige denn
eine Steuer ausgeschrieben werden; was mit Rath und
Hülfe der Stände im Kriege gewonnen werde, sollte auch
immer dem Reiche verbleiben. 1

Es eröffnet sich uns hier noch eine andre Ansicht.
Es ist wahr: die Fürsten wählten sich ein mächtiges
Oberhaupt. Aber war nicht auch die Stellung desselben,
die so häufig seine Abwesenheit veranlassen mußte, der
Entwickelung ihrer eigenen Macht günstig? Unter einem
Fürsten wie dieser, der in so vielen Ländern zu gebieten
hatte, dem so viele Kriege bevorstanden, konnten sie am
ersten zu jener ständischen Verfassung, zu der Theilnahme
an den Reichsgeschäften gelangen, nach der sie unter Ma-
ximilian schon immer getrachtet hatten.

Sonderbare Mischung der verschiedenartigsten Beweg-
gründe, die zu der Wahl Carls V zusammenwirkten! Es
ist nicht zu leugnen: Geldzahlungen in reichem Maaße,
wie an die Fürsten, so an ihre Angehörigen und Räthe,
an denen selbst Trier und Herzog Hans von Sachsen An-
theil hatten: Erwerbung neuer Gerechtsame: verwandtschaft-
liche Verbindungen, nähere oder entferntere, die entweder
schon bestanden, oder jetzt geschlossen, oder für die Zukunft

1 Capitulation unter andern bei Dumont IV, 1. Leider sind
mir die Verhandlungen nicht näher bekannt geworden.

Kaiſerwahl von 1519.
die Verſammlungen des Reiches nur innerhalb der Gren-
zen der deutſchen Nation gehalten werden ſollten. Und
hiebei vergaßen denn die Churfürſten auch ihre eigenen
Rechte nicht. Sie ſollten zum Reichsregiment gezogen,
ohne ihre Einwilligung kein Krieg angefangen, kein Bünd-
niß geſchloſſen, kein Reichstag angekündigt, geſchweige denn
eine Steuer ausgeſchrieben werden; was mit Rath und
Hülfe der Stände im Kriege gewonnen werde, ſollte auch
immer dem Reiche verbleiben. 1

Es eröffnet ſich uns hier noch eine andre Anſicht.
Es iſt wahr: die Fürſten wählten ſich ein mächtiges
Oberhaupt. Aber war nicht auch die Stellung deſſelben,
die ſo häufig ſeine Abweſenheit veranlaſſen mußte, der
Entwickelung ihrer eigenen Macht günſtig? Unter einem
Fürſten wie dieſer, der in ſo vielen Ländern zu gebieten
hatte, dem ſo viele Kriege bevorſtanden, konnten ſie am
erſten zu jener ſtändiſchen Verfaſſung, zu der Theilnahme
an den Reichsgeſchäften gelangen, nach der ſie unter Ma-
ximilian ſchon immer getrachtet hatten.

Sonderbare Miſchung der verſchiedenartigſten Beweg-
gründe, die zu der Wahl Carls V zuſammenwirkten! Es
iſt nicht zu leugnen: Geldzahlungen in reichem Maaße,
wie an die Fürſten, ſo an ihre Angehörigen und Räthe,
an denen ſelbſt Trier und Herzog Hans von Sachſen An-
theil hatten: Erwerbung neuer Gerechtſame: verwandtſchaft-
liche Verbindungen, nähere oder entferntere, die entweder
ſchon beſtanden, oder jetzt geſchloſſen, oder für die Zukunft

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mir die Verhandlungen nicht naͤher bekannt geworden.
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[377/0395] Kaiſerwahl von 1519. die Verſammlungen des Reiches nur innerhalb der Gren- zen der deutſchen Nation gehalten werden ſollten. Und hiebei vergaßen denn die Churfürſten auch ihre eigenen Rechte nicht. Sie ſollten zum Reichsregiment gezogen, ohne ihre Einwilligung kein Krieg angefangen, kein Bünd- niß geſchloſſen, kein Reichstag angekündigt, geſchweige denn eine Steuer ausgeſchrieben werden; was mit Rath und Hülfe der Stände im Kriege gewonnen werde, ſollte auch immer dem Reiche verbleiben. 1 Es eröffnet ſich uns hier noch eine andre Anſicht. Es iſt wahr: die Fürſten wählten ſich ein mächtiges Oberhaupt. Aber war nicht auch die Stellung deſſelben, die ſo häufig ſeine Abweſenheit veranlaſſen mußte, der Entwickelung ihrer eigenen Macht günſtig? Unter einem Fürſten wie dieſer, der in ſo vielen Ländern zu gebieten hatte, dem ſo viele Kriege bevorſtanden, konnten ſie am erſten zu jener ſtändiſchen Verfaſſung, zu der Theilnahme an den Reichsgeſchäften gelangen, nach der ſie unter Ma- ximilian ſchon immer getrachtet hatten. Sonderbare Miſchung der verſchiedenartigſten Beweg- gründe, die zu der Wahl Carls V zuſammenwirkten! Es iſt nicht zu leugnen: Geldzahlungen in reichem Maaße, wie an die Fürſten, ſo an ihre Angehörigen und Räthe, an denen ſelbſt Trier und Herzog Hans von Sachſen An- theil hatten: Erwerbung neuer Gerechtſame: verwandtſchaft- liche Verbindungen, nähere oder entferntere, die entweder ſchon beſtanden, oder jetzt geſchloſſen, oder für die Zukunft 1 Capitulation unter andern bei Dumont IV, 1. Leider ſind mir die Verhandlungen nicht naͤher bekannt geworden.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/395>, abgerufen am 22.11.2024.